Copkiller

Italien, 1983

Originaltitel:

Copkiller - L'assassino dei poliziotti

Alternativtitel:

À couteau tiré (FRA)

Corrupt (GBR)

Order of Death (USA)

Corrupt Lieutenant

Deutsche Erstaufführung:

10. Juni 1983

Regisseur:

Roberto Faenza

Inhalt

Der Mann hat einen eigenartigen Lebensstil: Unter dem Namen Paul Stevens besitzt er eine Wohnung in der Nähe des Central Parks. Als Fred O‘Connor hat er ein Appartement in Brooklyn gemietet. Und von Beruf ist er Cop im Drogendezernat. Der Gedanke taucht auf, dass Fred der Cop Killer sein könnte, der als Polizist verkleidet Cops überfällt und sie ermordet. Aber möglicherweise er ist es auch nicht, denn eines Tages steht ein junger Mann vor seiner Tür, der sich Fred nennt, und der ebenfalls der Cop Killer sein könnte. Fred 2 ist sehr exaltiert, und es stellt sich schnell heraus, dass er selbst bei Gewaltanwendung nicht immer die Wahrheit sagt. Dass er in Wirklichkeit Leo Smith heißt, ein reicher Erbe ist der gerade vermisst wird, und nach dem eine Fahndung läuft. Klar wird er vermisst, denn er liegt ja gefesselt in Freds Badewanne. Einer von den beiden dürfte der Cop Killer sein – Fred? Oder Fred?

Autor

Maulwurf

Review

Prinzipiell ist COP KILLER erstmal ein Psychothriller, der das Machtspiel zweier Männer zeigt. Und das wesentliche Element des Films ist der Einsatz von Licht und Schatten – Das Ergebnis allerdings auch …

 

Fred O’Connor lebt im Licht, seine Wohnung und sein Name sind bekannt. Aber als Paul lebt er im Schatten. Er teilt sich eine Wohnung mit seinem Kollegen Bob. Bob möchte die Wohnung verkaufen, aber Paul weigert sich. Er will seine Zuflucht nicht verlieren. Sein persönliches Reich. Wo er Riten frönt und so sein kann wie er will. Keine Fassade, keine Schauspielerei. Nur er selbst, im Bademantel mit einer Zigarre und einem Whisky positiver Musik lauschend. Kein Schmutz, kein Firlefanz. Nur nüchternes Wohlbefinden, fernab jeder dreckigen Realität …

 

Licht und Schatten. Leo Smith steht als Erbe eines großen Vermögens  im Rampenlicht, und wenn er sich für ein paar Tage verabschieden will wird er sofort vermisst und nach ihm gefahndet. Als Fred lebt er im Schatten. Er beobachtet Fred/Paul nach eigener Aussage seit 6 Monaten - offensichtlich ist Fred der wahre Leo.  Derjenige mit den Obsessionen die er ausleben will. Auch wenn er zum Ende hin meint, dass er genug hat und wieder zurück will in sein wahres Leben, so zeigt der Blick doch etwas anderes. Das Funkeln in den gefährlichen Augen, der Blick eines … Psychopathen? Eines Polizistenmörders? Oder vielleicht auch nur der eines obsessiven Menschen, der sich in den Schatten wohl fühlt?

 

Licht und Schatten. Die Wohnung, in der Fred/Paul (fortan Fred genannt) und Leo/Fred (ab jetzt Leo genannt) aufeinandertreffen, ist kahl. Es hat wenige Einrichtungsgegenstände: Ein Sofa, eine Stereoanlage, ein Kühlschrank. Lichtinseln erhellen Ecken der großen und geräumigen Wohnung, aber vieles bleibt im Zwielicht oder gleich im Dunklen. Im Schatten. Auch das Duell zwischen den beiden, das in diesen Räumen stattfindet, ist ein Duell zwischen Licht und Schatten. Fred hält den gefesselten Leo im weißen Badezimmer gefangen. Alles ist voller Licht, es ist grell, und Leo kann nicht in die Dunkelheit, und damit in sein Element, in sein eigenes Reich der Schatten, entkommen. Später, wenn Leo bei Fred wohnt, dann ist es dämmerig. Leo sitzt im Dunklen in der Küche und liest Zeitung, während Fred sehr bestimmt dem Abgrund entgegen taumelt. In die Schatten geht. Leo sitzt im dunklen Wohnzimmer und spielt ein Videospiel, bei dem er beweist wie zielsicher er Dinge treffen und sie zerstören kann. Ein Spiel, welches er nicht nur am Fernseher, sondern auch in der Psychologie vortrefflich beherrscht, denn er ist es, der Fred mit traumwandlerischer Sicherheit in die Hölle schickt. Und spätestens das Showdown findet im Schwarzen statt. In einem großen und leeren Raum, in dem nur die Dunkelheit greifbar ist, während außenrum die Zeit stehenzubleiben scheint.

 

Der Gegenentwurf zu Freds dunklem Reich ist Lenores Wohnung. Zwar chaotisch, aber gemütlich. Und vor allem hell. Es gibt keine Möglichkeiten sich zu verstecken und ein falsches Spiel zu spielen, was Lenore, die Freundin von Bob, aber auch gar nicht braucht. Sie ist die bürgerliche Kehrseite zum undergroundigen Fred, weswegen dieser sich in Lenores Wohnung auch sichtlich unwohl fühlt. Er sitzt bei ihr auf dem Sofa, trinkt seinen Whisky, und unbehaglicht vor sich hin. Ihm fehlt die Rückzugsmöglichkeit seines Appartements, die Schatten in denen er sich verkriechen kann.

 

Ich glaube, Fred wäre gerne unsichtbar. In Leo hat er seinen Gegenentwurf gefunden. Das Gegenstück, das ihn erst komplettiert. So wie Raman in dem indischen  Alptraum-Thriller PSYCHO RAMAN sein Gegenstück in Raghavan gefunden hat. Er sich erst dann komplett fühlt, wenn er sein eigenes verkommenes Leben dem anderen übergestülpt und beide Teile zu einem Ganzen verschweißt hat. Leo und Fred sind wie zwei Enden des selben Stücks. Wie die zwei Klingen eines Schwertes, das rücksichtslos alles zerstört was es trifft. Und die nicht ohne einander sein können, auch wenn sie sich gegenseitig eigentlich zum Kotzen finden. Aber leben ohne den anderen, das geht einfach nicht mehr. Was auch zur Frage der homoerotischen Komponente führt. Immerhin liegt Leo nur mit Unterhose bekleidet in Freds Badewanne. Und Leo kehrt freiwillig zurück zu Fred, wenngleich er ab diesem Zeitpunkt auch als bestimmender Part der Beziehung in Erscheinung tritt. Leo verbringt den Tag im Bademantel mit Zeitung und Videospiel, während Paul, der bis dahin so stark und autark wirkte, sich dem selbstsicheren und beherrschenden Leo unterwirft und allmählich vor die Hunde geht.

 

Licht und Schatten. Als böser Psychothriller funktioniert COP KILLER schon recht gut, aber während des Ansehens habe ich mich auch öfters nach dem Sinn des Films gefragt. Vielleicht sollte man das nicht tun, bei zum Beispiel DJANGO mache ich das schließlich auch nicht. Aber es ist schon interessant, dass die Frage mehrmals hochkam, was mir selbst bei wirklich eigenartigen Filmen normalerweise nicht passiert. Trotzdem ist COP KILLER ein Erlebnis, und sei es schon nur wegen der Schauspieler. John Lydon, von Haus aus Kopf und Sänger der Band Public Image Ltd.,  hat die Augen und die Ausstrahlung eines Psychopathen, und sein Schauspiel ist manisch und eindringlich. So schade, dass der Mann diese Karriere nicht weiter verfolgt hat. Harvey Keitel als bürgerlich-nichtbürgerlicher Fred ist der perfekte Konterpart zum anarchistischen John Lydon. Seine ganze Erscheinung spiegelt Solidität vor, soll Vertrauen erwecken, während er im Inneren das genaue Gegenteil ist - Ein Mensch voller Schatten, wohingegen der flippige Leo vor allem zu Beginn aussieht, wie ein Spät-70er-Postpunk nun mal aussieht, und sein Innenleben dabei tatsächlich so dermaßen geordnet und fokussiert auf die eine Aufgabe ist (die ich jetzt aber nicht spoilere …). Im Originalton kommt noch das Schmankerl dazu, dass der “biedere“ Fred ziemlich nuschelt, während der “abgedrehte“ Leo mit seinem deutlichen englischen Akzent sehr klar und sauber spricht. An der Sprache wird also die wahre Natur der Protagonisten deutlich …

 

Letzen Endes ist der Film hochgradig polarisierend: Bei seinem Erscheinen war es die Gewaltdarstellung, die bei Kritik und Publikum sehr zwiespältige Reaktionen auslöste, und fast 40 Jahre später ist es die eigenartige Geschichte mit den noch eigenartigeren Charakteren. COP KILLER ist auf jeden Fall ein Erlebnis, wenngleich aber ein verschlüsseltes und kompliziertes welches …

Autor

Maulwurf

Veröffentlichungen

Die bislang einzige deutschsprachige digitale Veröffentlichung ist bei einem Label namens Mr. Banker Film erscheinen. Das Bild ist letterboxed, sehr dunkel, oft etwas unscharf, und die Version läuft 101 Minuten. Was viel scheint, denn die originale deutsche Kinofassung hatte 98 Minuten an Bord. Laut der italienischen Wikipedia müssten es 117 Minuten sein, und RottenTomatoes meldet 113 Minuten. Es würde mich brennend interessieren was in dieser verschwundenen(?) Viertelstunde enthalten ist, denn die Seite von schnittbericht.com meldet dazu rein gar nichts.

 

Seit seiner Veröffentlichung 1983 ist der Film mittlerweile als Public Domain verfügbar. Allerdings scheinen die meisten der im Umlauf befindlichen Kopien Rips der VHS von Thorn EMI Screen Entertainment zu sein, die Mitte der 80er erschien. Eine offizielle Ausgabe scheint es genausowenig zu geben wie eine definitive Lauflänge. Ein paar Vermutungen auf die Kürzungen der deutschen(?) Fassung können aber gemacht werden. So prügelt Fred in der Küche zwar kurz auf Leo ein, wenn aber Leo in der nächsten Szene in der Badewanne liegt, hat er ein paar ernsthafte Blessuren im Gesicht. Da scheint wohl einiges an Gewalt zu fehlen. Plus, John Lydons Band Public Image Ltd. hat die Musik zu COPKILLER aufgenommen, inklusive eines Songs mit dem Namen The order of death, der sich auf den Titel der Buchvorlage bezieht. Laut der englischen Wikipedia taucht dieses Stück im Film auf, aber irgendwie kann ich mich da so gar nicht dran erinnern. Also habe ich mir den Luxus erlaubt, neben der deutschen Veröffentlichung noch eines der vielen US-Bootlegs zu kaufen. Eines mit der Laufzeitangabe von 113 Minuten. Ergebnis: Das Teil läuft 93 Minuten, also deutlich kürzer als selbst die deutsche Kinofassung, das Musikstück taucht ebenfalls nicht auf, und von zusätzlichen Gewaltszenen ist ebenfalls nicht zu sehen. Oder war die Szene an der Mikrowelle nicht vielleicht doch ein klein wenig länger? Sollte jemand eine Version in seinem Besitz haben, die tatsächlich 113 Minuten läuft, darf er mich über Italo-Cinema.de gerne kontaktieren. Bis dahin behaupte ich mal, dass so eine Version nicht zu existieren scheint. Vielleicht in den Schatten, sicher aber nicht im Licht …

Autor

Maulwurf

Filmplakate

Kommentare (3)

  • Frank Faltin

    Frank Faltin

    24 Februar 2020 um 12:05 |
    Danke, dass du uns an deinen Recherchen teilhaben lässt! Leider kann ich ebenfalls kein Licht ins Dunkel bringen und wäre ebenso auf das US-Bootleg reingefallen. Christian Kessler könnte evt. Genaueres wissen, da er eh fast jeden Film in der „Mondo Cane“ kennt, auf exotische Veröffentlichungen zurückgreift und zudem ein Faible für Punk besitzt. Da kommt man an Faenza und dem Rotten eh nicht vorbei.

    Ach so, die Firmierung BAD LIEUTENANT 2 ist in Sachen Knuffigkeit schwierig zu überbieten.

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  • Richie Pistilli

    Richie Pistilli

    24 Februar 2020 um 18:34 |
    Laut einigen Beiträgen auf http://www.gentedirispetto.com/forum/showthread.php?6331-Copkiller&p=322094&viewfull=1#post322094 soll die italienische TV-Fassung (Rai) eine Laufzeit von 108 Minuten aufweisen, wohingegen die Fassung auf der italienische DVD von 'Medusa' 104 Minuten lang sein soll. Auf https://www.filmarchiv.at/program/film/copkiller/ wird wiederum (versehentlich?) die deutsche Kinofassung mit einer Laufzeit von 117 Minuten angegeben, wogegen die Angabe auf https://www.filmdienst.de/film/details/22637/copkiller 107 Minuten besagt. Zu allem Überdruss scheint dann auch noch eine auf 90 Minuten heruntergekürzte (deutsche) Kinofassung zu existieren.

    Somit stehen alleine im deutschsprachigen Raum fünf verschiedene Schnittfassung zur Verfügung: Kino ( 107 Minuten und 90 Minuten) - DVD (101 Minuten) - VHS (92 Minuten) - TV (86 Minuten). Abschließend sei auch noch auf die französische Schnittfassung hingewiesen, die laut http://www.encyclocine.com/index.html?menu=72608&film=24451 eine Laufzeit von 114 Minuten aufweist.

    Was für ein unfassbares Fassungswirrwarr...

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  • Maulwurf

    Maulwurf

    25 Februar 2020 um 12:12 |
    Die Sache mit der Betitelung haben wir ja bei den TODESPARTY-Filmen schon gesehen, genauso wie beim HOUSE-Wirrwarr. Aber es ist trotzdem jedes Mal ein Erlebnis, wenn der "zweite Teil" Jahre vor dem "ersten Teil" gedreht wird ...

    Zu den Fassungen: Vielen Dank an Richie Pistilli für die zusätzlichen Fassungsinformationen! Die 98 Minuten für die deutsche Kinoversion habe ich übrigens aus einem zeitgenössischen Filmprogramm eines Programmkinos. Inzwischen vermute ich immer mehr, dass es bei den Kürzungen hauptsächlich um Handlung geht, nicht unbedingt um Gewalt: Im Nachhinein bilde ich mir ein, dass die Affäre zwischen Fred und Lenore in der gesehenen US-Fassung erheblich kürzer ist als in der deutschen. Aber hey, ich komme eh schon kaum noch zum Filmeschauen, und dann auch noch den einen Film mehrmals hintereinander in verschiedenen Fassungen vergleichen? So masochistisch bin ich dann doch nicht ...

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