Brennpunkt Miami

Italien, 1964

Originaltitel:

Appuntamento a Dallas

Alternativtitel:

Destination Miami: Objective Murder

Destination Miami

Objective Murder

Regisseur:

Piero Regnoli

Kamera:

Aldo Greci

Inhalt

Infolge einer Serie ernstzunehmender Mordandrohungen finden sich mehrere dubiose Geschäftsmänner in einer Villa im sonnigen Miami ein, um dort in aller Ruhe die weitere Vorgehensweise gemeinsam abzustimmen, denn der Urheber der größtenteils telefonisch übermittelten Morddrohungen ist ein gewisser Vargas, dem so ziemlich genau ein Jahr zuvor von einem der Anwesenden aufgrund eines dreisten Erpressungsversuchs das Lebenslicht ausgeblasen wurde. Und seitdem sollte der Leichnahm eigentlich metertief verscharrt in der Erde ruhen, anstatt sich mit wüsten Androhungen wieder telefonisch aus dem Jenseits zurückzumelden.

 

Neben dem skrupellosen Geschäftsmann Contreras (Claudio Gora), auf dessen Geheiß das Treffen in Miami überaupt erst zustande kam, sind es der zwielichtige Spielcasino- und Nachtclubbesitzer George Sabo (Adriano Micantoni) mit seiner Ehefrau Laura (Luisa Rivelli), der halbseidene Finanzier Jacob 'Jack' Aaron (Franco Abbiana), der berüchtigte Aktienspekulant Joe 'das Barometer' Martin (Mario Lanfranchi), der fragwürdige Buchmacher Algero mit seiner liebreizenden Sekretärin Jane (Anna Maria Surdo) und Contreras Privatsekretär Juan (Nico Fidenco), die sich als Teilnehmer der konspirativen Beratschlagungsrunde in der luxuriösen Villa des Gastgebers einfinden. Hinzu gesellen sich Contreras unbedarfte Gespielin Bonnie (Bella Cortez), Butler Pablo (Piero Gerlini) als auch  Nachtwächter Fernandez. Und nachdem sich die Wogen der ersten Meinungsverschiedenheiten endlich geglättet haben, wird der Nachtwächter bereits schon leblos in der Garage vorgefunden. Als dann aber auch noch der renommierte Hausarzt Dr. Lodger die bakterielle Infektionskrankheit Cholera als Todesursache diagnostiziert, scheint das Wochenende für die Anwesenden endgültig gelaufen zu sein, denn der Mediziner stellt nicht nur die vermeintlich ehrenwerte Gesellschaft unter Quarantäne, sondern auch die Villa unter Polizeischutz, damit bloß keiner der potenziell infektiösen Gästen vorzeitig das Haus verlässt. Was folgt, ist ein allmähliches Dahinsiechen der anwesenden Gäste, wobei die jeweiligen Todesursachen aber nicht im Zusammenhang mit der kursierenden Seuche stehen, sondern vielmehr dem vermeintlich von den Toten zurückgekehrten Vargas zugeschrieben werden.  Aber kann das wirklich sein?

Review

"Ein Termin in Dallas", der zugleich in einer Villa im Bundesstaat Florida, genauer gesagt im sonnigen "Brennpunkt von Miami" stattfindet - wie soll denn so etwas gehen? Dabei ist die Antwort auf diese zunächst verzwickt wirkende Frage eigentlich gar nicht so schwer zu erraten, denn diese ergibt sich aus den verschiedenen Sprachfassungen, von denen lediglich die italienische -zumindest dem Titel nach- in Dallas spielt. In der deutschen als auch englischen Sprachfassung wurde der Ort des mordseligen Geschehens einfach mal kurzerhand nach Miami verlagert, obwohl das Ganze letzten Endes eigentlich keine große Rolle spielt, denn die Villa, in der fast die gesamte Handlung des vorliegenden Films vonstatten geht, befindet sich augenscheinlich in bella Italia. Die einzigen, kurzen und gänzlich von Darstellern befreiten Filmsequenzen, die auf die Vereinigten Staaten schließen lassen, stammen offenbar  von einem vorausgegangenen Urlaubsbesuch einer der am Film Beteiligten, denn außer ein paar Luftaufnahmen einer amerikanischen Großstadt werden lediglich fahrende Autos auf mehrspurigen Strassenzügen gezeigt, von denen aus dann auch eine Ausfahrt nach 'Miami Beach' mündet. Jetzt wäre es auch noch interessant zu wissen, ob die besagte Autobahnausfahrt in der italienischen Fassung an dieser Stelle nach 'Dallas' führt - oder eventuell auch 'Miami Beach' auf der Beschilderung aufweist? Doch leider wird diese Frage bis auf Weiteres nicht so einfach zu beantworten sein, da zahlreichen Quellen nach die italienische Fassung in ihrem Heimatland bis dato weder im TV ausgestrahlt wurde, noch auf VHS oder DVD erschienen ist. Glücklicherweise ist in diesem Fall die deutsche Videosynchro recht ordentlich geraten, so dass einem ungetrübten Sehvergnügen hierzulande nichts im Wege steht, denn neben einer VHS-Veröffentlichung wurde diese rare Filmobskurität sogar schon im deutschen Pay-TV ausgestrahlt. 

 

Soweit, so gut! Kommen wir zum eigentlichen Film, bei dem es sich um einen recht frühen Vertreter des allseits beliebten Giallo-Genres handelt und für dessen Inszenierung sich der begnadete Drehbuchautor Piero Regnoli verantwortlich zeigte. 1921 in Rom geboren, begann Regnoli seine Karriere als Filmkritiker beim Osservatore Romano, bevor er 1948 erstmals bei Paolo Moffas DIE LETZTEN TAGE VON POMPEJI als Regieassistent in Erscheinung trat. In den Jahren 1949 - 1955 zählte Piero Regnoli zu den Jurymitgliedern der Filmfestspiele in Venedig und veröffentlichte im Jahre 1957 nicht nur mit LA CHIAMAVAN CAPINERA... seine erste eigenständige Regiearbeit, sondern wirkte auch noch gemeinsam mit Mario Bava als Regieassistent an Ricardo Fredas DER VAMPIR VON NOTRE DAME mit, für den er auch bereits das Drehbuch beisteuerte. Insgesamt schaffte es Piero Regnoli bis zu seinem Tod im Jahre 2001 auf über hundert Drehbücher und drehte insgesamt elf Filme in der Funktion des Regisseurs. Zu seinen denkwürdigsten Arbeiten dürften beispielsweise die Drehbücher für EINE FLUT VON DOLLARS, AN SEINEN STIEFELN KLEBTE BLUT, DAS DRITTE AUGE, MATCHLESS - DER UNSICHTBARE SPION, PSYCHOUT FOR MURDER, DIE RACHE DES PATEN, DIE WILDE MEUTE, WIE TOLLWÜTIGE HUNDE, MALABIMBA, PATRICK LEBT!, DR. PORNO UND SEIN SATANSZOMBIE, GROßANGRIFF DER ZOMBIES, DIE RÜCKKEHR DER ZOMBIES und URBAN WARRIORS zählen. 

 

Sein 1964 entstandener Kriminalfilm BRENNPUNKT MIAMI wirkt zwar auf den ersten Blick hin recht unspektakulär und glänzt auch ansonsten nicht gerade aufgrund seiner erzählerischen Raffinesse, bietet aber bei genauerer Betrachtungsweise dennoch so einige Aspekte, die den Film wiederum in einem ganz anderen Licht erscheinen lassen. Neben einer sehr außergewöhnlichen Konstellation an Darstellern scheint gerade das frühe Entstehungsjahr im Kontext des Giallo-Genres von hohem Interesse, zumal der Filmtitel äußerst selten genannt wird, wenn es sich mal wieder um die Entstehugsgeschichte dieser besonderen Art von Thrillern dreht. Dabei bietet der Film sowohl einen astreinen Whodunit Plot, der wiederum passgenau mit einer genretypischen "da waren es nur noch zehn..." Erzählung verwoben ist, als auch einen geheimnisvollen Killer, der mit einem Schalldämpfer versehenen Schießeisen genüsslich in der Villa herummeuchelt. Die leblosen Körper werden daraufhin entweder als Wasserleiche getarnt im Swimming-Pool entsorgt oder auch einfach ohne große Umschweife an ein Holzkreuz genagelt, bevor diese dann wiederum von den verbliebenen Gästen im Keller der Villa ihrer ewigen Ruhe zugeführt werden.  Die jeweiligen Mordtaten werden aber keinesfalls breit ausgewalzt, sondern finden allesamt im Off statt, was wiederum dem frühen Entstehungsjahr geschuldet sein dürfte. Neben zahlreichen Logiklöchern und einem sprachlos machenden Finale offenbart der Film aber auch durchwegs ansehnliche Bildkompositionen, für die sich der viel beschäftigte Kameramann Aldo Greci (DAS UNGEHEUER AUF SCHLOß BANTRY, EL CISCO, DAS TODESRIFF, PLAY MOTEL) verantwortlich zeigte. 

 

Als eine weitere Besonderheit kann die recht außergewöhnliche Wahl der illustren Darstellertruppe angesehen werden, die allen voran von der italienischen Schauspiellegende Claudio Gora (GEFAHR: DIABOLIK!, BLUTIGE STRASSE, DER UNERBITTLICHE VOLLSTRECKER) angeführt wird. Dabei verkörpert er den schurkenhaften Geschäftsmann und passionierten Kunstsammler Contreras, der von seiner holden Geliebten auch liebevoll 'Fuzzi' genannt wird. Er selbst betitelt sich viel lieber als 'jedermanns Freund', denn egal ob vom Gouverneur bis zur Polizei, ob der Pastor der Presbyterianischen Kirche oder gleich die ganze Gesellschaft - alles seine Freunde. 

 

Der nächste im Bunde hört auf den Namen Juan, ist seines Zeichens Contreras Pivatsekretär und wird von keinem geringeren als dem eigentlich als Sänger und Komponist bekannten Nico Fidenco verkörpert. 1933 in Rom geboren, begann Fidenco zunächst in den 50ern ein Medizinstudium, welches er dann aber vorzeitig abbrach, um viel lieber die Gundlagen der Regieassistenz am Centro Sperimentale Di Cinematografia zu elernen. Hinzu gesellten sich zu Beginn der 60er Jahre seine ersten Erfolge als Sänger, wobei er bereits im Jahre 1963 auf mehr als 1 Mio. verkaufte Schallplatten zurückblicken konnte. In seinen Anfangsjahren als Musiker performte Fidenco vornehmlich Coverversionen von Filmtiteln, bevor er sich dann ab Mitte der 60er fast ausschließlich dem Komponieren von Filmscores widmete. Zu seinen bekanntesten Filmmusiken zählen neben den Kompositionen zu zahlreichen Laura Gemser Filmen auch seine musikalischen Werke für LANKY FELLOW - DER EINSAME RÄCHER, DEN GEIERN ZUM FRAß, MIKE MURPHY 077 GEGEN YPOTRON, RAUMKREUZER HYDRA – DUELL IM ALL, ZOMBIES UNTER KANNIBALEN oder KESSE TEENS - DIE ERSTE LIEBE.

 

Zwischen 1951 - 1967 trat er zudem sieben Mal als Darsteller vor die Kamera, zudem dann auch seine vorliegende Darbietung zählt. Darin verkörpert er einen Privatsekretär namens Juan, der dann nicht nur unfreiwillig unter der Fuchtel des dubiosen Kunstliebhabers Contreras steht, sondern auch noch einer der anwesenden Damen völlig den Kopf verdreht. Das Resultat dieses zufälligen Zusammentreffens ist eine ausufernde Romanze, bei der letztendlich zwei gescheiterte Existenzen zueinanderfinden, die von da an ungeachtet aller Gefahren auf Wolke Sieben durch die seuchenbelastete Villa schweben. Dabei drückt Fidenco dermaßen auf die Tube, so dass er nicht nur seinem berühmten, um einem 'Don'-Titel erweiterten Namensvetter in rein beinahe nichts mehr nachsteht, sondern durch sein unbarmherziges Liebesgeschnulze auch noch die Mangoblüten im hauseigenen Gewächshaus zum blühen bringt. Und als wäre das alles noch nicht genug, zeigte sich Fidenco darüber hinaus auch noch gemeinsam mit Nino Pasquale Tassone für die recht fluffige und abwechslungsreiche Filmmusik verantwortlich. 

 

Kommen wir zu Mario Lanfranchi, bei dem es sich entgegen der im Internet verbreiteten Meinung eben nicht um den adligen Musik- und Opernfilmregisseur handelt, der uns zudem solch feine Genrefilmwerke wie DJANGO - UNBARMHERZIG WIE DIE SONNE oder GENOVA A MANO ARMATA bescherte, sondern lediglich um einen Schauspieler gleichen Namens, der beispielsweise in Filmen wie WEIßE FRACHT FÜR HONG KONG, DAS SUPERDING DER SIEBEN GOLDENEN MÄNNER, AKTION TODESMOLE 83, LEISE TÖTEN DIE SPIONE, GEMINI 13 - TODESSTRAHLEN AUF KAP CANAVERAL oder auch AN SEINEN STIEFELN KLEBTE BLUT mitwirkte. Klargestellt wurde dieser oftmals falsch wiedergegebene Sachverhalt übrigens  von 'Regisseur' Lanfranchi höchstpersönlich, und zwar im Rahmen eines Interviews mit dem italienischen Filmkritiker Renato Venturelli im Jahre 2010 (Cinema & Generi 2010, Le Mani Editore). Sein einziger Auftritt als Schauspieler kam dabei rein zufällig während den Dreharbeiten zu GENOVA A MANO ARMATA infolge eines plötzlichen Krankheitsausfalls zustande, wodurch der Regisseur notgedrungen die freigewordene Rolle des zu verkörpernden Arztes selbst übernahm. 

 

"Schönheit ohne Verstand ist wie ein Schwein mit Perlen

 

Ein weiterer interessanter Aspekt scheint die Rollenverteilung der drei am Film beteiligten Damen zu sein, wovon die 1944 in Kuba als Alicia Paneque geborene Bella Cortez (DIE RACHE DES ALI BABA, VULKANUS - DER TITAN, FBI RUFT ISTANBUL) den Part des genretypischen 'Pin-Up Girls' übernimmt, welches wiederum aufgrund lasziver Tanz- und Stripeinlagen als reines Objekt für die männlichen Begierden agiert. Zwar wirken ihre gezeigten Freizügigkeiten aus heutiger Sicht eher unschuldig, dürften aber zum damaligen Zeitpunkt zureichend die Grenzen des Zeigbaren ausgelotet haben, denn neben den besagten Striptanzeinlagen und einem Nacktbad im Swimming-Pool kommt es sogar auch noch zu einem sekundenkurzen Nippelgate-Skandal, der den damaligen Moralhütern ordentliche Unterleibsschmerzen bereitet haben dürfte. Hinzu kommt, dass sich ihr darzustellender Rollencharakter Bonnie nicht gerade durch Cleverness auszeichnet, sondern stattdessen viel mehr nervtötende Tendenzen aufweist, wodurch man ihr wiederum in manchen Situationen einen funktionstüchtigen Notausschalter an ihre hübsche Stirn wünscht. Begonnen hatte die reizende Bella Cortez ihre Karriere übrigens als Nachtclubtänzerin und Fotomodell, bevor sie sich in den Jahren 1961 - 66 vermehrt der Schauspielerei widmete. Danach war dann auch irgendwann Ende mit der Schauspielerei, denn Bella zog sich aufgrund ihrer Heirat gänzlich aus dem Filmgeschäft zurück.

  

Das genaue Gegenteil von Bella Cortez verkörpert die italienische Schauspielerin Luisa Rivelli (MOHN IST AUCH EINE BLUME, KOMMISSAR X - IN DEN KLAUEN DES GOLDENEN DRACHEN, EIN DREIFACH HOCH DEM SANITÄTSGEFREITEN NEUMANN), die in der Rolle der dominant wirkenden Laura am emanzipiertesten von den drei Damen erscheint, denn obwohl sie die Ehefrau des machtbesessenen und tobsüchtigen Gangsterbosses George Sabo verkörpert, der übrigens von dem italienischen Schauspieler Adriano Micantoni (LSD - INFERNO PER POCHI DOLLARI, ANDERE BETEN - DJANGO SCHIESST!, SEIN SCHLACHTFELD WAR DAS BETT) dargestellt wird, ist ausgerechnet sie es, die in der strapaziösen Beziehung letzten Endes die Hosen anbehält.

  

Und dann wäre da auch noch Anna Maria Surdo (EIN SELTSAMER TYP, DER LEOPARD, DIE SCHLACHT VON TOLEDO), die sich in der Rolle der Sekretärin Jane im weiteren Filmverlauf von den Fesseln der Abhängigkeit zu befreien versucht, die ihr der gewissenlose Buchmacher Algero zuvor gegen ihren Willen angedeihen ließ. Aber glücklicherweise trifft sie im Rahmen des einberufenen Treffens auf den von Nico Fidenco verkörperten 'Don' Juan, der dann nicht nur das gleiche Schicksal wie sie teilt, sondern ihr auch noch zum erlösenden Befreiungsschlag aus den Fängen des zwischenzeitlich höchst eifersüchtig gewordenen Algeros verhilft.

  

Und wer diesen kleinen, aber auch recht feinen Kriminalfilm nach all den aufgezeigten Aspekten immer noch ausschließlich auf dessen narrative Schwächen reduziert, der wird sich mit BRENNPUNKT MIAMI wohl tatsächlich nie anfreunden können.

 

Fazit: Totgeglaubte leben bekanntlich länger...

Bitte Kommentar schreiben

Sie kommentieren als Gast.