Die Klette

Italien, 1969

Originaltitel:

Un detective

Alternativtitel:

Exécutions (FRA)

Macchie di belletto (ITA-Alt.)

Detective Belli (USA)

Ring of Death (USA)

Deutsche Erstaufführung:

29. Mai 1970

Regisseur:

Romolo Guerrieri

Inhalt

Der Inspektor der Fremdenpolizei Belli lässt sich vom Rechtsanwalt Fontana für viel Geld beauftragen die Freundin von Fontanas Sohn Mino aus dem Land zu weisen, und nebenbei auch noch herauszufinden warum Fontanas Frau eine beträchtliche Menge Geld in eine Firma von Minos Kumpel Romani stecken möchte. Der Teil mit der Freundin ist ja noch relativ einfach, aber der andere Teil ist schwieriger: Romani ist nämlich tot. Ermordet. Belli kann seine Finger nicht mehr aus dem Job rausziehen, da sonst herauskäme dass er bestechlich ist, also muss er weiterermitteln, immer im Wettlauf mit dem Mörder einerseits und der Polizei unter Kommissar Baldo andererseits. Und so sehr er auch gerne die Wahrheit herausfinden möchte, so wenig mag er auch auf Fontanas Geld verzichten. Und in Freiheit bleiben, denn auf Baldos Liste der Verdächtigen steht der Name Belli ziemlich weit oben.

Autor

Maulwurf

Review

Ob Ludovico Dentice, der Verfasser der Romanvorlage “Macchie di belletto“, was man in etwa übersetzen kann mit “Flecken auf dem Make-Up“, ob also Ludovico Dentice ein Fan der Hardboiled-Schriftsteller US-amerikanischen Zuschnitts ist kann ich leider nicht sagen, aber irgendwann in seinem Leben muss er die Romane von Raymond Chandler und Dashiell Hammett mal ziemlich verinnerlicht haben. Ist doch die Struktur des Films (Obacht Medienwechsel) ein klassischer Whodunit-Krimi mit einem Handlungswirrwarr wie es gerade Chandler gerne und oft beschrieben hat. Und nicht nur das sondern auch andere Merkmale lassen sich direkt zu Chandler zurückführen.

 

Da haben wir den abgebrühten Schnüffler (Franco Nero), der von einem (einfluss-) reichen alten Mann (Adolfo Celi) gebeten wird auf seinen Sohn aufzupassen. Der alte Mann hat noch eine erheblich jüngere und geheimnisumwitterte Frau (Florinda Bolkan), und überhaupt kreuzen jede Menge lebender und toter schräger Vögel seinen Weg. Der ermittelnde Kommissar (Renzo Palmer) ist knorrig und gutmütig, aber nicht bereit seinen Kollegen bis zum äußersten zu decken, ein paar sexy Liebschaften sind zu begutachten, die selbst dann lügen wenn sie nichts sagen, und der “Held“ kriegt auch mal eine aufs Maul, steckt das mit Hilfe von Whisky und hübschen Frauenaugen aber eigentlich ganz gut weg. Schlussendlich haben einfach alle irgendwie Dreck am Stecken, die Reichen und Schönen genauso wie die armen Schweine, und dazwischen liegt ein Haufen Toter herum.

 

Kommt das bekannt vor? Schon mal die Klassiker des US-amerikanischen Film Noir gesehen? MURDER, MY SWEET oder TOTE SCHLAFEN FEST? Na also, sag ich doch. Ich meine, das ist ja nichts Schlechtes, und es hat auch seinen Grund warum diese Art Kriminalerzählung gerade im Film nicht totzukriegen ist. Mit dem chauvinistisch-coolen Helden kann sich jeder männliche Zuschauer identifizieren, die Handlung ist spannend-vertrackt und fordert zum Mitdenken auf, die Frauen sind verrucht und geheimnisvoll, so ganz anders als die Hilde zu Hause, und überhaupt ist das ein Kosmos zum im Dreck aalen und unbeschadet und sauber wieder herauskommen (ganz anders als der Held). Warum soll diese Art Krimi nicht auch in Italien verfilmt werden können?

 

Man nehme also Franco Nero, der damals (noch ohne Pornobalken) der Inbegriff des harten und doch charmanten Mannes war, die Brasilianerin Florinda Bolkan, auf welche die bereits angeführten Begriffe “verrucht“ und “geheimnisvoll“ passen wie zu kaum einer anderen Frau, und Adolfo Celi, der ja schon oft genug bewiesen hat dass er abgründiger ist als man auf den ersten Blick denkt. So weit, so gut. Die Probleme fangen dann bei der Umsetzung an. Nicht falsch verstehen, DIE KLETTE ist für Fans des 60-er Jahre Kinos eine Augenweide vom Feinsten! Was uns hier an Kleidung und an Ambiente vorgeführt wird, das lässt jeden Liebhaber dieser Zeit vor Freude erschaudern. Schnitttechnik und Kameraführung sind gehobene Filmkunst – So hält Regisseur Romolo Guerrieri beileibe nicht die Einheit von Bild und Ton ein, wie sie uns im modernen Kino als unabdingbar verkauft wird, sondern Bild und Ton laufen bei Szenenwechseln regelmäßig unabhängig voneinander. Das führt zum Beispiel bei der Ermordung Romanis dazu, dass die Szene mit einem Schwenk über die weihnachtlich geschmückte Via Veneto beginnt, unterlegt mit dem Krach des römischen Verkehrschaos. In einer großen Kamerafahrt wohnen wir dem Mord bei, und genau ab diesem Augenblick ist Totenstille – Der Zuschauer wird in die Situation des Toten gerissen, aber nur für einen Moment, dann wird mit einer Vollbremsung wieder kurz auf die Via Veneto geschwenkt und als nächstes klingelt ein Telefon und wir hören(!), wie ein Mann mit einem anderen spricht und diesen fragt ob er Lust hat einen Auftrag zu übernehmen, während das Bild aber noch auf dem Verkehr verweilt.

 

Wie gesagt, gehobene Filmkunst mit hohem Begeisterungsfaktor. Nein, die Probleme liegen woanders. Zum einen ist die Hauptfigur Belli mit dem Fall sehr schnell überfordert und neigt (dadurch?) zu unkontrollierten Gefühlsausbrüchen und Aggressionen, gerade gegenüber Menschen von denen er ja eigentlich Informationen haben möchte. Da werden Verdächtige in schöner Regelmäßigkeit geschlagen, und eine (zugegeben originelle) extrem wilde Autofahrt durch Rom dient dazu, eine mögliche Verdächtige in Todesangst zu versetzen und sie so zum Sprechen zu bringen. Eine Charakterisierung des Helden findet somit statt, aber leider keine positive. Die Identifikation mit dem Helden fällt extrem schwer, schließlich denken die wenigsten Menschen von sich dass sie Arschlöcher sind … (Diese Gelegenheit ist übrigens geeignet um darauf hinzuweisen, dass “Belli“ eine Konjugation des lateinischen Wortes “Bellum“ ist, was nichts anderes als “Krieg“ bedeutet. Ob nun Inspektor Belli im Krieg mit sich ist oder eher mit der Außenwelt, diese Frage wäre nicht uninteressant zu erörtern. Wahrscheinlich aber mit beidem ...)

 

Und zum anderen ist die Handlung wie gesagt sehr komplex. Eine Menge Namen und Figuren wirbeln durcheinander, und der Zuschauer muss sich ungeheuer konzentrieren um in dem Tohuwabohu von Personen und Namen noch einigermaßen den Durchblick zu behalten. Zusammen mit der erwähnten Schnitttechnik keine wirklich leichte Sache, und trotz jahrelanger Erfahrung in diesem Genre ist es mir beispielsweise nicht gelungen herauszufinden wie Belli auf die Sängerin Emanuelle stößt, die scheinbar aus heiterem Himmel in den Film schneit, dummerweise aber nicht unwesentlich für die Handlung ist. Solche Dinge können dann auch schnell mal zum Abschalten und Durchwinken führen, was ausgesprochen schade ist, denn DIE KLETTE hat alle Merkmale eines guten und spannenden Krimis – nur manchmal vielleicht ein paar zuviel davon. Bemerkenswert ist auch, dass der Film insgesamt mit sehr wenig Action auskommt. Es gibt eine Schlägerei und die Spazierfahrt durch Rom, und das war es auch schon. Anspruchsvolle Krimis brauchen halt nicht mehr Action um gut zu sein …

 

Auf der Habenseite finden sich herausragende Schauspieler, stimmungsvolle Bilder des weihnachtlichen Roms, grandiose Vorschläge für Wohnungseinrichtungen die “Schöner Wohnen“ aus unerfindlichen Gründen verschweigt, und der Film beginnt (und endet in der alternativen Version) mit James Browns “ It’s a man’s man’s man’s world“ und sorgt damit für ordentlich Gänsehaut. Dazu kommen viele kleine Schmankerl der Kamera – ob nun Franco Nero durch ein sich bewegendes Mobilé aus Dreiecken gezeigt wird das illustriert wie sich um ihn alles dreht, ob er vor einer Wand fotografierter Augen steht und verzweifelt versucht die Wahrheit zu erkennen, oder ob der Mörder direkt nach der zuschauerseitigen Entlarvung geradezu Hitchcock-like durch ein Gitter hindurch gefilmt wird, solche Momente machen viel aus und sorgen für wohlige Schauer, wenn man nur genügend aufpasst. Und dann wären da noch die immer wiederkehrenden Puppen und Spiegel …

 

Darum noch mal: DIE KLETTE ist beileibe kein schlechter Film, und es ist hochinteressant zu sehen wie das spätere Genre des Poliziottescho hier seine Anfänge nimmt. Aber er ist verdammt komplex und benötigt unter Umständen mehrere Sichtungen bis er seine ganze Pracht entfalten kann. Wer sich darauf einlässt, der wird mit einem Film belohnt wie es ihn nicht oft gibt, und der sich mit vielen schönen Details vor allem im optischen Bereich tief einprägen kann.

Autor

Maulwurf

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