Play Motel

Italien, 1979

Inhalt

Die reichen Geschäftsmänner Roms stehen auf Kontaktanzeigen angeblich sexhungriger und einsamer Damen. Die Schäferstündchen finden dann immer in einem bestimmten Hotel statt, heimlich wird fotografiert, und hinterher gibt es eine saftige Erpressung. So weit so gut, aber die Frau des Erpressungsopfers Cortesi meint nun unbedingt, dass sie hinter das Geheimnis des Hotels kommen muss. Mächtig böser Fehler! Dies ruft zum einen ein junges Pärchen auf den Plan, Roberto und Patricia, bei denen die Leiche von Signora Cortesi kurzfristig abgeladen wurde, und zum anderen die Polizei in Form von Kommissar de Sanctis. Der allerdings hat seinerseits keinen rechten Plan und bittet deswegen besagtes Pärchen ihm zu helfen den Mörder zu finden. Derweil wird im Hotel munter weitergepoppt und -erpresst …

Autor

Maulwurf

Review

Aufgrund der lockerer werdenden Moral und den freizügigeren Gesetzen hatte sich in einigen europäischen Ländern in der zweiten Hälfte der 70er-Jahre die Unsitte eingeschlichen, einen an und für sich funktionierenden (B-) Film mit Hardcore-Szenen zu “würzen“. Das heißt, dass Filme mit “Nicht-simuliertem Sex“ (Sesso non simulato) aufgepeppt wurden anstatt mit softer Erotik. Immer häufiger wurden nach dem offiziellen Dreh HC-Szenen mit anderen Darstellern gedreht und diese dann in den fertigen Film integriert – die sogenannten French Versions. Die Darsteller des ursprünglichen Films wussten im Normalfall nichts davon, und die Regisseure oft ebenfalls nicht. Solche Dinge wuchsen auf dem Mist der Produzenten, die einen Film auf diese Art zweimal auswerten konnten: Zuerst die normale Version und später dann die HC-Version.

 

Zum Beispiel PLAY MOTEL: Man nehme eine etwas hanebüchene aber bewährte Geschichte um eine Sex-Erpressung, bekannte Gesichter des italienischen Kinos (Ray Lovelock, Anthony Steffen), einen angesagten Jungstar (Anna Maria Rizzoli), einen ganzen Haufen Erotik und gut ist. Nach Drehschluss wird in den gleichen Kulissen Hardcore gedreht und alle sind glücklich. Wirklich alle? Nein, denn angeblich haben Ray Lovelock, Anna Maria Rizzoli und sogar der Regisseur Mario Garriazo während der Dreharbeiten von dieser Praxis erfahren und haben den Set verlassen, zumindest erzählt Signora Rizzoli es so. Der Film wurde dann halt “irgendwie“ fertiggestellt. Antonella Antinori, die Darstellerin der Anna, allerdings berichtet, dass sie erst Jahre später davon erfuhr, Gariazzo damit konfrontiert hat, und der überhaupt nichts wusste.

 

Sei es wie es ist, die Version von Frau Rizzoli würde zumindest erklären warum der Film auf Sparflamme köchelt: Weil nämlich der Regisseur bei der Nachproduktion gar nicht mehr an Bord war. Und es würde auch erklären, warum die Hauptfiguren Roberto und Patrizia gefühlt relativ wenig Screentime haben – weil die Schauspieler eben auch nicht mehr verfügbar waren. Und das End vom Lied ist, dass bei PLAY MOTEL einiges nicht so recht zusammenpassen mag. Ein Puzzle aus zwei Teilen die irgendwie kein ganzes Bild ergeben wollen.

 

In der Unterhaltung mit Filmfans wird PLAY MOTEL oft als Giallo bezeichnet. Allerdings ist das Puzzleteil namens Giallo mit drei (unblutigen) Morden sehr klein, und rechtfertigt die Bezeichnung als Giallo nur wenn man sich der italienischen Definition anschließt, nach der Giallo gleich Krimi ist. Nach mitteleuropäischer Definition hingegen ist dem vehement zu widersprechen: Giallo im Sinne von Schlitzer-meuchelt-nackte-Damen geht anders! Das hier ist dann, wie gesagt in Abgrenzung zur häufigsten Giallo-Definition, eher ein “normaler“ Krimi, wie er in jeder Fernsehserie auch hätte laufen können.

 

Krimi also, im Sinne von zum Beispiel EIN FALL FÜR ZWEI. In diesem Fall ist das Puzzlestück dann entsprechend größer, weil die Erpressungsgeschichte ganz einfach den Hauptanteil an der Story hat. Dumm nur, dass die Anzahl der handelnden Personen so gering ist, dass da kein wirklicher Überraschungseffekt existiert wer denn nun erpresst und wer mordet. Was dann logischerweise zu Lasten der Spannung geht. Auch das Showdown gehört eher in den Bereich “klassisch“, wenn alle beteiligten Charaktere in einem Raum stehen und einer die Geschichte mit Worten aufdröselt. Das war bei Raymond Chandler und Agatha Christie noch in Ordnung, aber auch die Krimiwelt hat sich mittlerweile hat weitergedreht, und ich bin sicher nicht der einzige, der eher action- und bleihaltige Auflösungen bevorzugt. Die klassische Variante ist freilich in Ordnung, passt aber nicht wirklich zu einem mit nackten Tatsachen nicht geizendem Spät-70er-Pseudo-Schmuddler.

 

Stichwort Nackte Tatsachen: Da ist ja dann noch das Puzzleteil mit der Aufschrift “Erotik“. Dieses allerdings ist tatsächlich sehr groß, standen doch mit Marina Frajese (als Marina Hedman) und Patrizia Webley zwei vollbusige, Verzeihung ich meine natürlich vollblütige, Darstellerinnen zur Verfügung, die damals mit zur Speerspitze des italienischen Sexgeschäfts gehörten. Dementsprechend gibt es einiges an Gerammel zu sehen, und das ist oft gar nicht mal so unerotisch. Die Szene mit Frau Webley und ihrer goldenen Halskette in Form einer Schlange, bei welcher der Zuschauer verschiedene gynäkologische Details kennenlernen darf, hat definitiv enormen Unterhaltungswert, genauso wie die Fotosession mit Anna Maria Rizzoli und Antonella Antinoris Champagnerdusche. Dazu kommen hübsche Kleinigkeiten wie etwa die Kardinalsmütze auf der Unschuld von Patrizia Webley (was für ein Wortspiel!!), und insgesamt ist dieser Part wirklich recht stimmig. In der SC-Version, wohlgemerkt, wobei die HC-Fassung höchstens drei Minuten länger ist und ein paar pikante Details mehr bietet, die aber nicht als wirklich störend empfunden werden. Da hab ich schon schlimmeres (Sprich: Nervigeres) gesehen. Dass das ganze ein klein wenig sleazig rüberkommt dürfte möglicherweise an dem etwas matschigen Bild der gesehenen DVD liegen, denn die dargestellten Aktionen haben mit Schmier eigentlich nichts zu tun sondern sind durchgehend recht ansprechend umgesetzt. Gerade die Szene mit Patricia Webley und Marino Masé ist filmisch sehr stark, wie überhaupt die Kameraführung das ein oder andere Schmuckstückchen bieten kann.

 

So, und nun wollen wir das 2-teilige Puzzle mal zusammensetzen: Ein etwas schwachbrüstiger Krimi und nett anzusehende Erotik. Was gibt das in Summe? Ääh, …

 

Zu schwer? OK, also noch ein paar weitere Hinweise: Ray Lovelock und Anna Maria Rizzoli sind beide ganz nett anzuschauen und geben sich auch wirklich Mühe, da kann man nicht meckern. Signora Rizzoli ist sehr erotisch eingefangen worden und zeigt sich von ihrer allerschönsten und sehenswertesten Seite. Anthony Steffen als Kommissar de Sanctis schaut müde aus. Alt und müde. Na ja, in dieser Zeit seiner Karriere wurden die Rollenangebote langsam immer unaufregender, da altert man schon etwas flotter. Er hat auch nicht wirklich spannende Szenen, im Wesentlichen sitzt er an seinem Schreibtisch und schaut müde. Oder er sitzt im Auto und schaut müde …

 

Die böse Seite der Macht kommt da schon erheblich kraftvoller rüber: Vor allem Mario Cutini als Fotograf Willy hat die Bosheit gepachtet. Ein Blick in seine Augen und man weiß dass hier das Böse in Reinkultur unterwegs ist. Dem steht Enzo Fisichella als Geschäftsmann Cortesi kaum nach, nur dass er seine Gemeinheit eiskalt verpackt. Gefühlsregungen? Nur wenn Marina Hedman sich auszieht, aber sonst absolute Fehlanzeige.

 

Bei den Damen fällt Patrizia Behn als Signora Cortesi auf, die eine wirklich starke Ausstrahlung hat, und von der ich gerne mehr gesehen hätte. Vollkommen unverständlich warum ihre Filmographie gerade mal drei Filme umfasst (außer PLAY MOTEL gibt es da noch den Erotikthriller LA GEMELLA EROTICA von Alberto Cavallone und Fernando di Leos Terror-Kracher VACANZE PER UN MASSACRO). Auch Antonella Antinori hat keine sonderlich umfangreiche Filmographie anzubieten, und von sieben Filmen sind in der OFDB immerhin zwei mit dem Zusatz HC versehen, was zwar hübsch anzuschauen sein mag, aber insgesamt wirklich schade ist.

 

Und sonst? Die Settings sind gediegen und haben einige wirklich schöne Momente. Das Spielzimmer ist in rot gehalten und ausgesprochen stylisch, und auch das Wohnzimmer des Oberschurken macht nett was her. Die Musik von Ubaldo Continiello geht, mal abgesehen vom Titeltrack, in Ordnung und untermalt das Geschehen durchaus wohlwollend. Besagter Titeltrack dürfte Fans von Glen Campbell oder Jackson Browne ansprechen, alle anderen werden bei der soundsovielten Wiederholung wahrscheinlich eher in die Küche oder aufs Klo gehen. Und die Kamera ist, wie bereits erwähnt, deutlich gehobenerer Anspruch, zumindest für das Jahr 1979.

 

Das Bild, das sich dann schlussendlich zusammensetzt, erinnert in der Umsetzung irgendwie an Mario Bianchis ein Jahr früher entstandenen Heuler PROVINZ OHNE GESETZ: Unaufregend, belanglos, mit ein paar hübschen Glanzlichtern, und insgesamt irgendwo zwischen der zweiten und der dritten Reihe angesiedelt. Und wenn das, was von einem Film am nachhaltigsten in Erinnerung bleibt, Patricia Webley ist, dann sollte klar sein wohin die Reise geht ...

Autor

Maulwurf

Veröffentlichungen

Gesehen wurde die DVD von Raro USA. Technisch leider nicht die Top-Veröffentlichung, da das Bild oft etwas matschig wirkt und so den Gesamteindruck doch ein wenig schmälert. Dafür ist der in englisch sowie italienisch mit englischen Untertiteln vorliegende Ton gut. Die Extras aber reißen es heraus: Da der Film als SC-Fassung vorliegt, gibt es die HC-Szenen als 7-minütiges Extra. (Dass ich weiter oben von etwa 3 Minuten geschrieben habe hat den Grund, dass in diesen 7 Minuten auch die Rahmenhandlungen mit einfließen!) Weiter ein 8-seitiges Booklet mit vielen Informationen zur Praxis der French Versions im Allgemeinen und dem Zustandekommen dieses Films im Besonderen, sowie auf der DVD ein 18-minütiges Feature, das PLAY MOTEL und den Werdegang des Regisseurs Mario Gariazzo näher beleuchtet. Zur Sprache kommen unter anderem der italienische Filmkritiker Davide Pulici, der Produzent Armando Novelli und Hauptdarsteller Ray Lovelock. Zusammen mit dem Booklet eine wirklich informative und spannende Abrundung des Films. Wer sich die VÖ gönnen möchte soll aber gewarnt sein: Im DVD-Feature wird Fernando di Leos Film VACANZE PER UN MASSACRO gnadenlos gespoilert!

Autor

Maulwurf

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