Die untreue Frau

Frankreich | Italien, 1969

Originaltitel:

La femme infidèle

Alternativtitel:

La mujer infiel (ESP)

Stéphane - Una moglie infedele (ITA)

A Mulher Infiel (POR)

The Unfaithful Wife

Deutsche Erstaufführung:

10. März 1972

Regisseur:

Claude Chabrol

Kamera:

Jean Rabier

Drehbuch:

Claude Chabrol

Inhalt

Das Haus liegt mitten in einem großen Anwesen und ist geschmackvoll eingerichtet. Der Herr des Hauses ist Anwalt in einer gut gehenden Kanzlei und die Dame kümmert sich um die Erziehung des Kindes und ihr eigenes Aussehen, während die Hausarbeit in den erfahrenen Händen einer älteren Angestellten liegt. Man(n) fährt Mercedes, und kann sich überhaupt so einiges an Luxus leisten. Insofern hat Hélène Desvallées eigentlich alles erreicht was man als Frau vermeintlich erreichen kann. Doch eines fehlt, und das ist Nähe. Ihr Mann Charles arbeitet so viel, dass er abends nur noch schläft, und Sex ist in dieser formalen und perfekten Welt sowieso ein Fremdkörper. Als Charles erfährt dass Hélène ihn betrügt bricht für ihn eine Welt zusammen. Er macht sich auf, den Unbekannten kennenzulernen. Was mag das für ein Mann sein der seine Frau vögelt? Und vor allem: Was macht man mit so jemandem?

Autor

Maulwurf

Review

Das Ehepaar Desvallées „lebt“ ein Leben wie man es sich eigentlich nur erträumen kann. Ein schönes Landhaus in Versailles, ein hervorragender Beruf, die Frau kümmert sich um das Auskommen des Friseurs, und alles plätschert zufrieden vor sich hin. Der Junge ist Klassenbester, die Haushälterin macht zu Mittag Kalbsleber, und der Garten steht in betörender Blütenpracht. Und das Schlimmste ist dabei, dass man sieht dass Charles seine Frau und seinen Sohn liebt, und dass er mit seinem Leben rundum glücklich ist. Es gibt für ihn keinen Grund etwas zu ändern, alles ist so wie er es sich immer erträumt hat. Aber wenn ein Film schon DIE UNTREUE FRAU heißt muss da wohl noch was sein, und richtig: Hélène schaut zwar ebenfalls relativ glücklich drein, aber man spürt sehr schnell diese Unzufriedenheit, dieses „War-das-jetzt-schon-alles?“-Gefühl. Wenn Stéphane Audran, schön wie die aufziehende Nacht, sich im knappen Negligé neben ihren Mann legt und mindestens 5 Meter lange Beine ausrollt, während er nur ignorant daneben liegt, dem Gedudel der Musik lauscht und auf den Schlaf wartet, dann kann da wohl etwas nicht passen.

 

Und nach knapp einer Stunde dann der Schock, etwas Unerhörtes passiert, und während der Zuschauer noch an Hitchcocks FRENZY denkt (der aber erst 3 Jahre später entstanden ist) tun sich Abgründe auf. Sicher nicht so scharf wie etwa in DAS BIEST MUSS STERBEN aus dem gleichen Jahr, hier hält sich Chabrol vergleichsweise doch einigermaßen zurück. Aber sein Skalpell seziert doch relativ fein das (französische) Großbürgertum und hinterlässt, wenn er mit seiner Arbeit fertig ist, nur noch blutige Fetzen eines guten und anständigen Lebens. Natürlich muss man dem Film zugute halten dass er über 40 Jahre alt ist, und der Schockmoment sich im Lauf der Jahre ein wenig abgenützt hat. Michael Hanekes CACHÉ, an den mich die UNTREUE FRAU vom gesamten Aufbau her erinnert, kitzelt das Gekröse wesentlich mehr. Aber die Filetierung der Bourgeoisie, die hatte Chabrol damals richtig gut drauf, und das funktioniert mit kleineren Abstrichen auch heute noch.

 

Wobei man meinen könnte, dass sich die Zeiten eigentlich gar nicht so wesentlich geändert haben. Die künstliche und hohle Welt der Desvallées’ wird immer wieder eingerahmt von natürlichen Komponenten, will sagen, dass die pompöse und stilvolle Villa mit vielen Einrichtungsgegenständen aus Holz eingerichtet wurde, und zum Beispiel auch der Nachtclub in dem gefeiert wird, viel Holz enthält. Auf diese Weise schließt sich der Kreis zur heutigen Zeit, denn auch heute beweist der Mittelstand seine Naturverbundenheit, indem Möbel aus Holz verwendet werden, aus nachhaltigem Anbau, und natürlich stilecht im SUV nach Hause gefahren. Ich weiß, ich schweife ab, aber trotzdem: So weit von unserer Welt ist die Welt der Desvallées’ vielleicht gar nicht entfernt. Und sind denn die Abgründe weiter weg …?

 

Interessant ist auch, wie sich nach dem Besuch beim Liebhaber das Verhältnis des Ehepaares untereinander ändert. Wo Charles wahrscheinlich dachte dass sich nun alles wieder zum Guten wendet, tritt genau das Gegenteil ein. Vorerst. Die Gefühle von Charles und Hélène fahren Achterbahn, und die Schauspieler können mit Blicken und kleinen Gesten ganze Universen zum Einstürzen bringen und sie wieder aufbauen. Michel Bouquet kennt der geneigte Genrefan aus Knallern wie EIN BULLE SIEHT ROT (an der Seite von u.a. Gianni Garko), und ganz allgemein spielt er ja oft das zynische Dreckschwein vom Dienst, zumindest in den Krimis der 70-er Jahre. Was er hier an Präsenz abliefert ist unglaublich. In einer unendlich langen und quälenden Szene besucht er den Liebhaber seiner Frau, gespielt von Maurice Ronet (u.a. NUR DIE SONNE WAR ZEUGE). Und während Bouquet genüsslich seinen Whisky trinkt und einen Heidenspaß daran hat Ronet zu beschämen, wird dieser zuerst immer unruhiger und nervöser, nur um dann irgendwann zu erkennen dass der Mann ja vermeintlich ganz harmlos ist. Die Szene gipfelt dann in einer Wohnungsführung, inklusive Schlafzimmer mit Lotterbett … Gigantisch!

 

Stéphane Audran als enttäuschte Ehefrau steht dem Können Bouquets in nichts nach. Hat sie sich in ihrem Leben zu Beginn (des Films) noch vermeintlich eingerichtet, kommen die Frustrationen schnell durch. Nur bei einem Abend im Club mit Freunden hat sie Spaß wie ein Backfisch, lacht, tanzt und genießt das kleine Stückchen Glück. Nein, so wie es an der Seite ihres Mannes läuft, so hatte sie sich das Leben nicht vorgestellt. Im letzten Drittel werden ihre Depressionen geradezu fassbar, so intensiv kommt die Verzweiflung über den Bildschirm, und ein zerstörter Lebensentwurf wird sichtbar, ein vergeblich gelebtes Leben. Trotzdem und gerade deswegen, die Liebesnächte zwischen dem normalerweise sehr animalisch wirkenden Ronet und der lebenshungrigen Audran hätte ich gerne gesehen (ich Ferkel) …

 

Die Kameraführung baut auf Schnitt/Gegenschnitt-Technik, was den sehr dialog- und blicklastigen Film erheblich auflockert. Dadurch ist immer Bewegung, ist immer Dynamik, und die Entwicklung der Geschehnisse wird damit vortrefflich untermalt. Das gleiche gilt für die dissonante und oft nervige Musik, die fast von Beginn an eine ungemütliche Aura entfaltet, und jeglichen Gedanken an Zufriedenheit und Wohlgefühl ausschaltet. Das nervöse Zusammenspiel aus Klavier und Cello erinnert stark an den Soundtrack zu Giulio Questis DIE FALLE, bei dem auf diese Art die gleiche unangenehme Stimmung erzeugt wird. Definitiv nichts zum Zuhause hinstellen. Wer solche Musik hört isst wahrscheinlich auch kalte Kalbsleber …

 

Insgesamt also ein feines und leises Drama mit Crime-Anleihen, das von seinen guten Dialogen und den extrem starken Schauspielern lebt. Achtet mal auf den hinteren Inspektor, denjenigen der nichts sagt. Der es nur mit Blicken und Gesten schafft sein Gegenüber in Richtung Nervenzusammenbruch zu treiben. Was für eine unglaublich unangenehme Ausstrahlung … Was für den ganzen Film gilt, der bei aller vordergründigen Tändelei viel gemeiner die Gedärme kitzelt als man zu Beginn denkt.

Autor

Maulwurf

Veröffentlichungen

Gesehen wurde die Leihversion von Galileo, die sogar mit französischem Ton und vernünftigen Untertiteln daherkommt. Aber das Bild, ohjemine … Das Bild ist eine absolute Katastrophe. Grobkörnig, unscharf, und nicht anamorph, somit also auf allen vier Seiten in einen schwarzen Kasten gepresst. Laut weiterführenden Informationen im Internet sehen alle Ausgaben des Films so aus, und anscheinend ist wohl die gesamte Claude Chabrol-Edition von Galileo unter optischen Gesichtspunkten ein Griff ins Klo. Aber wer ist schon Claude Chabrol, dass man sich als DVD-Anbieter da Mühe geben müsste. Hauptsache die Leute geben ihr Geld aus, alles andere ist anscheinend Nebensache …

Autor

Maulwurf

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