Die Geliebte des Vampirs

Italien, 1960

Originaltitel:

L'amante del vampiro

Alternativtitel:

La Maîtresse du vampire (FRA)

El vampiro y la bailarina (MEX)

The Vampire and the Ballerina (USA)

The Vampire's Lover (USA)

Deutsche Erstaufführung:

02. Dezember 1960

Regisseur:

Renato Polselli

Musik:

Aldo Piga

Inhalt

Bisswunden weisen darauf hin, dass die verletzt aufgefundene Magd, Brigita, das mittlerweile dritte Opfer eines Vampirs ist. In unmittelbarer Nähe des Tatorts residiert eine kleine Gruppe von Tanzschülerinnen, die von ihrem Drillmeister, Gorgio, sowie dem Professor (man nennt ihn halt so) hinsichtlich der mysteriösen Vorfälle zur Ruhe gemahnt werden, da Brigita sich bestimmt erholen wird. Diese salomonischen Worte scheinen sich tatsächlich zu bewahrheiten, doch nach einer fortschreitenden Genesung wird das Mädel vollkommen unerwartet von Charon ins Reich des Hades überführt.

 

Einige Tage später zwingt ein Sturm den Neffen des Gutsbesitzers, Luca, seine geliebte Francesca und Louisa in die entgegengesetzte Richtung des Anwesens (auf dem sich erwähnte Tanzschule respektive ihr Zuhause befindet) zu flüchten, um schlussendlich in einem Bauwerk zu landen, welches von den Einheimischen „Schloss der Toten“ genannt wird. Dort werden sie freundlich von Contessa Alda (klingt beinahe wie Asa, dazu später mehr) aufgenommen und zum Dinner geladen. Während eines anschließenden Bummels innert der Schlossmauern wird Louisa von einem Fremden angegriffen, der …

Review

„Die Geliebte des Vampirs“ ist eine Regiearbeit von Renato Polselli, der den Film zugleich mit der Story sowie dem entsprechenden Drehbuch (an dem auch Ernesto Gastaldi beteiligt ist) belieferte. Das daraus entstandene Endprodukt, welches in Polsellis früher Schaffensphase wurzelt, offenbart bereits Anklänge der inszenatorischen Spezialitäten, die seine Arbeiten aus den 1970ern fortwährend durchziehen. Man denke an Polsellis absonderliche Figurenzeichnungen. Figuren respektive Charaktere, die merkwürdige Methoden auswählen, um beispielsweise eine simple Route von A nach B zu bewältigen. Der gerade Weg scheint ihnen einfach nicht zugänglich, sodass ausufernde Trampelpfade genutzt werden, welche mehrfach um den Zielort herumführen und einhergehend für einen zuschauerlichen Drehschwindel sorgen. Polselli bekleidete seine Darsteller/innen bevorzugt mit einem wenig einleuchtenden, meist schrägen und von der Norm abweichenden Gebaren, welches vornehmlich unfassbar mutet und nicht mit der alltäglichen Denklehre kompatibel ist, was sich überaus simpel aus den Modellen „Das Grauen kommt nachts“, „Lusthaus teuflischer Begierden“ und „Mania“ lesen lässt.    

 

„Die Geliebte des Vampirs“ ist von den genannten delirierenden Werken, natürlich noch einige Meilen entfernt. Seine Bildkompositionen sind nicht von Sinnestaumel gezeichnet, sondern weisen deutliche visuelle Gemeinsamkeiten zu Mario Bavas „Die Stunde wenn Dracula kommt“ (der laut IMDb drei Monate nach „Die Geliebte des Vampirs“ in den italienischen Lichtspielhäusern anlief) auf. Dieser Eindruck wird durch eine phasenweise von Caligarismus dominierte Fotografie sowie der Figur, Contessa Alda, die optische Ähnlichkeiten mit Barbara „Asa Vajda“ Steele registrieren lässt, gestärkt. Ferner lassen sich inszenatorische Gemeinsamkeiten mit Terence Fishers „Dracula“ (1958) dechiffrieren. Man achte auf das im Bett liegende Opfer, welches (bei natürlich offenem Zimmerfenster) den Vampir, das Halbwesen, erwartet, um dessen tödlichen Kuss in Empfang zu nehmen.

 

Doch im Gegensatz zum erotischen Verführer aus dem Schattenreich, wie er von Christopher Lee und freilich Sing Sang Bela verkörpert wird, präsentiert Polselli einen überaus hässlichen Blutsauger, dessen Gesicht (eine ziemlich panne anmutende Gummimaske, bei „Mania“ gibt es übrigens eine ähnliche Gesichtsverkleidung zu bewundern) sich nur nach einer üppigen Blutmahlzeit normalisiert. Obendrein ist Polsellis Blutsauger kein Meister, sondern nicht mehr als ein manipulierbarer Knecht, der seine Herrin mit rotem Lebenssaft respektive Báthoryesker Jugendlichkeit versorgt.  

 

Die umrissenen Elemente des gotischen Horrorkinos besitzen freilich nicht die ausreichende Mehrheit, um eine alleinige Regentschaft ausüben zu können, denn Polselli wäre nicht Polselli, wenn er stur nach einer einfachen Formel werken würde. Anhand (s)einer favorisierten Horrorrezeptur lässt der Regisseur seinen Film zwischen zwei massiv divergierenden Welten schwingen. Einerseits die düstere des Halbwesens, die den Handlungsort um Jahrhunderte zurückschraubt, andererseits die von Optimismus und Bodenständigkeit gezeichnete Leichtigkeit der Gegenwart in der die Ballerinas zu jazzigen Tonschöpfungen die Tanzbeine schwingen. Was schlussendlich so manche Pappnase überfordern könnte, da er/sie aus dem von Firmierung und Plakatdesign propagierten gotischen Horrormotiv herausgerissen wird.

 

Gedreht wurde übrigens in dem schönen Schloss (Castello Piccolomini), welches so manch gotisch angehauchtem Italo-Horror-Vehikel wie beispielsweise „Scarletto - Schloss des Blutes“ und „Ein Toter hing am Glockenseil“ sowie Polsellis „Black Magic Rites“ als Schauplatz diente. Um das Anwesen herum herrschen, ungeachtet der leicht verwirrten Protagonisten, im Wind wogende Baumkronen, Blitz, Donner und alles was zum klassischen Horrorfilm dazugehört. Jenem schaurig-schönen Genre, dass nicht an die Wahrscheinlichkeit gebunden ist (steht dick und fett in seiner Stellenbeschreibung) und somit alle Rechte der realen- sowie der Schattenwelt besitzt, um dieses ausgiebig und entgegen jeder akribischen Denklehre in allen Geschmackrichtungen zwischen Blöd und Geil auszukosten.

 

Polselli hält bekanntlich herzlich wenig von Regeln und Grenzen, sodass er auch Genreübergreifend nach dieser Formel werkt und wirkt. In seiner frühen Schaffensphase mag sein Output zwar noch handzahm sein, doch lässt „Die Geliebte des Vampirs“ bereits erkennen, dass dieser spezielle Regisseur sein Ding durchziehen wird und dabei nicht mit der Erwartungshaltung des Zuschauers konform gehen mag… und das ist auch gut so!

 

Folglich hinterlässt auch „Die Geliebte des Vampirs“ (s)eine spezielle Duftmarke, welche ich bereitwillig inhalierte, denn dieser in den ganz frühen 1960ern gebastelte Horrorstreifen konnte mich gut unterhalten.

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