Das Geschlecht der Engel

Deutschland | Italien, 1968

Originaltitel:

Il sesso degli angeli

Alternativtitel:

Le sexe des anges (B)

The Sex of Angels (USA)

Deutsche Erstaufführung:

09. Oktober 1970

Regisseur:

Ugo Liberatore

Inhalt

"So, es kann losgehen. Der Knabe gehört jetzt uns!"

 

Nora (Doris Kunstmann), Nancy (Rosemary Dexter) und Carla (Laura Troschel) sind 3 verwöhnte Gören aus gutem Haus, die zumindest mal für 3 Tage mit einen Yacht-Trip nach Jugoslawien der Einöde des Alltags entfliehen wollen. Damit auf der mehrtägigen Bootsfahrt auch bloß keine Langeweile aufkommt, wird am Vorabend der geplanten Reise noch schleunigst der junge und attraktive Marco (Bernard De Vries) in einem nahegelegenen Strandclub als Objekt der Begierde erkoren und unter Vortäuschung eines unwiderstehlichen Angebots für den nächsten Tag auf die Yacht eingeladen. Dass es sich bei dieser verführerischen Einladung aber letztendlich um eine mehrtägige Yacht-Reise auf der Adria handelt, wird dem unwissenden Marco "bewußt" vorenthalten, da seine Mitnahme einem recht speziellen Zweck dienen soll.

 

In der Annahme, lediglich ein paar nette und unverbindliche Stunden mit den 3 adriatischen Sirenen verbringen zu dürfen, paddelt Marco am nächsten Tag erwartungsvoll mit einem Schlauchboot zur Yacht heraus und wird sogleich nach seiner Ankunft an Bord von der verlockenden Nancy in Beschlag genommen. Nach ein paar lustvollen Stunden im väterlichen Schlafzimmer der Yacht eröffnet Nancy dem völlig erstaunten Marco dann aus heiterem Himmel die Tatsache, dass man sich mittlerweile bereits im Hafen von Rovinj (Kroatien) eingefunden hätte, die Reise zudem mehrere Tage andauern und noch einen ganz speziellen Programmpunkt bereithalten würde: Ein bewußtseinserweiternder Selbsterfahrungstrip im Rahmen einer gemeinschaftlichen LSD-Orgie.

 

Um unnötigen Risiken vorzubeugen werden vor Antritt der halluzinogenen Drogen-Reise ins Ungewisse jegliche gefährliche Gegenstände (u.a. eine Schrotflinte) andernorts sicherheitsverwahrt und im Anschluss die vorbereiteten Zuckerwürfel mit einer ordentlichen Menge an reinstem Lysergsäurediethylamid beträufelt. Daraufhin folgt dann auch schon der Startschuss zur halluzinogenen Reise ins farbenprächtige Wunderland des menschlichen Unterbewußtseins.

 

Doch schon am nächsten Morgen kommt es bei den LSD-Reisenden zum bösen Erwachen, da es während des nächtlichen Trips zu einem tragischen Unglücksfall gekommen war, woraufhin die 3 schuldgeplagten Acid-Ladys eine folgenschwere Entscheidung teffen. Doch die Folgen ihres Handlens lassen nicht mehr lange auf sich warten und wirken sich im Weiteren erheblich auf die jeweiligen Lebensverläufe der 3 Yacht-Queens aus.

 

"Was haben wir bloß heute Nacht getan? Ich kann mich an kaum etwas erinnern..."

Review

Regisseur Ugo Liberatore ("Bora, Bora" 1968, "Nero Veneziano - Die Wiege des Teufels" 1977) ist mit diesem bezaubernden Prachtexemplar an Film eine wahrhaft faszinierende Inszenierung gelungen, die neben dem phänomenalen "Sklaven ihrer Triebe", "Interbarrang" und im weitesten Sinne auch "Kreuzfahrt des Gauens" dem Genre der Yacht-Exploitern zugeordnet werden kann (den aktuelleren "Donkey Punch" aus England vernachlässigen wir hier mal).

 

Während des Filmvelaufs kommt einem unweigerlich immer wieder "Top Sensation" in den Sinn, was aber wiederum aufgrund des gleichgelagerten Rahmens auch nicht gerade verwunderlich scheint: Die Handlungskulisse beider Filme stellt nun mal eine Yacht dar, die sich logischerweise überwiegend auf dem blauen Meer befindet. Bei beiden kammerfilmähnlichen Inszenierungen liegt ein geplantes, aber jeweils ungewöhnliches Experiment mit einem zunächst unvorhersehbaren, aber in beiden Fällen letztendlich verheerenden Ausgang zugrunde und es sind in beiden Filmen leichtbekleidete Damen mit angelegten Schrotflinten vorzufinden.

 

Ansonsten ist das vorliegende Filmexemplar im Vergleich zu seiner großen Schwester zwar etwas harmloser ausgefallen, kann den Zuschauer aber nichtsdestotrotz aufgrund des Charmes der naiven Geschichte, der 3 äußerst verzückenden Drug-Queens und fantastischer Kamerabilder in einem recht ordentlichen Maß verzaubern.

 

Etwas verstörend wirkte auf mich die Menge an LSD, die hier ganz unbedarft auf die Zuckerwürfel geträufelt wird und somit eine entsprechend unkontollierbare Eskalation während der berauschten Reise vorprogrammiert ist. Hier zeigen sich dann auch die wahren Gesichter der naiven High-Society-Girls, aber zugleich werden auch deren Grundängste und eigentliche Lebenswünsche enhüllt. Leider ist es dann aber auch schon zu spät und die Beteiligten müssen ihre Missetat mit einem sehr hohen Preis bezahlen.

 

Die 3 halluzinogenen Darstellerinnen erledigen ihren Job hierbei recht solide und machen durchwegs eine sehr gute Figur. Doris Kunstmann ("Bora Bora" 1968, "7 Tote in den Augen der Katze" 1977, "Heißes Pflaster, Köln" 1967) spielt die Tochter des reichen Yachtinhabers und hat somit zugleich die Rolle des Kapitäns inne. Der außer Kontrolle geratene LSD-Trip setzt der Guten dann am nächsten Morgen von allen Beteiligten am heftigsten zu und schiebt daher während ihrer "Coming Down" Phase ein ordentliches Maß an Paranoia. Diese Szene wird von Frau Kunstmann besonders unterhaltsam umgesetzt, die aber auch ansonsten über die restliche Laufzeit des Films eine recht ordentiche Leistung darbietet.

 

Rosemary Dexter ("In den dern heißes Blut" 1968, "Sieben Stunden der Gewalt" 1973) kann in ihrer freizügigen Rolle der etwas undurchschaubaren "Nancy" gleichfalls überzeugen und Laura Troschel ("Vier Fliegen auf grauem Samt" 1971, "Django - Der Tag der Abrechnung" 1971) mimt zuguterletzt die jungfräuliche "Carla", die zwar ihre Unschuld während der eskalierten Reise im Tausch gegen ein wenig Morphium lassen wird, aber halt leider nicht auf die zuvor erhoffte Art und Weise.

 

Zudem wurde die Story der 3 verwöhnten Gören aus reichem Haus in der deutschen Sprachfassung mit einer exzellenten Synchronisation versehen, die den Filmspass um ein Weiteres ansteigen lässt und herrliche Dialoge zu Tage trägt.

 

Die traumhafte Filmmusik von Giovanni Fusco klingt exzellent und passt bestens zu dem Film.

 

Fazit: Ein yachtmäßiger LSD-Trip mit 3 sehr verzückenden, aber zugleich auch goldlosen Rauschengeln an Bord.

Veröffentlichungen

Schnittfassungen:

 

Nach dem Verglich mehrerer Schnittfassungen musste leider festgestellt werden, dass die deutsche Kinofassung (KF) mal wieder am heftigsten der Schere zum Opfer gefallen ist und sogar dem kompletten Ende beraubt wurde. Leider entspricht auch die deutsche VHS-Fassung mit einr Laufzeit von ca 85 min. dieser bereits gekürzten Kinofassung.

 

Zum Vergleich standen mir noch die italienische Originalfassung (OF) mit einer Laufzeit von ca. 100 min. und die englische Fassung (VOD) mit einer Laufzeit von ca. 95 min. zur Verfügung:

 

1. prägnanter Unterschied: Die Verlust der Unschuld:

 

Nachdem Carla in der Wohnung des schmierigen Morphiumdealers verschwunden ist, schlendern Nora und Nancy schlechten Gewissens in Richtung Hafen. Dann kommt es bei beiden Fassungen zu einem Schnitt, wobei aber im Folgenden in den jeweilgen Fassungen zwei unterschiedliche Handlungsstränge an den Tag treten:

 

KF: Carla und Nancy befinden sich bereits wieder auf der Yacht und versetzen Marco eine Morphiumspritze. Dieser versucht an Deck zu kommen, wird aber von den beiden LSD-Furien wieder brav ins Bettchen verbannt. Danach kommt ein direkter Schnitt in die Steuerkabine, wo Nora gerade eine Durchsage über das Lautsprechersystem der Yacht verkünden lässt.

 

VOD: Hier sieht man nach dem Schnitt wie alle drei Damen zunächst im Hafen gemeinsam das Boot betreten und mit einer erstarrten Mimik die Rückfahrt zur Yacht antreten. Dort angekommen gibt Nora erstmal per Funk die Nachricht durch, dass sie wie geplant erst in ein paar Tagen zurück sein werden , worauf Carla völlig geschockt reagiert.

 

Danach folgt auch hier wieder der Schnitt auf Nancy bei der Durchsage am Steuer der Yacht und beide Fassungen laufen wieder einigermaßen konform weiter.

 

OF: Diese enthält natürlich die beiden unterschiedlichen Szenen in der richtigen Reihenfolge. Zudem kommt es bei der it. Langfassung direkt nach dem Schnitt (obiger Ausgangspunkt) zunächst zu einer zusätzlichen Handlungsszene: Man sieht wie Carla das Haus des schmierigen Morphiumdealers wieder verlässt und mit erstarrter Mine vor dem Haus völig verstört über das Geschehene zusammensackt. Dadurch wird der Preis ihres Handelns viel intensiver herausgestellt. Erst danach besteigt man dann im Hafen gemeinsam das Boot.

 

2. prägnante Abweichung: Das Ende

 

KF: Sowohl die deutsche VHS-, als auch die dt. Kinofassung enden abrupt inmitten einer Szene (Blick von der Yacht auf die im Meer schwimmende Missetat) und ein Abspann fehlt gänzlich. Das Ganze wirkte schon immer wie ein verheerender Filmriss und der Vergleich mit den beiden anderen Fassungen beförderte dann Erschreckendes zu Tage: Die KF wurde um so einige Rollenmeter erleichtert und vollständig des eigentlichen Endes beraubt.

 

VOD: Hier sieht man die 3 LSD-Gören nach ihrer grausamen Tat zunächst etwas länger mit geschockten und versteinerten Gesichtern aufs offene Meer starren. Nach dem nächsten Schnitt befinden sich die 3 Damen dann aber wiederum in der mittlerweile verlassenen Strandbar ein, wo sie bereits zu Beginn des Films den adretten Marco kennen lernten. Während des ganzen (in der KF fehlenden) Finale fällt unter den schuldbeladenen Damen aber kein einziges Wort mehr, da sie erheblich unter den Konsequenzen ihres verwerflichen Handelns zu leiden haben. Die Missetat zollt letztendlich bei allen 3 ihren Tribut: Nora versucht ihre Qual durch teilnahmsloses tanzen zu betäuben, Nancy stiert mit paralysierten und vorwurfsvollen Blick aus der Hängematte (in der sie einst Marco kennen lernte) auf ihre beiden Mittäterinnen und Carla zerbricht an der Last ihres schlechten Gewissens, indessen Folge sie sich für sich eine endgültige Lösung ihres Problems entscheidet...

 

OF: Diese Fassung enthält im Finale wiederum eine weitere zusätzliche Szene:

 

Nachdem man die 3 betrübten Gesichter hintereinander mit einem Kameraschenk gezeigt bekommt, folgt anstatt des direkten Schnitts auf die Jukebox mit der davorstehenden Nora, zunächst eine weitere Zwischenszene, an deren Ende sich Nora ihres sehr auffallenden Mantels entledigt und erst dann zur Jukebox schreitet und ihren Verdrängungstanz zu den wundervollen Klängen von Giovanni Fusco beginnt.

 

Aufgrund der gravierenden Laufzeitunterschiede scheinen bei der KF aber auch noch weitere Handlungsszenen von Kürzungen betroffen zu sein.

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