Lohn der Angst

Frankreich | Italien, 1953

Originaltitel:

Le salaire de la peur

Alternativtitel:

Vite vendute (ITA)

El salario del miedo (ESP)

The Wages of Fear

Deutsche Erstaufführung:

11. September 1953

Inhalt

Das venezolanische Las Piedras wirkt wie eines der verlassensten Nester der Welt und wurde dementsprechend zu einem Sammelbecken für gescheiterte Existenzen. Wegen hoher Arbeitslosigkeit warten vor allem die Männer Tag für Tag auf irgend einen Hoffnungsschimmer oder eine Chance, die sich plötzlich bietet. Da eine der Ölquellen des größten Arbeitgebers in Brand geraten ist, stellt die Betreiberfirma Southern Oil Company Höchstbezahlung in Aussicht. Um das Inferno unter Kontrolle bringen zu können, wäre die Druckwelle einer Explosion nötig, doch das erforderliche Nitroglycerin müsste von Las Piedras zum Zielort gebracht werden, der an die 500 Kilometer weit entfernt liegt. Die gefährliche Ladung wird notdürftig auf für den Transport ungeeignete LKW verladen und der Weg soll durch völlig ungesichertes Gelände führen. Vier Männer namens Mario (Yves Montand), Jo (Charles Vanel), Bimba (Peter van Eyck) und Luigi (Folco Lulli) begeben sich auf die Reise mit unwahrscheinlicher Rückkehr, denn sie wollen heraus aus dem Sumpf der Hoffnungslosigkeit...

Autor

Prisma

Review

Henri-Georges Clouzots "Lohn der Angst" ist nicht nur als internationaler Großerfolg, sondern auch Sternstunde französischer Filmkunst in die Geschichtsbücher eingegangen. So beeindruckend das Ergebnis im Endeffekt auch ausgefallen ist, so schwierig gestalteten sich dem Vernehmen nach die Dreharbeiten, was für einen Clouzot-Film retrospektiv gesehen allerdings gar nicht so ungewöhnlich erscheint. Überlieferungen zufolge verzögerte sich der Zeitplan erheblich durch schlechte Witterungsbedingungen, Unfälle oder Krankheiten am Set, was die Kosten gleichzeitig in die Höhe trieb und den Zeitdruck verschärfte. Am Ende wurde der Film mehrfach ausgezeichnet und von der Kritik überwiegend wohlwollend aufgenommen, was sicherlich auch die eigenen strengen Qualitätsansprüche des französischen Regisseurs widerspiegelt. Die von Grund auf unbarmherzige Geschichte präsentiert sich in kontrastreicher und sehr beeindruckender Schwarzweiß-Fotografie, die die überaus angespannte Lage nicht nur charakterisiert, sondern sie bei jeder sich bietenden Gelegenheit auch forcieren kann. Der Verlauf beginnt in einer kleinen Stadt, in der die Hoffnungslosigkeit schon vor langer Zeit Einzug erfahren hat, sodass man den Eindruck gewinnt, die Hölle könnte vielleicht genau so aussehen. Geprägt von Hoffnungslosigkeit, Resignation und breiter Ziellosigkeit der Menschen, vergeht die Zeit dort offensichtlich wie an jedem Tag: man wartet auf irgend ein Wunder und es ist vollkommen gleich, wie dies letztlich aussehen sollte. Ein Unglück auf einem Ölfeld verwandelt sich plötzlich in perfider Weise in eine Chance, die eigentlich gar keine ist, denn es handelt sich praktisch um ein Himmelfahrtskommando, bei dem LKW-Ladungen von Hochexplosivem Nitro von A nach B gebracht werden sollen.

 

Unter normalen Umständen würde sich bestimmt kein Freiwilliger für diesen mit tödlichen Gefahren gespickten Job finden, doch wie es so ist, neigt der lethargische und völlig desillusionierte Mensch dazu, glauben zu wollen, dass etwas besseres als der Tod überall zu finden sei, auch wenn dieser bereits im Vorfeld wie ein schwarzer Schatten über dem Unternehmen thront. Gezeichnet wird eine beschwerliche Reise durch unwegsames und gottverlassenes Gebiet, in dem jeder Ast und jeder Stein zur unüberwindlichen Klippe und Zerreißprobe werden könnte, daher für enorme Spannung und Nervenkitzel sorgt. Hinzu kommt eine sengende Hitze, die sich auf die Gemüter der vier Männer auswirkt, die sich des Geldes und der damit verbundenen Perspektive wegen zu diesem Unternehmen haben hinreißen lassen. Als ob eine Ladung Sprengstoff alleine nicht genug wäre, zeichnen sich insbesondere in einem der beiden LKW interne Spannungen und eine sich zuspitzende Konfrontation ab, die für zusätzliche Gefahren sorgt, was sich durch die ungeschönte Transparenz auf das Publikum überträgt. In diesem Zusammenhang sind die exzellenten Leistungen von Yves Montand und Charles Vanel zu nennen; zwei Männer, die unterschiedlicher nicht sein könnten, zumal der jüngere von ihnen sein ganzes Leben noch vor sich hat, wo hingegen der ältere das Meiste schon hinter sich hat, daher zu Destruktivität und Pessimismus neigt. Montands Tatkraft wirkt wie ein Motor in dieser dauerhaft gefährlich wirkenden Einöde, die offenbar kein Ende nehmen will, da sie einen Großteil der Spielzeit beansprucht. Der Mut der Verzweiflung erweist sich als ergiebiger Stoff für diese Geschichte, deren rar gesäte Hoffnungsschimmer einem noch buchstäblich um die Ohren fliegen werden.

 

International anerkannte Stars greifen die Stärken des spannenden und wasserdichten Skripts gekonnt auf und statten den Verlauf mit der erforderlichen Emotion, Tiefe und zwischenmenschlichen Konflikten aus, die für die eigentliche Brisanz sorgen. Das Quartett Yves Montand, Charles Vanel, Folco Lulli und Peter van Eyck läuft dabei zu Höchstleistungen auf und es wird viel Wert auf charakterliche Unterschiede gelegt, obwohl die Männer im selben Boot sitzen. Jeder von ihnen weiß um die Gefahr der Aktion, aber hofft gleichzeitig auf die große Chance, aus all dem Dreck herauszukommen. Dass sie sich überhaupt auf ein solches Unterfangen einlassen, spiegelt weniger ihren Mut wider, sondern die Tatsache, dass der mögliche Tod nicht schlimmer als die aktuelle Situation sein könnte. Einen weiteren beachtenswerten Eindruck bekommt man wie immer von der anmutigen Véra Clouzot geboten, die seit 1950 mit Regisseur Henri-Georges Clouzot verheiratet war. Die gebürtige Brasilianerin ist in "Lohn der Angst" übrigens in ihrem Filmdebüt zu sehen und sorgt für verheißungsvolle Szenen. Rein inszenatorisch gesehen, bekommt der Zuschauer ein Höchstmaß an Präzision geboten, was den kompletten Verlauf durch das Fabrizieren empfindlicher Stimmungen stets vorwärts gewandt vorantreibt. Es ist, als gebe es bereits von Anfang an nur die Gewissheit, dass Clouzot keine Gefangenen machen will, und es kommen zahlreiche Inhalte aufs Tableau, die die stete Hoffnung auf humane Tendenzen und mögliche Entschärfung beim Publikum förmlich wegwischt. Aus diesem Grund kommt nicht zuletzt eine Intensität zustande, die beinahe mit einem Schraubstock zu vergleichen ist, sodass sich abschließend nur noch einmal betonen lässt, welch atemberaubender Klassiker Clouzot mit "Lohn der Angst" gelungen ist.

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