Le paria

Frankreich | Spanien, 1969

Originaltitel:

Le paria

Alternativtitel:

O Pária (BRA)

Jaque mate (ESP)

Diamond Rush (GBR)

L'ultimo colpo (ITA)

Regisseur:

Claude Carliez

Inhalt

Manuel Thomas (Jean Marais), der seine Frau und sein Kind bei einem tragischen Unfall verlor, verübt mit seinen Leuten einen Überfall auf den Express Rotterdam-Madrid, doch er wird von seinen eigenen Komplizen betrogen. Verwundet und auf der Flucht vor einer Gangsterbande sowie der Polizei, sucht er in den Bergen ein sicheres Versteck und kommt bei Lucia (Marie-José Nut) und ihrem Sohn José (Eric Donat) unter. Doch Manu kann sich auch hier nicht in Sicherheit wiegen, denn seine Verfolger, die auf die erbeuteten Diamanten in Millionenhöhe spekulieren, wollen ihn um jeden Preis aufspüren. In der vorläufigen Abgeschiedenheit überdenkt Manu sein bisheriges Leben, doch die Gespenster der Vergangenheit sind kurz davor, ihn wieder einzuholen...

Autor

Prisma

Review

Der Franzose Claude Carliez inszenierte mit "Le Paria" seinen einzigen Spielfilm und anhand des Ergebnisses lässt sich zunächst einmal ein spürbares Fingerspitzengefühl bescheinigen, das sich in diesem subtilen Thriller offenbart. Hauptsächlich als Stuntman und Schauspieler in Erscheinung getreten, hat er Ausflüge von "Tatort" bis "James Bond" vorzuweisen und die Stärken des Films zeigen sich tatsächlich in der Koordination und Führung seiner Darsteller, die sich hier prominent die Klinke in die Hand geben. Der Film beginnt mit dem Überfall auf den Express Rotterdam-Madrid, der in spektakulären Bildern eingefangen ist. Ungewöhnlich erscheint, dass der Verlauf in den ersten zehn Minuten ohne ein einziges gesprochenes Wort auszukommen hat, was die Intensität der Bilder nur hervorhebt. Die Geschwindigkeit des Zuges sorgt mit halsbrecherischen Manövern für eine solide Spannung und ein gutes Tempo, hinzu kommen viele subjektive Einstellungen, gefilmt mit einer Handkamera, bis sich schließlich herausstellt, dass dieser Coup zu einer einzigen Komplikation entwickelt. Nicht etwa, weil nicht alles minutiös durchgeplant gewesen wäre, sondern weil die Hauptfigur Manu von seinen eigenen Komplizen geprellt wird. Die frühe Hektik fördert die Aufmerksamkeit für die eigentlich herkömmlich klingende Geschichte und der aufkommende Kugelhagel wirkt wie ein böser Vorbote für den weiteren Verlauf. Der Überfall wird beendet, indem Leben beendet werden, der Verrat zwingt den Protagonisten dazu, schnell umzudisponieren und die Polizeisirenen aus der Ferne, die langsam aber zielstrebig immer näher kommen, bilden das straffe Zeitdiktat, das der Film im weiteren Verlauf leider zu oft einbüßen wird. Im Rahmen einer regelrechten Treibjagd kommt es zur ersten faustdicken Überraschung, da ein Junge auftaucht, der Manu beobachtet hat und sich überraschenderweise als potentieller Komplize anbietet.

 

Gründe für diese ungewöhnliche Wendung werden schnell auf einem Silbertablett geliefert, denn José wächst ohne Vater auf und ergreift die Chance, das beschwerliche Leben in der Einöde der Berge mit etwas Abenteuer zu versehen. Viel wichtiger ist allerdings, dass die Geschichte in späteren Phasen eben durch das Bauchgefühl und die Achtsamkeit dieses Jungen beeinflusst, wenn nicht sogar gelenkt wird. Was wäre ein derartiger Film ohne ein für Aufsehen erregendes Personen-Karussell, das vom Aufbau her dem Prinzip eines russischen Roulettes gleicht. Misstrauen zieht sich wie ein roter Faden durch die Geschichte, die sich im Mittelteil fast ausschließlich mit dem sorgsamen Durchleuchten der Personen beschäftigt, allerdings zu Ungunsten einer verstärkt temporeichen Abhandlung. Hauptperson und gleichzeitig Motor dieser Angelegenheit stellt Jean Marais dar, der ab den 70er-Jahren nur noch sporadisch in Kino und TV zu sehen war. Prädestiniert für die Rolle des Mannes mit Vergangenheit, den eine gute Portion Geheimnis und Unberechenbarkeit umgibt, setzt er diese Gabe auch hier sehr effektiv ein. Manu verliert nicht viele Worte und lässt sein Gegenüber stets wissen, was er von ihm hält, jedoch lässt er nicht in sich hineinblicken. Umgeben von schönen Frauen der Gegenwart und Vergangenheit, etabliert sich zwischen aller Brisanz und etlichen Spannungen eine romantische Nebenhandlung, die der Geschichte zusätzlich eine angenehme Würze gibt, vor allem weil die passenden Damen hierbei Marie-José Nat und Nieves Navarro heißen. Die zwei Frauen fallen durch Kontraste auf und könnten dabei kaum unterschiedlicher sein, sodass ein klassisches Tauziehen um das Objekt der Begierde entstehen kann. Insbesondere die Spanierin Navarro kann deutlichere Akzente als mondäne Verführung setzen, bei der man als Zuschauer ohnehin in Betracht zieht, dass sie ein doppeltes Spiel treiben könnte.

 

Für besondere Momente kann wie üblich Horst Frank sorgen, der hier regelrecht durch den Film flaniert und etliche Facetten zeigt, je nach Situation sogar die unterschiedlichsten Gesichter, beziehungsweise Verhaltensweisen. Auf der Seite der Bösewichte vom Silbertablett ist der stets kompetente Moisés Augusto Rocha zu sehen, der ein Begriff aus so manchem Jess-Franco-Reißer sein dürfte. Eine besonderes gute Leistung in Sachen Ausstrahlung und Schlüsselfunktion bekommt man von Eric Donat geboten, der eine Verwandlung vom stillen Beobachter zum sympathischen Helfershelfer hinlegt. Da es sich um ein Kind handelt, kann er sich unbehelligt zwischen den Gangstern bewegen, die Manu jagen, und teilweise kommt es zu irritierenden Eindrücken, da sich der Junge förmlich anbiedert und den unfreiwilligen Gast im Hause seiner Mutter beinahe glorifiziert. Insgesamt gesehen, lebt "Le Paria" im großen Maße von seinen Interpreten, aber vor allem von der überaus hochwertigen Inszenierung. Technisch über dem Durchschnitt liegend, ist es immer wieder ein Genuss, die edlen Eindrücke zu sammeln. Herrliche Schauplätze, Action, Spektakel und eine eigenartige Ruhe, die völlig konträr zum behandelten Thema steht, von dem man eigentlich Hysterie, Nervosität und grenzenlose Aggression erwarten würde, führen mit vielen Details und anderen wichtigen Zutaten zu einem überzeugenden Gesamtergebnis. Im Finale dreht die Regie erwartungsgemäß noch einmal richtig auf und das Szenario ist angereichert mit einem Gewitter aus Kugelhagel und tödlichen Treffern, sowie Dramatik und schicksalhaften Ereignissen. Es wirkt schlussendlich so, als sei der Mittelteil bewusst ruhig und ausladend aufgezogen worden, um zum Ende hin die gebündelte Spannung präsentieren zu können. "Le Paria" wirkt als Einheit sehr beachtenswert und präsentiert sich ganz in der Tradition, vor allem französischer Edel-Polizei-und Gangsterfilme. Sehr unterhaltsam!

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Prisma

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