Das Schiff der verlorenen Frauen

Italien, 1953

Originaltitel:

La nave delle donne maledette

Alternativtitel:

A Nave das Mulheres Malditas (BRA)

Mercado de mujeres (ESP)

Le navire des filles perdues (FRA)

La nave de las mujeres malditas (MEX)

A Nau das Mulheres Perdidas (POR)

The Ship of Condemned Women (USA)

The Ship of Damned Women

Deutsche Erstaufführung:

17. November 1954

Kamera:

Aldo Tonti

Musik:

Nino Rota

Inhalt

Isabella (Tania Weber) wird von ihrem verschuldeten Vater mit dem reichen aber nicht mehr ganz so jungen Kaufmann Manuel de Haviland (Romolo Costa) verheiratet, der über Besitzungen in den nordamerikanischen Kolonien verfügt. Auf der Hochzeit spotten die Gäste sogar, dass sie sicher nur ein paar Jahre mit ihrem Bräutigam aushalten müsse, und tatsächlich scheint dieser an einer Herzschwäche zu leiden.

 

Ein ungeladener Gast erscheint auf dieser Hochzeit. Ein britischer (nur in der dt. Fassung ein Engländer) Polizeicaptain konfrontiert Isabella und ihre Familie mit der Anschuldigung, Isabella habe in ihrer Vergangenheit bereits ein Kind geboren und dieses tot in einen Brunnenschacht geworfen. Ein Bediensteter hätte die Tat damals beobachtet, hat jedoch die Täterin nicht genau erkannt. Doch als Isabella in Ohnmacht fällt, ist der Polizist von ihrer Schuld überzeugt.

 

Die übrigen Hochzeitsgäste und Isabellas Bräutigam haben von all dem nichts mitbekommen, und so ersinnt Isabellas Mutter einen Plan, um alles zu vertuschen. Isabellas Cousine Consuelo (May Britt), die seit dem Tod ihrer Eltern unter demselben Dach wohnt, soll die Tat auf sich nehmen, um so ihre Dankbarkeit zu zeigen, dass man sie einst so gütig bei sich aufnahm. Man verspricht ihr, sie bekäme nur eine geringe Strafe, da man ihr einen guten Anwalt besorgen und sich für sie einsetzen würde.

 

Und so wird anstelle Isabellas Consuelo vor Gericht gestellt und von dem noch unerfahrenen aber bereits vom Gerichtssystem enttäuschten Anwalt Da Silva (Ettore Manni) vertreten – und schuldig gesprochen, verurteilt zu 15 Jahren Zwangsarbeit in den Kolonien. Da Silva ist dagegen von ihrer Unschuld überzeugt und obendrein in Consuelo verliebt.

 

Isabellas Mann dagegen erreicht eine Nachricht von Problemen auf seinen Besitztümern und begibt sich mit seiner frisch angetrauten Ehefrau auf die Schiffsreise dorthin. Auf demselben Schiff befindet sich ein Transport mit verurteilten, kriminellen Frauen, unter ihnen Consuelo. Die wird in der Zelle unter Deck von den anderen Frauen wegen ihrer offensichtlichen Schwäche angefeindet, doch die resolute Schönheit Rosario (Kerima) nimmt sie unter ihre Fittiche.

 

Consuelo erweist sich als krank und der Anwalt Da Silva – der sich Consuelos wegen als Blinder Passagier an Bord geschlichen hat – belauscht im Krankenzimmer ein Gespräch zwischen ihr und ihrer Schwester. Nun hat er Gewissheit, dass in Wahrheit Isabella die Schuldige ist. Isabella hat sich jedoch indessen an den Schiffskapitän Fernandez (Luigi Tosi) rangeschmissen, und der erweist sich als nicht bereit, dem Anwalt Glauben zu schenken. Gegen das Versprechen einer Liebesnacht mit Isabella lässt der Kapitän den Blinden Passagier auf dem Oberdeck öffentlich auspeitschen, und Isabella – auf den Geschmack gekommen – verlangt auch die Auspeitschung Consuelos.

 

Dies erregt den Groll ihrer Beschützerin Rosario, die zusammen mit den anderen Frauen einen Befreiungsversuch unternimmt, bei dem es den Frauen gelingt, die Schiffsmannschaft mit sündigen Verlockungen auf ihre Seite zu ziehen. Es kommt zu einem Bacchanal.

Review

„Jetzt sind wir alle verloren, jetzt haben die Frauen das Kommando!“

 

Regisseur Raffaello Matarazzo, zu Beginn seiner Filmkarriere in den Dreißiger Jahren (also noch unter Mussolini) wenig erfolgreich, entdeckte Ende der Vierziger Jahre das Melodram für sich. Von 1949 mit „Sühne ohne Sünde“ bis zu seinem letzten Film im Jahre 1964 „Amore Mio“ haben 37 Millionen Menschen seine Filme gesehen, teilte er einst in einem Brief an eine Zeitung mit, als Antwort auf den Artikel eines Kritikers, der die Frage aufwarf, warum Matarazzo keine Aufträge mehr bekäme. Nur zwei Jahre später – 1966 – starb Matarazzo in Rom, das Opfer seines Klischees als Melodramatiker geworden. Fairerweise sollte man erwähnen, dass seine letzten, in den Sechzigern gedrehten Filme, auch nur wenig erfolgreich und kaum noch zeitgemäß waren. Der Sprung in eine neue, modernere Filmwelt war ihm einfach nicht gelungen.

 

Zusammen mit seinem Stammautor Aldo De Benedetti und Ennio de Concini (im Vorspann als Autor ebenso unerwähnt wie Matarazzo selbst) verfasste er das Drehbuch zu „Schiff der verlorenen Frauen“, der etwas aus seiner Filmographie hervorsticht. Warum? Alles beginnt, wie in so manch anderem Matarazzo-Melodram, Verbrechen, Verstrickungen, Liebe, Tragik – doch dann bricht das nackte Chaos aus, am Ende ertränkt in religiösem Pathos. Na gut, Letzteres hat er öfter gemacht, das mit dem Pathos.

 

Wütende Frauen, die harte Seemänner mit wiegenden Hüften und wogendem Busen zur Teilnahme an ihrer Meuterei bewegen, es wird geschrien, es wird ausgepeitscht, dazwischen revolutionäre Ausrufe, das alles hat Matarazzo heftige Zensurprobleme beschert. Offiziell gab es in Italien 1953 (noch) keine Filmzensur, doch die Kinobesitzer nahmen in Eigenregie und in Zusammenarbeit mit den örtlichen Kirchenvertretern so manche Schnitte vor. Auch die deutsche Kinofassung musste Federn lassen, und wie es scheint, hat „Filmjuwelen“ auch nur diese auf ihre DVD gepackt. In jedem Fall ist die Filmjuwelen-DVD kürzer als die italienische DVD, welche wiederum kürzer ist als die italienische Original-Kinofassung.

 

Aber – Raffaello Matarazzo ist ein Regisseur, den die Filmgeschichte jahrzehntelang weitgehend vergessen hatte. Die noch auffindbaren Filmkopien sind meist in bedauernswertem Zustand, nicht wenige seiner ca. 41 Regiearbeiten gelten gar als verschollen. Somit ist die deutsche Farbkopie durchaus vertretbar.

 

Die Besetzung ist nicht uninteressant, da ziemlich international. Neben dem Italiener Ettore Manni findet man in Hauptrollen die in Algerien geborene Kerima, die ihr Filmdebut in Carol Reeds „Die Verdammte der Inseln“ gab. Außerdem war sie zum Beispiel in Howard Hawks „Land der Pharaonen“ und Alberto Lattudas „Die Wölfin von Kalabrien“ zu sehen, in Letzterem ebenfalls gemeinsam mit Ettore Manni und May Britt, die in „Schiff der verlorenen Frauen“ die Consuelo spielt. May Britt stammt ursprünglich aus Schweden und gilt als Carlo Ponti-Entdeckung. Die vorübergehend sehr erfolgreiche Kino-Karriere von May Britt fand 1960 ein abruptes Ende als sie Sammy Davis jr. heiratete, zu einer Zeit, wo in 31 US-Bundesstaaten die sogenannte „Mischehe“ noch gesetzwidrig war. Die Darstellerin der Isabella – Tania Weber – stammt ursprünglich aus Finnland. Ihre Filmkarriere währte nur zwei Jahre, da sie offenbar große Probleme mit der Aussprache hatte und zwingend gedubbt werden musste. Tania Weber und May Britt waren im selben Jahr ebenfalls in Mario Monicellis & Stenos „Untreue“ zu sehen, gemeinsam mit Gina Lollobrigida, Irene Papas und Marina Vlady.

 

Zum Thema May Britt sei noch erwähnt, dass das englischsprachige wikipedia in Zusammenhang mit ihrer Heirat mit Sammy Davis jr. zwar eine gewisse Kontroverse andeutet, aber weitgehend behauptet, sie habe sich vom Filmgeschäft zurückgezogen, um sich um die gemeinsame Tochter zu kümmern. Das Gleiche auf imdb. Man findet keine Erwähnung, dass ein bereits existierender Vertrag für Norman Taurogs „G.I. Blues“ an der Seite von Elvis Presley aufgekündigt wurde. Und im selben Jahr als sie sich von Sammy Davis jr. scheiden ließ, begann dann ihre TV-Karriere. Zufall? Einen letzten Kinoauftritt hatte sie in Herb Freeds Slasher „Haunts“ (1977) an der Seite von Cameron Mitchell und Aldo Ray.

 

Noch mal Ettore Manni: bekannt geworden durch seine Rollen in historischen Abenteuerfilmen, besetzt wegen seines guten Aussehens. Später gelang ihm der Wechsel in den Italo-Western und den Poliziotteschi, weitgehend aber in (wichtigen) Nebenrollen, so z. B. in Maurizio Lucidis „Abrechnung in San Francisco“ (1976), Franco Prosperis „Tote pflastern seinen Weg“ (1976) oder Lucio Fulcis „Silbersattel“ (1978). Auch für ein paar frühere Western-Auftritte bei Demofilo Fidani war er sich nicht zu fein. Nach dem frühen Tod seiner Ehefrau Krista Nell, die 1975 im Alter von nur 29 Jahren an Brustkrebs starb, litt Ettore Manni jedoch an Depressionen. Während der Dreharbeiten zu Federico Fellinis „Stadt der Frauen“ traf ihn in der Requisite ein Schuss in die Leistengegend und er verblutete. Ob Unfall oder Selbstmord konnte nie eindeutig geklärt werden, Manni hatte selbst geschossen und galt als im Umgang mit Waffen geübt.

 

Wo war ich stehen geblieben? Ach ja, fertig.

Links

OFDb

IMDb

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