Johnny Hamlet
That Dirty Story of the West
Als Django (im Original: Johnny) nach Jahren aus dem Bürgerkrieg heimkehrt, muss er erfahren, dass sein Vater nicht nur ermordet wurde, sondern auch dass seine Mutter mittlerweile den Onkel geehelicht und diesen dadurch zum Alleinherrscher über den großen Familienbesitz gemacht hat. Doch Johnny argwöhnt, dass sein Vater durch des eigenen Bruders Hand gestorben ist. Wie einst Hamlet schwört auch dieser heimgekehrte Sohn blutige Rache, unterschätzt aber dabei des Onkels Bösartigkeit...
Da sagt noch einer im Genrekino gäbe es keine Kultur. Enzo G. Castellari bringt Shakespeare in den Italowestern. Der Bezug zum großen, englischen Dichter kommt im Alternativtitel JOHNNY HAMLET allerdings um einiges besser zur Geltung als im hiesigen Verleihtitel, der ebenso wie deutsche Synchronisation wieder einmal den guten, alten Django bemüht. So wird der Hauptprotagonist Johnny kurzerhand in Django umgetauft.
Hamlet wäre tatsächlich der passendere Name gewesen. Vergleicht man nämlich die Inhaltsangabe mit dem klassischen Theaterstück stellt man rasch fest, dass sich die Schicksale unseres jungen Sezessionskriegsveteranen mit dem des dänischen Königssohn wie ein Ei dem anderen gleichen. Der Vater vom eigenen Bruder gemeuchelt; der böhse Onkel reisst sich nicht nur den üppigen Grundbesitz unter den Nagel, sondern die Schwägerin gleich dazu. Und dem heimkehrenden Sohn bleibt nur der Durst nach Rache.
Im ersten Drittel scheint Castellari seinen Italowestern Nr. 4 nach DJANGO KENNT KEIN ERBARMEN (1966), DIE SATANSBRUT DES COLONEL BLAKE und LEG IHN UM, DJANGO (beide 1967) einen ganz eigenen visuellen Anstrich verpassen wollen. Mit einer surrealen Traumsequenz steigt er in den Film ein. Er lässt uns an einem Meeresstrand erwachen, wo eine fahrende Theatergruppe gerade ihren Hamlet probt und trumpft danach mit einem mythisch dekorierten grabstein- und kerzenübersäten Friedhof in einer Höhle (!) richtig auf.
Leider werden die Pfade der genre-untypischen Schauwerte nach zwanzig Minuten wieder verlassen und Castellari sattelt auf das Handelsübliche um. Dabei bleibt DJANGO – DIE TOTENGRÄBER WARTEN SCHON immer noch ein visuell starker und vor allem recht spannender Rache-Western, der seine Klasse nicht zuletzt seinen charismatischen Bösewichtern verdankt.
Allen voran ist natürlich der eiskalte Horst Frank in der Rolle des Claudius –o Verzeihung! – des Claude Hamiliton zu nennen. Ein leichenreicher Showdown sowie ein einprägsames Kreuzigungsszenario, welches aus unserem Johnny/Hamlet/Django endgültig einen mythischen Märtyrer macht, runden diesen äußerst gelungenen Western ab und verzeihen dann auch die eine oder andere zu kasperig geratene Schlägerei des Mittelteils.
PS: Die Verquickung von Shakespeare und Italowestern feierte allerdings nicht in diesem Film Premiere, sondern wurde schon ein Jahr zuvor im Jahre 1967 in Gianni Puccinis GLUT DER SONNE praktiziert. In dieser Blei-Oper geben Peter Lee Lawrence und die aus dem LEICHENHAUS DER LEBENDEN TOTEN bekannte Cristina Galbò Romeo und Julia und die spanische Horrorlegende Paul Naschy niemanden Geringeren als Gevatter Tod höchstpersönlich.
Neuste Kommentare
Gerald Kuklinski
26. Juli, 2022 | #
Danke für die Info :-)
Stephan
19. Juli, 2022 | #
Bezüglich der deutschen VHS: Keine Ahnung, ob's verschiedene Auflagen gibt, aber meine läuft 105 Minuten (wie die spanische DVD),...
Stephan
19. Juli, 2022 | #
Hallo Gerald,
falls Du von der geplanten Dorado-BD tatsächlich nochmal was hörst, wäre es toll, wenn Du es hier kund tust. Ich hab...
Jan
15. Februar, 2022 | #
@Richard: Ihr wurde aus dem Nichts heraus eine Weltkarriere zu Füßen gelegt, aber sie stand sich selbst im Weg. Guy Hamilton...
Thomas Hortian
21. Januar, 2022 | #
Gerade gesehen, in der neuen deutschen Synchro (die man als passend und deshalb gelungen betrachten kann), hat mir richtig gut gefallen....
Stephan
29. September, 2021 | #
"Adrian Hoven (...), der just in Berlin zusammen mit Schauspieler Michel Lemoine die Aquila Film gegründet hatte."
Mit Aquila hatte...