Einer gegen Sieben

Italien, 1962

Originaltitel:

Duello nella Sila

Alternativtitel:

Seul contre sept (FRA)

Duel of Fire (USA)

Deutsche Erstaufführung:

24. Juli 1964

Regisseur:

Umberto Lenzi

Inhalt

Sizilien 1855: Im Königreich beider Sizilien (mittels der Texttafeln als Königreich Beider vorgestellt) regiert Baron Carteri. Ein schmieriger Geselle, der mittels gut gefüllter Geldbörse jegliche Jungfrau, die in seinem Dunst- wie Machtkreis beheimat ist, konsumiert. Bei Dina Franco beißt er allerdings auf Granit, da sie sich dem verfetteten Lüstling verweigert. Die bösen Prophezeiungen, die der Baron dem Mädchen nachwirft, sollen sich jedoch alsbald bewahrheiten. Denn die Postkutsche, die Dina zu ihren Bruder transportieren sollte, wird von Briganten überfallen, Dina vergewaltigt und anschließend, wie alle weiteren Insassen, getötet. Nachdem Antonio Franco seine tote Schwester auffindet, schwört er, die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen und beschreitet fortan den blutigen Pfad der Rache.

Review

Nach „Piratenkapitän Mary“ steht nun ein im Folgejahr (1962) entstandenes Umberto Lenzi- Frühregiewerk auf der Traktandenliste. Ein Film, der in seinem Herkunftsland mit dem Titel „Duell in der Sila“ benamst wurde und in der Bundesrepublik unter dem Titel „Einer gegen Sieben“ in die Lichtspielhäuser einzog. Die Zahl Sieben besitzt einen weit ausdehnbaren Symbolcharakter. So beziffert sie beispielshalber in der griechischen Mythologie die Tore zur Unterwelt sowie in der Bibel die Anzahl der Himmelskinder, die jene legendären sieben, mit göttlichem Zorn gefüllten, Schalen über die Erde ergossen. In den Lichtspielen zogen sieben Samurai als auch sieben glorreiche Westerner gegen marodierende Banditen zu Felde und über dem Jenseits suchte John McCabe nach den sieben Toren des Schreckens. Nebst Jidai-Geki, Western wie Horror beflügelte die nahezu magische Zahl expoitative wie gialloeske Titelinnovationen und ließ Kurt Hoffmann mittels Gaylord Pentecost unabänderlich mitteilen, dass morgens um Sieben die Welt noch in Ordnung ist.

 

In Lenzis Film quantifiziert jene polyvalente Zahl sieben Banditen, die im Anschluss an einen Raubüberfall eine junge Frau vergewaltigen und ermorden. Eine Gräueltat, die vom Bruder des Opfers gesühnt werden muss. Die skizzierte Story um Vergewaltigung und Mord sowie Suche und Rache wurde unzählige Male visualisiert und fand in vielzähligen Genres und deren Subkategorien ihr zuhause. Lenzi peppt die bewährte Methode etwas auf, indem er das Sujet in das Umfeld von Briganten verlegt und einhergehend das Thema Volksheldentum zur Sprache bringt. Lenzis Mikrokosmos, das Königreich Beider (siehe Filminhalt), ist von Misanthropie durchwuchert. Machtmissbrauch und Mord stehen auf der Tagesordnung, und Baron Carteri nutzt seinen Reichtum, um sich an feschen Jungfrauen zu vergehen sowie seine Besitztümer mittels einer Kooperation mit den Briganten zu maximieren. In diesen Sündenpfuhl tritt Antonio Franco. Eine von Fernando Lamas, dessen Konterfei irgendwie an das von Pinkas Braun erinnert, verkörperte Filmfigur über deren Vergangenheit wir nichts erfahren, allerdings - auch geachtet ihrer Intransparenz - als Reflektorfigur begreifen wie auch akzeptieren.

 

„Rocco Gravina, manchmal ist es mir gar vorgekommen, als wärst du ein menschliches Wesen. Dabei bist du eine Bestie! Eine hundsgemeine Bestie!“
(Antonio Franco)

 

Das Leben im Königreich Beider ist von diversen Ängsten geprägt. Alles dreht sich ums nackte Überleben, denn die Armut ist ein emsig wirkender wie hundsmiserabler Gastgeber, der die Willkür des besser Situierten aktiviert, sodass sich dieser am Leid der Anderen bereichert, diese ausnutzt, erniedrigt und mitunter auch tötet. Der Bandit kann in einer solchen Situation schnell zu einem Volkshelden reifen. Doch im Gegensatz zu den illusteren Volkheroen wie Robin Hood, Jesse James oder John Dillinger, aus deren Taten sich eine gewisse Uneigennützigkeit ableiten lässt, wirkt Rocco Gravina als ein rücksichtloser Straßenräuber und Mörder, der keine positive Interpretation seines Egos zulässt. Die eindeutig inhumanen Taten des Briganten widerlegen die Behauptung der Journalistin Leonore Barker (gespielt von Lisa Gastoni, die zuvor als Piratenkapitän Mary im gleichnamigen Lenzi-Film aktiv war), dass Gravina in ihrer britischen Heimat als jener skizzierte Volksheld gesehen wird. Da uns die Veranlagungen des Rocco Gravina sowie seine schmutzige Allianz zur dekadenten, aristokratischen Oberschicht von Beginn an bekannt ist, konnte ich den Sachverhalt etwas näher umschreiben, ohne das ich irgendwelche für den Verlauf der Geschichte samt oder sonders bedeutsame Informationen vorwegnehme.

 

Wie bereits angesprochen, erfahren wir nichts über Francos Vergangenheit. Die Rolle des Banditen, in die er angeblich nur schlüpft, kann demnach sehr wohl ein Teil seines bisherigen Lebenslaufs sein. Ergo reflektiert Franco, sofern man von seinem nicht vorhandenen Zynismus absieht, nichts anderes als es die ihm folgenden Antihelden der italienischen Westernlichtspiele exerzieren. Die Showbühnen jener italienischen Westerner sind nachweislich mit der anvisierten Maximierung von Reichtum und der Tilgung von Rachegelüsten ausgestattet. Und sofern Sie den bisherigen Text aufmerksam gelesen haben, wissen Sie, dass Antonio Francos Handeln seine Wurzeln im zweiten Thema findet: Das Sühnen von raptiver und autoletischer Gewalt. In diesem Kontext sowie der historischen Rahmung kommt mir en passant eine uralte, sizilianische Ballade in den Sinn, die sich partiell mit „Einer gegen Sieben“ assoziieren lässt und die ich Ihnen in komprimierter Form vergegenwärtigen möchte. Es ist die Geschichte eines französischen Leibwächters, der in den Diensten eines verhassten Tyrannen stand und der eine junge Frau aus Palermo auf dem Weg zu ihrer Hochzeit vergewaltigte und anschließend ermordete. Der Bräutigam stellte den Täter, fand dabei allerdings selbst den Tod. Doch das Verbrechen verbreitete sich auf der sizilianischen Insel wie das gern zitierte Lauffeuer und der gebündelte Hass schlug sich auf die Franzosen, welche von den Sizilianern niedermetzelt wurden, wo immer sie diese (auf der Insel) auch antrafen, nieder. Der Schrei (Morte alla Francia), den der verzweifelte Bräutigam simultan zu seinem Angriff auf den Vergewaltiger und Mörder ausstieß, erfuhr eine Erweiterung, die ihn gleichermaßen zu einem blutrünstigen Schlachtruf, dessen jeweilige Initialen die wohl geläufigste Bezeichnung innert der italienischen Verbrechensgeschichte wiedergeben, kürte: Morte alla Francia Italia anela.

 

Der Unterschied zwischen Mafiosi und Brigant ist bekanntlich immens. Beide sind eindeutig kategorisiert und die einhergehende Divergenz lässt demgemäß nur eine Refflektion zu. Um dieses zu verdeutlichen, bringe ich Salvatore Giuliano ins Spiel. Salvatore war ein Brigant, der als moderner Robin Hood gefeiert wurde, er verstarb 1950 im Alter von 27 Jahren. Nach seinem Ableben wurde sein Volksheldenglanz jedoch von einem massivem Rostbefall verunstaltet, da man Salvatore Kontakte zur Mafia nachweisen konnte.

 

Innerhalb der Literatur, die bekanntlich viel Raum für individuelle Interpretationen zulässt, werden Briganten generell gern mit Rebellen- und Räuberromantik sowie einem Volksheldenstatus etikettiert. In Christian August Vulpius Roman „Der Räuberhauptmann“ ist die fiktive Hauptfigur, Rinaldo Rinaldini, nach dem Muster des realen Briganten Angelo Duca gestrickt. Der Autor verfuhr dabei in ähnlicher Manier wie Heinrich Zschokke, der den Räuber als einen tapferen und tugendhaften Helden in die Literatur einführte. Das sind allerdings Geschichten, die Lenzi bzw. seine Drehbuchautoren schmunzeln ließen. Denn gemäß „Einer gegen Sieben“ ist der Brigant ebenso skrupellos wie der Mafiosi.

 

Last but not least möchte ich die innert „Einer gegen Sieben“ als Staffage apostrophierte Liebesgeschichte zwischen der Brigantenschwester Maruzza und Antonio ansprechen. Jene Konstellation besitzt nicht die Absicht Schmalz und Kitsch heraufzubeschwören, als viel eher auf südländische Ehre und familieninterne Verhaltensregeln hinzuweisen, denn Maruzzas Bruder pocht stets auf die aufrichtigen Absichten des getarnten Rächers, sodass die Pflichten immerzu angespornt werden, um unnachgiebig über die wechselseitige Beziehung zu kreisen und den möglichen Ausbruch des Untugendhaften zu unterbinden. Was den akribischen Kreisflug etwas stört, ist der lieblose Score, der nach lapidarer Production Music Library klingt. Dabei stammen die Kompositionen aus der routinierten Feder des Gino Filippini, der mittels gut arrangierter Leitmotive die Lichtspielfregatten „Piratenkapitän Mary“ sowie „Der schwarze Brigant“ zweifelsohne auditiv aufpeppen konnte.

 

Fazit: Umberto Lenzis zwischen vermeintlichem Volksheldentum, skrupellosem Banditentum und Blutrache balancierendes Filmwerk lässt eindeutige Parallelen zum italienischen Westerkino registrieren, da der Film diverse, später gängige Ingredienzien ebenso eindeutig vorweg greift. Unter dem Strich steht ein gelungener, aber leider vergessener Film, dessen düstere Grundstimmung Parallelen zu Julio Buchs „Mountains“ wie auch Luigi Bazzonis „Mit Django kam der Tod“ dechiffrieren lässt.

Veröffentlichungen

Die deutsche VHS-Auflage von Videoprogramm München offeriert den Film in der deutsch-demokratischen Version, welche neben der DEFA-Synchronisation einen eigens erstellten Vor- und Abspann besitzt. Die bundesrepublikanische (wahrscheinlich letzte noch existierende und von einem deutlichen Rotstich gezeichnete) 35mm Kopie wurde 2017 (also 53 Jahre nach ihrem Kinoeinsatz) im Kölner Filmclub 813 aufgeführt. Währenddessen wurde festgestellt, dass diese im direkten Vergleich mit der genannten VHS-Auflage um ca. 9 Minuten gekürzt wurde und zudem ohne Abspann (der DEFA-Abspann beträgt ca. 1 Minute) oder einer Ende-Texttafel ausklingt.

Links

OFDb
IMDb

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