Doppia coppia con regina

Italien | Spanien, 1972

Inhalt

José (Juan Luis Galiardo) verdient sich sein Geld mühsam in einer Autowerkstatt, doch der junge Mann ist nicht ohne Träume. Er bricht nach Madrid auf, doch bei einer Sportveranstaltung wird er im Rahmen einer Wette um seine letzten Ersparnisse gebracht. Sein Weg scheint hier bereits hier zu Ende zu sein, doch er wird von der Mode-Fotografin Elisa Folbert (Patrizia Adiutori) aufgelesen, die ihm den Weg in die besseren Kreise ermöglicht. Bei einer Ausstellung lernt er die wohlhabende Laura Moncada (Marisa Mell) kennen, die ihn zu sich in ihre Villa einlädt, um José ein ungewöhnliches Geschäft vorzuschlagen. Da sie aufgrund einer Klausel im Testament ihres Vaters an ihren ungeliebten Mann Pablo (Gabriele Ferzetti) gekettet ist, und nicht frei über ihr Kapital verfügen kann, fasst sie den Entschluss, ihren Gatten mit der Hilfe von José zu beseitigen, doch es kommt zu einem fatalen Irrtum...

Autor

Prisma

Review

Julio Buchs' Beitrag aus dem Jahr 1972 beginnt mit einer äußerst ansprechend animierten Grafik des Vorspanns, in dem man unter Farbenpracht interessanterweise sofort bekannte Klänge von Gianni Ferrio aus einem anderen Klassiker zu hören bekommt, nämlich aus Duccio Tessaris "Das Grauen kam aus dem Nebel", allerdings handelt es sich hier lediglich um das Instrumentalstück ohne die Begleitung der italienischen Sängerin Mina. Die Liste der Darsteller sorgt vom ersten Moment an für große Vorfreude auf diesen lange in der Versenkung verschwundenen Film, der mehrere Genres gleichzeitig mit Elementen aus Crime, Thriller oder Giallo zu bedienen versucht. Die Geschichte beginnt mit dem finanziellen Desaster eines notorischen Verlierers, das ihm aufgrund neuer Bekanntschaften allerdings ungeahnte Möglichkeiten bietet. Die Regie ebnet das Lostreten einer fatalen Kettenreaktion zu diesem frühen Zeitpunkt nicht nur präzise, sondern dem Film schwingt eine besonders nervöse Spannung mit, die der spanische Titel "Alta tensión" sehr gut auf den Punkt bringt. Die Handlung bietet fortan einige Hauptpersonen an, die negativen Protagonisten entsprechen und deren Agieren gestaltet sich daher wie ein Roulette, bei dem es unklar ist, mit wem man im Endeffekt mitfiebern wird. Die Spielkarten aus dem Vorspann zeigen König, Dame und Bube, weisen somit auf die relevante Dreier-Konstellation hin, allerdings auch auf die Unberechenbarkeit dieses bevorstehenden Poker-Spiels, bei welchem jeder einen Trumpf in der Hand hat. Unter Verwendung einer anscheinend konventionellen Kriminalgeschichte kreiert Julio Buchs eine bemerkenswerte Atmosphäre, die in "Doppia coppia con regina" zum dominierenden Element wird. Von Szene zu Szene ist es zeitweise kaum zu fassen, mit welch hochwertiger Ausstattung man verwöhnt wird, ein Luxus, von dem andere Filme nur zu träumen gewagt hätten, was sich durchaus auch auf die Besetzung übertragen lässt.

 

Es ist eine große Freude, denn in dieser Produktion sieht man eine von Marisa Mells zweifellos besten Karriere-Rollen und es dürfen Superlative in Betracht gezogen werden. Nicht nur, dass sie hier in der Blüte ihrer Schönheit steht, sie überrascht vor allem mit einer vollkommen atemberaubenden Präzisionsleistung, die vom Prinzip her vielleicht an ihre verschlagene Rolle in "Nackt über Leichen" erinnern möchte. Als Teil des überaus intelligenten Aufbaus treibt sie die Dinge immer wieder voran, doch man sollte als Zuschauer auf der Hut sein, damit man nicht Beute und Jäger miteinander verwechselt, so wie es einige Personen des Szenarios tun. Marisa Mell punktet mit Gegensätzen wie Hochmut und Anmut, Verführung und Ignoranz, Kalkül und Überforderung, Berechnung und Manipulation. Besondere Akzente werden in den Bereichen Körpersprache und Spiellaune gesetzt, zu dieser Präzision sollte in den folgenden Jahren leider nicht mehr oft kommen. Wie dem auch sei, es ist sinnvoller sich über die hier bestehenden Tatsachen zu freuen. Die Erzählstruktur sieht teilweise abgewandelte männlich-weibliche Konstellationen vor, da die Frau das Schachbrett bedient. Zwar liegt es hier fernab aller Wahrscheinlichkeit, dass Laura nicht jeden Mann um den Finger wickeln könnte, auch sieht sie sich im festen Würgegriff ihres eigenen Mannes, aber es ist ihr Kapital, das sie mit in die Ehe bringt, welches allerdings durch unbequeme Klauseln im Nachlass wie eingefroren ist. Kein Wunder also, dass jeder jeden so schnell wie möglich loswerden möchte. Marisa Mell zeichnet dieses kalte und berechnende Wesen jedenfalls mit Bravour, die Kamera interessiert sich in regelrechten Bildstrecken für ihr schönes Gesicht und das Komplettpaket. Julio Buchs setzt fast ausschließlich auf diskrete Erotik, die sich oftmals in einem Hauch von Ahnungen verliert, was den eleganten Charakter seines Beitrags nur unterstreicht.

 

Hochgradig ästhetische Szenen entstehen im intimen Zusammensein mit ihrem Partner Juan Luis Galiardo, der die Konstruktion genauso verlässlich wie seine Partnerin aus Österreich trägt. José ist sich seiner Lage bewusst, sein Fehler besteht allerdings darin, dass er mit vollen Händen nach den Sternen greifen möchte, und dass es ihm ein wenig an Vorstellungsvermögen fehlt. Es ist ziemlich interessant dem veranstalteten Wechselspiel zwischen Vor- und Nachteil zu folgen, sowohl Laura als auch ihr Mann, aber auch José sehen sich zwischenzeitlich in besseren, mal schlechteren Ausgangspositionen. Galiardo erweist sich als besonderer Verstärker in den verschiedenen Etappen der Interaktion, oftmals glaubt man seine Gemütszustände hautnah miterleben zu können. Dieser hervorragenden Leistung steht Routinier Gabriele Ferzetti in nichts nach, er arbeitet sich vom unscheinbaren Lebemann, der zahlreiche Affären unterhält und seine Frau mit Verachtung straft und Zynismus provoziert, plötzlich in den Fokus und wirkt ab einem gewissen Zeitpunkt wie der Initiator einer Hetzjagd. Klassische Sympathieträger sind in „Doppia coppia con regina“ so gut wie gar nicht vorgesehen, was letztlich aber sehr erfrischend wirkt, lediglich die umwerfende Patrizia Adiutori schlüpft in dieses Schema, möglicherweise um den Zuschauer nicht ganz alleine zu lassen. Erwähnenswert ist noch die interessante Erscheinung der Deutschen Helga Liné, die in einem ihrer obligatorischen Rollenprofile zu sehen ist, in welchem ihr wie so oft nur eine kurze Auftrittsdauer zugestanden wird. Es ist ziemlich spannend herauszufinden, auf wessen Seite man hier im Endeffekt stehen wird, denn die Regie zwingt einen förmlich, derartige Entscheidungen zu treffen. Der Clou beim Personen-Roulette entsteht letztlich aus der Tatsache, dass man hier niemandem trauen sollte, vor allem aber nicht sich selbst, denn es werden wenige Möglichkeiten ausgelassen, den Zuschauer aufs Glatteis zu führen.

 

Obwohl hier anscheinend gleich von Beginn an mit offenen Karten gespielt wird, bleibt der Verlauf bis zum Ende vollkommen ungewiss, woraus die Geschichte ihre Spannung zieht. Das vielversprechende Wechselspiel zwischen Erkenntnis und Unkenntnis wird bis zum letzten Moment hinausgezögert, sodass man auf ein spektakuläres und gut konstruiertes Finale hoffen darf, was sich auch in eindrucksvoller Manier bestätigen wird. Viele Phasen der latenten, beziehungsweise potentiellen Gefahr werden veranschaulicht, man sieht die oberflächliche Hautevolee beispielsweise bei der Jagd, man erfährt also bei dieser Gelegenheit, wer perfekt schießen kann. Auch geben diese Hinweise ein paar Rückschlüsse auf die Unerbittlichkeit einiger Personen, zumindest wenn es drauf ankommen würde. In der feudalen Villa der Moncadas befinden sich außerdem ein hauseigener Schießstand und selbstverständlich Waffen im Hülle und Fülle, was dem Empfinden nach eine Katastrophe so gut wie vorprogrammiert. Julio Buchs bringt einige sehr gut arrangierte Ideen in seiner Inszenierung unter, man sieht etwa eine beunruhigende Traumsequenz Josés, in welcher Tod und Leben für bizarre Trugbilder sorgen werden, tödliche Verwechslungen werden zum Leitmotiv, um über mehrere Windungen zum eigentlichen Punkt zurückzukommen, doch es bleibt nur schwer einzuschätzen. Der Film hat insgesamt so viel Stil und Verve, dass er alleine deswegen schon zu den inoffiziellen Top-Beiträgen dieser Machart zu zählen ist, die herrliche Bebildereung wird durch Gianni Ferrios Musikstücke veredelt, und durch das Akzeptieren oder Berücksichtigen bestehender Gesetze des zeitgenössischen Films entsteht eine vertraute Atmosphäre, die dicht ist, die Abwechslung bietet, die Überraschungen verspricht und die man so schnell nicht wieder vergessen dürfte. "Doppia coppia con regina" ist in jeder Beziehung ein außerordentlich einladender Filmgenuss geworden.

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