Die Hinrichtung

Kanada | Frankreich | Deutschland | Italien, 1976

Alternativtitel:

Born for Hell (CDN)

Né pour l'enfer (CDN)

Né pour l'enfer (FRA)

...E la notte si tinse di sangue (ITA)

Naked Massacre (USA)

Für die Hölle geboren

Regisseur:

Denis Héroux

Inhalt

Der Amerikaner Cain Adamson (Matthieu Carrière) kehrt aus dem Vietnamkrieg zurück. Auf dem Weg nach Hause gehen ihm die finanziellen Mittel aus, so dass er einen zwangsläufigen Zwischenstopp in Belfast einlegen muss. Ziellos schleicht er in der von Gewalt geprägten Stadt umher, bis ihm ein Schwesternwohnheim ins Auge fällt. Von einer der dort untergebrachten jungen Frauen bekommt er etwas Verpflegung und einige nette Worte, doch bei dem vom Krieg gezeichneten Mann löst dieses Aufeinandertreffen eine nicht vorauszusehende Kurzschlussreaktion aus. Bei Nacht kehrt er in das Wohnheim zurück und nimmt die jungen Frauen als Geiseln. Doch damit nicht genug, denn Cain manövriert sich in einen regelrechten Rausch und richtet ein entsetzliches Massaker an, das die Stadt erschüttern wird...

Autor

Prisma

Review

Betrachtet man die internationalen Verleihtitel dieses absolut packenden Psycho-Dramas, so stellt sich ungewöhnlicherweise heraus, dass jeder einzelne diesen Beitrag doch unmissverständlich charakterisieren wird. Entstanden unter der Regie des kanadischen Regisseurs Denis Héroux, sieht man einen Verlauf, der sich einer schonungslosen Bildsprache bedient, die überdies das Potential besitzt, den Zuschauer nachhaltig schockieren zu können. Interessanterweise wird der vollkommen real wirkende Transfer über die Stadt Belfast hergestellt, die durch die Aktivitäten der IRA einem trostlosen Kessel aus Gewalt gleicht. Für die tragische Hauptfigur spielt es also keine Rolle, wo er sich gerade befindet, wohin er gerade flüchtet, denn Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft bestehen aus Gewalt, Verderben und Tod, oder es wird mit aller Wahrscheinlichkeit immer wider darauf hinauslaufen. Erwähnenswert ist die Tatsache, dass sich hier doch einige gedankliche Querverbindungen zu dem kurz zuvor entstandenen "Parapsycho - Spektrum der Angst" herstellen lassen, die sich nicht nur in den Bereichen Stab oder Besetzung finden lassen, sondern vor allem in der kalten, sterilen und unkonventionellen Machart. In beiden Produktionen sah man beispielsweise Debbie Berger und Matthieu Carrière agieren, oder die deutsche TIT war als Produktionsgesellschaft beteiligt, manche Szenen, beziehungsweise Selbstinszenierungen wirken nahezu identisch. Der Einstieg in den Film geschieht schnell und unmissverständlich, man begleitet die Hauptperson in Form eines erneut absolut beunruhigenden Matthieu Carrière und man lässt sich voller Skepsis und Widerstand an die Hand nehmen. Ihm zu folgen ist nicht gerade einfach, denn es wird in immer extremer werdenden Handlungen zu Szenen kommen, die auf ihre Art und Weise rücksichtslos sein werden und jeglichen Hoffnungsschimmer ausschließen.

 

Matthieu Carrière, sozusagen der Coup einer jeden Besetzungsliste, kann erneut demonstrieren, wie man die Zuschauer nachhaltig das Fürchten lehrt. Dieser Effekt geht zunächst auch vollkommen ohne drastische Szenen auf, denn man sieht ihm einfach ganz deutlich an, dass es sich um eine gescheiterte Existenz handelt, sei es von Grund auf, oder durch bestehende Rahmenbedingungen. Was man sieht, wirkt eher erschreckend als bemitleidenswert, denn die Prognose liegt ungeschönt auf der Hand. Ein junger Mann der innerlich vollkommen ziellos, verwirrt und apathisch zu sein scheint. Was darf man angesichts der verschiedenen, aber eindeutig klingenden Titel des Films also schon anderes erwarten, als eine Odyssee ins Verderben? Klingt dieser Umstand noch schwer nach einer möglichen Vorhersehbarkeit, so erteilt die Regie in diesem Zusammenhang eine deutliche Abfuhr, denn hier wird nicht das Ziel von entscheidender Bedeutung sein, sondern der brutale Weg, der sich Gewaltspitzen und eine sozusagen psychologische Schraubzwinge nicht aufspart. Cain kommt also in einem Pulverfass an, welches die Stadt Belfast repräsentiert. Im Umkehrschluss kann man ihn aber genau mit diesem unruhigen, nervösen und gewaltbereiten Umfeld gleichsetzen, in vielen Situationen sieht man eine Unempfindlichkeit, eine Emotionslosigkeit und fehlende Anteilnahme, die verstörend ist. Cain agiert mit Ruhe und sogar empfundener Höflichkeit. Nur in Situationen, in denen er sich unbeobachtet fühlt, mit jemandem alleine ist, kommen seine angestauten Aggressionen ungeniert zum Vorschein. Er wirkt schmerzunempfindlich, kann folglich den Schmerz von anderen nicht mehr einschätzen, er erniedrigt seine Opfer und zwingt sie schließlich, ihm sogar schmeichelhafte Dinge zu sagen. Die Mischung zwischen Verletzbarkeit und Dominanz wirkt widerwärtig und abstoßend, eine großartige Leistung des Mannes mit den vielen Gesichtern.

 

Die Situation im Schwesternwohnheim gleicht nach kurzer Zeit immer mehr einem unerträglichen Vakuum, oder vielmehr dem letzten Gang von verängstigtem Schlachtvieh. Die Perversion in dieser Falle entsteht gleichermaßen durch den Peiniger, als auch durch die Mädchen, denn von der Situation scheint zunächst nicht die tödliche Gefahr auszugehen, die dort lauert. Das vorsichtige Agieren und die höflichen Kommentare Cains, das Versprechen dass, wenn sie sich ruhig verhalten, nichts passieren wird, der Kontrast zwischen Unschuld und Zerstörung wirkt niederschmetternd. Glaubhafte, und gleichzeitig auch zauberhafte Gesichter bekommt man von diversen Schauspielerinnen verschiedener Nationalitäten geboten, über die harte Schocks gesetzt werden, weil der Tod im Endeffekt nicht genug ist. Die Regie spart sich eine derbe Veranschaulichung nicht auf, zusätzlich wird die Tragödie noch sexualisiert und gewinnt durch den überaus spekulativen Charakter weiterhin an Hoffnungslosigkeit. Stilistisch gesehen, geht Regisseur Denis Héroux vielleicht hin und wieder ein paar Schritte zu weit und spielt zu empfindlich mit den Nerven des Zuschauers, allerdings ist die drastische Marschrichtung für das stimmige Gesamtbild durchaus erforderlich gewesen. Im Rahmen der Charakterzeichnungen ist es nicht nur die Dramaturgie, die für besonders dichte Gesamtbilder sorgt, sondern es ist vor allem jeder einzelne der Darstellerinnen und Darsteller zu nennen, die die außergewöhnlich schwere Anforderung perfekt und glaubhaft meistern. Allen voran steht Matthieu Carrière, der sich hier wieder einmal selbst übertroffen hat.

 

Insgesamt ist "Die Hinrichtung" auf allen Ebenen gelungen, im übertragenen Sinne sogar ernstzunehmen, da das brisante Thema nichts an Aktualität verloren hat. Die Auseinandersetzung mit der Frage nach dem »Warum?« bleibt mit voller Absicht weitgehend ungeklärt, da es sich ohnehin so gut wie immer um eine rhetorische Frage handelt. Ein vielschichtiger, irgendwie bewegender, trostloser aber auch fordernder Film, der Genie und Wahnsinn ineinander vereint.

Autor

Prisma

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Kommentare (1)

  • Mauritia Mayer

    Mauritia Mayer

    22 August 2015 um 12:02 |
    Danke Herr Prisma für dieses Review, das nicht nur schön zu lesen ist, sondern mich auch sehr neugierig auf den Film macht. Dieser Film kommt nun wohl auf meine "will-sehen-Liste".

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