Die Liebeshexen vom Rio Cannibale

Italien | Spanien, 1980

Originaltitel:

Femmine infernali

Alternativtitel:

El infierno de las mujeres (ESP)

Les évadées du camp d'amour (FRA)

Hell Prison (GBR)

I'm Coming Your Way (GBR)

O Campo Infernal das Mulheres Perdidas (POR)

Escape (USA)

Hellfire on Ice, Part 2: Escape from Hell

Escape from Hell

Schwarze Nymphomanin 3 - Escape from Hell

Schwarze Nymphomanin im Sklavencamp

Deutsche Erstaufführung:

27. März 1980

Regisseur:

Edoardo Mulargia

Inhalt

Ein Frauengefängnis (irgendwo in Südamerika) wird von Totalitarismus regiert. Dessen treuste Gefährten, die Gewalt und der Sadismus, toben sich an den Gefangenen aus, sodass die Ladies eine Vorhölle auf Erden durchlaufen. Einzig der ständig betrunkene Lagerarzt, Doktor Farell, kümmert sich um die weiblichen Sträflinge. Nachdem eine Gefangene, Mary, grausam zu Tode kam, beschließt eine kleine Gruppe die Flucht…

Review

Innenansichten eines Frauenlagers: Es schwül-heiß, es schüttet aus Eimern und das Hygrometer tickt unverdrossen auf die 100%-Marke zu. Die inhaftierten Frauen müssen sich, allesamt mit spärlichen Stofffetzen bekleidet, mit Zwangsarbeit abrackern, in den Hosen ihrer Wächter steigen stetig die Fahnenmasten und im Hintergrund erklingt die poetische Wortkreation: „Du stinkst wie eine indische Strandnutte“.

 

Willkommen bei den Liebeshexen vom Rio Cannibale!

 

Mit dem Namen Edoardo Mulargia verbinde ich in erster Linie grandiose („El Puro“), ordentliche („Jetzt sprechen die Pistolen“) und grottenschlechte („Dakota - Nur der Colt war sein Gesetz“) Westernarbeiten. Zwischen 1965 und 1971 drehte der gute Mann neun Western, die 50% seines Schaffens ausmachen. Mit dem Ende des Genres minimierte sich zugleich sein ohnehin überschaubarer Filmoutput, der 8 Jahre nach seinem letzten Ausrufezeichen „Inferno unter heißer Sonne“ den endgültigen Tiefpunkt seiner Karriere fundierte: „Die Liebeshexen vom Rio Cannibale“. Ein Film der zeitgleich mit dem gleichermaßen geschmacklosen „Foltercamp der Liebeshexen“ (ebenfalls mit Anthony Steffen, Ajita Wilson und Serafino Profumo besetzt) runtergekurbelt wurde.

 

„Darf ich dir unser Damenkränzchen vorstellen?
Das ist Mary: 6 Jahre wegen Prostitution!
Zaire: 20 Jahre weil sie einen Freier erstochen hat,
und ich, lebenslänglich, hab´ meine Freundin erwürgt…“ (Kate)

 

„…aber im Grunde sind wir ganz nette Menschen.“ (Zaire)

 

„Die Liebeshexen vom Rio Cannibale“ bietet als Handlungsort eine Insel, sprich ein überschaubares Areal aus dem eine Flucht unmöglich scheint. Ungeachtet des zuvor erwähnten Zitats sowie einem kurzzeitigen Gefühlsausbruch von Doktor Farell, der auf (s)eine Traumatisierung schließen lässt, wird dem Rezipienten nichts geliefert, dass ihm bei einen genaueren Abriss der Filmfiguren unterstützen könnte. Gemessen an den exploitativen Filmambitionen sind solche Zeichnungen auch nicht erforderlich, denn die Funktionen der Figuren (Aufrührer, Täter, Opfer und der zwischen den Fronten pendelnde Skeptiker) lassen sich auch ohne deren Vorgeschichten leicht dechiffrieren. Parallel zu ihren Attributen und Ambitionen bewegt sich die Motivation (Aufseher, Oberaufseher) zu sexuellen Gewaltakten, welchen die gefangenen Frauen immerzu ausgesetzt sind. Missachtung der Lagergesetze (dazu zählt auch das – wenn überhaupt mögliche – Verweigern von Sexualpraktiken) führt zu derben Bestrafungen. In beiden Fällen (Folter und Vergewaltigung) gelingt es dem Kameramann die Situationen und die Täter besonders abstoßend zu vermitteln. Es fehlt eigentlich nur der (die Sexgier begleitende) Sabber, der dem Wachpersonal aus den Mundwinkeln läuft. Ein weiteres Rad innert eines Mechanismus, der auf ein stetiges Chargieren zwischen Sex und Gewalt setzt, ist das Hierarchiesystem, welches unter den gefangenen Frauen herrscht und zugleich die Erlaubnis oder die Untersagung (Wortlaut Kate: „Ich bestimme wer mit wem lesbelt“) von lesbischen Liebesakten definiert. Zudem poltert eine abgrundtiefe Frauenfeindlichkeit durch die Reihen, welche die weiblichen Gefangenen als durchweg böse und nicht rehabilitierbare Individuen skizziert, die nichts anderes als diese Vorhölle verdient haben.

 

Innerhalb dieser Zusammenrottung von kriminellen Weibsbildern und sadistischen sowie im Oberstübchen mit derben Fehlfunktionen ausgestatteten Wärtern wird dem Zuschauer einzig der Lagerarzt, Doktor Farell, als Reflektorfigur angeboten. Dieser präsentiert sich als ein stets im Alkoholrausch durch die Gegend schlendernder Pessimist, der sich zwar dem Schicksal des bösartigen Mikrokosmos ergeben hat, aber dessen Führungskader fortwährend trotzt, um ihn zu gegebener Zeit zur Rechenschaft zu ziehen. Obendrein hegen beide Personen ein Faible für klassische Musik, welche als Begleiter von Folter und Erniedrigung durch den Innenhof schallt. Eine Auffälligkeit beziehungsweise ein Kuriosum welches der Germanist, Rolf Grimminger, innert seines Aufsatzes „Terror in der Kunst“ als Kunstbarbarei suggeriert.

 

Sofern man überhaupt von einer Filmstory reden darf, dann lässt sie sich bestenfalls als ein schlecht fundiertes Gerüst definieren. Diese geht einher mit den üblichen Versatzstücken des WIP- und Lagerfilms und kann somit (s)einem exploitativen Grundgedanken (dem Transport von Sex und Gewalt) gerecht werden. Was logischerweise daraus resultiert ist - na was wohl? Selbstzweck bis zum Exzess!

 

Fazit: „Die Liebeshexen vom Rio Cannibale“ offeriert dem Publikum einen schmierigen, von jeglicher Moral befreiten und zeitweise recht widerwärtigen Frauenlagerfilm, der je nach Gemütslage bei dem ein oder anderen äußerst unangenehm anschlagen kann, auch wenn ihnen der ultimativ-derbe Schlusshieb im Stile von Jess Francos „Women in Cellblock 9“ – Finale erspart bleibt. Die Schnierfinken und das restliche abartige Gesindel, das sich angeblich in der Filmfanszene rum treibt, könnten trotzdem – respektive gerade deshalb –  allesamt einen Kurztrip zu den Liebeshexen auf ihre Schmuddelagenda setzen.

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