Die Weibchen

Frankreich | Deutschland | Italien, 1970

Originaltitel:

Die Weibchen

Alternativtitel:

Mujeres carnivoras (ESP)

Les mantes religieuses (FRA)

Femmine carnivore (ITA)

Little Women

The Females

Deutsche Erstaufführung:

22. Dezember 1970

Regisseur:

Zbynek Brynych

Drehbuch:

Manfred Purzer

Inhalt

Eve (Uschi Glas) leidet unter immer extremer werdenden Erschöpfungszuständen und schon bald ist sie dem Nervenzusammenbruch nah. Auf Anraten ihrer Ärztin Dr. Barbara (Gisela Fischer) soll sie eine Kur machen, um schnell wieder auf die Beine zu kommen. Ihr Weg führt deswegen nach Bad Marein, doch bereits auf der Fahrt dorthin ereignen sich seltsame Dinge, die die junge Frau nicht nur zusätzlich verwirren, sondern beängstigen. Die Klinik scheint schließlich alles andere als geeignet zu sein, um sich zu erholen, da sich auf dem Gelände fast ausschließlich suspekt wirkende Frauen befinden, die Eve mental zusetzen. Schon bald muss Eve mit Schrecken feststellen, dass es zu mysteriösen Todesfällen kommt, die offenbar mit den anwesenden weiblichen Kurgästen zu tun haben. Ist sie in einem mörderischen Irrenhaus gelandet..?

Autor

Prisma

Review

In der Retrospektive wird der tschechische Filmregisseur Zbyněk Brynych gerne und häufig als Mann gefeiert, der für manche unkonventionelle Sternstunde des deutschen Kinos verantwortlich gewesen sein soll. Seine Art zu inszenieren kann gemessen an den Ergebnissen durchaus als berüchtigt angesehen werden. Unter seiner Spielleitung entstanden Filme wie "O Happy Day", "Engel, die ihre Flügel verbrennen" sowie "Die Weibchen", welche jeweils als große wirtschaftliche Misserfolge und Millionengräber in die deutsche Filmgeschichte eingehen sollten. Alle drei Produktionen wurden seinerzeit vom Hamburger Inter-Verleih in die Kinos gebracht, der sich - wenn man so will - seinerzeit dem tendenziell eher unorthodoxen Film verschrieben hatte. Aus heutiger Sicht kann man den Brynych-Filmen einen großen Anteil am Konkurs des Verleihs im Jahr 1971 zuschreiben, wenngleich auch andere Flops verkraftet werden mussten. Da niemand die Kinoexperimente des Böhmen sehen wollte, war seine Karriere in Deutschland beendet. Serienfans werden ihn vermutlich als berüchtigten Vandalen aus deutschen Krimireihen kennen, wo er insbesondere bei "Der Kommissar" für die (nach eigenem Ermessen) unerträglichsten Beiträge einer Serie sorgte, die seine provokante Art der Inszenierung nicht verkraftete. Was Zbyněk Brynych angeht, so gibt es beinahe ausschließlich Fans und Anhänger oder Kritiker - dazwischen ist in der Regel wenig ausfindig zu machen, doch was seine jeweiligen Arbeiten angeht, sollte man immer gewisse Abstriche machen und eine Linie ziehen, denn insbesondere seine Spielfilme sind nicht ohne Reiz.

 

Im Gegensatz zu seinen zwei Vorgängerfilmen, ist es eine renommierte und effektiv begabtere Crew, die in "Die Weibchen" ihre Akzente setzen kann. Da es Zbyněk Brynych sichtlich schwerfällt, die nötige Ordnung in seine Geschichte(n) zu bringen, ist es fast unausweichlich, sich einer externen Struktur zu bedienen. Vor allem Charly Steinberger sorgt für eine solche, die zugegebenermaßen sehr hochwertige Momente beschert, jedoch von der Regie immer wieder unterwandert wird. Natürlich stellt sich die Frage, ob ein lineares Ergebnis hier überhaupt anvisiert war, doch nach zwei Misserfolgen im Spielfilmbereich dürfte es nötig gewesen sein, sich etwas deutlicher am Zuschauerinteresse zu orientieren, was der Vergleich eindeutig beweist. Warum hat es also nicht funktioniert? Weil die Geschichten zum größten Teil nicht so interessant dargestellt wurden, wie es das Potential im Grunde suggeriert. Brynych verzichtet auch hier nicht auf wilde Gefühlsausbrüche und unerklärliche Emotionen, die erneut nicht transparent für den Zuschauer dargestellt werden und dem Empfinden nach keinen Sinn ergeben. Die menschliche Psyche und deren Abgründe war seit jeher ein guter Nährboden für die unterschiedlichsten Geschichten, die filmisch ausgewertet wurden. "Die Weibchen" bedient sich hemmungslos dieser Strategie, welche aber nur teilweise aufgeht. Also handelt es sich erneut um das alte Lied, nämlich dass sich der kritische Zuschauer von einer subversiven Regie komplett allein gelassen, sich der geneigte Zuseher hingegen hofiert fühlt und sich in einem Unterhaltungsfestival wiederzufinden glaubt.

 

Brynych begeht seinen alten Fehler, Wahnhaftigkeit und Grenzen der mentalen oder psychischen Kapazitäten stets gleich darzustellen, wahlweise mit irrem Lachen und exaltierten Blicken, die vorzugsweise frontal in die Kamera starren. Es zeigt sich somit wie so oft eine globale Ideenlosigkeit im Rahmen des Neuen und eine schwerwiegende Limitierung, die seine Filme isoliert und wenig subtile Mittel wahrnehmen lässt. In diesem Zusammenhang fällt die Besetzung der Hauptrolle mit Uschi Glas schwer ins Gewicht, da sie an ihren eigenen Grenzen und dem Vorhaben scheitert, den deutschen Film anders als üblich zu bedienen. Uschi Glas ist nicht wandlungsfähig genug und leider zu bieder für eine derartig angelegte Rolle, die keine vorgefertigte dramaturgische Schärfe mitbekommt. Eines darf man natürlich nicht vergessen, beziehungsweise unterschlagen: Uschi Glas war seinerzeit nicht nur ein Publikumsmagnet, sondern vielmehr ein Phänomen, da sie es im Rahmen ihrer Fähigkeiten und der Bereitschaft, etwas weniger als ihre Kolleginnen zu liefern, wie keine Zweite schaffte, die Kinosessel zu füllen. Hier wirkt sie intern und extern ausgebremst, für einen derartigen Verlauf naturgemäß gehemmt und rollentechnisch einfach unglaubwürdig, sprich: fehlbesetzt. Zu ihren Gunsten wurde die international bekannte weibliche Besetzung leider vollkommen untergeordnet, was über die Maßen verschenkt wirkt, da man vergeblich nach Ausgleichsmöglichkeiten suchen muss. Vielversprechende Namen wie Irina Demick, Françoise Fabian oder Pascale Petit werden zu einem stiefmütterlichen Dasein verurteilt. Lediglich Judy Winter oder etwa Gisela Fischer wissen ihre kleineren Akzente zu setzen, was aber insgesamt neben der kaum profitablen Übermacht Uschi Glas einfach zu wenig zur Geltung kommt.

 

Generell ist "Die Weibchen" auf Strapaze, Verwirrung und Schauwerte angelegt. Hin und wieder scheint die Strategie gewinnbringend aufzugehen, Extremzustände und Exaltiertheit eindringlich zu schildern. Noch einmal muss erwähnt werden, dass sich die flexible und überaus experimentelle Kameraarbeit vom Meister der Optik Charly Steinberger bewährt und für spürbare Extravaganz sorgt, was jedoch an der hysterischen Geschichte abprallt. Der Zuschauer darf sich so gut wie alles selbst zusammenreimen. Oder doch nicht? Die Verbannung des konservativen Muffs aus Opas Kino, zynische Gesellschaftskritik, Metaphorik oder der trübe Blick einer sich immer mehr sexualisierenden Gesellschaft? Alles ist möglich, schließlich gibt es der Legende nach so gut wie keinen Film, bei dem sich im Vorfeld niemand etwas gedacht hat. Brynych hat sich sicherlich sehr viel gedacht - möglicherweise zu viel - was sich im technischen Umgang durchaus widerspiegeln will, aber effektlos in einem Film untergeht, der sich eher als ungeordnete Masse beschreiben lässt. Es ist nicht zu leugnen, dass seine drei Spielfilme als fulminante Expertisen angesehen und dabei regelrecht gefeiert werden, jedoch ist und bleibt der Ausgangspunkt jener, dass die Filme zur Entstehungszeit niemanden erreicht haben. War das Publikum noch nicht so weit, nicht bereit für diese außergewöhnlichen Konglomerate inszenatorischer Progression? Aus heutiger Sicht dürften dies die meisten Anhänger bejahen, allerdings darf ein Film wie dieser - der den Status der heiligen Kuh sicherlich weniger ungerechtfertigt als vielleicht aber zu kritiklos übergestülpt bekam - als das angesehen werden, was er tatsächlich ist: ein weitgehend unwirscher Versuch, bestehende Gesetze auszuhebeln, diese umzukehren und beim waghalsigen Überholmanöver komplett zu ignorieren. Ist dieser Mischmasch im Endeffekt und möglicherweise nicht wesentlich schlimmer als derjenige, den er selbst verachtet, weil er sich von ihm aggressiv abzuheben versucht?

 

Es kursieren mehrere Genre-Klassifikationen für "Die Weibchen" wie etwa Kriminalfilm, Gesellschaftssatire, Erotikfilm oder gar Kannibalenfilm, aber keine dieser Bezeichnungen trifft den Nagel auf den Kopf. Themen werden höchstens angerissen, aber oft nur unzureichend ausgearbeitet. Für eine greifbare und umfassende kritische Auseinandersetzung mit den Themen Emanzipation, sexuelle Unterdrückung oder freie Entfaltung reicht es eigentlich nirgends und der Film bleibt global gesehen konturlos. Es ist kaum Biss wahrzunehmen, es fehlt der Schliff und letztlich lässt sich die Geschichte ausschließlich auf ihre Extravaganz im Rahmen der Inszenierung reduzieren, bei der Brynych das Rad hin und wieder und zugegebenermaßen neu erfinden konnte - vorausgesetzt, man betrachtet sein Werk im Rückblick. Die Fakten sprechen jedoch eine andere Sprache und der Weg führt wieder einmal über Hauptdarstellerin Uschi Glas. Ihre Zugpferdfunktion brachte zur damaligen Zeit keinen Nutzen, während sie aus heutiger Sicht mitunter als eines der professionellsten und gewinnbringendsten Rädchen in dieser Maschinerie wahrzunehmen ist. Lange Rede, destruktiver Sinn: Der Film ist umstritten und er wird es auch bleiben. Die Geschichte ist auf ihre Art und Weise eigenartig zurückweisend, wirkt aber zugleich verlockend. Die Regie wird fraktionsweise als Meisterstück der Extravaganz gefeiert, von (wenigen) anderen jedoch als unverbesserlicher Vandalen-Akt wahrgenommen, sodass sich im Endeffekt einfach nur sagen lässt, dass Zbyněk Brynych zu Recht polarisiert und für unterschiedlichste Wahrnehmungen sorgt - so wie er es vielleicht auch anvisiert hatte. So handelt es sich einerseits um eine herausfordernde, fulminante Wundertüte, für die Antennen nötig sind, um sie gebührend schätzen zu können, andererseits bekommt man es mit einer Art der Satire zu tun, die sich vage und inkonsequent bis zum bitteren Ende schleppt.

Autor

Prisma

Veröffentlichungen

"Die Weibchen" sollte man bei Interesse für den nicht gerade alltäglichen Film gesehen haben. Nicht nur, weil Brynychs Beitrag eine hervorragende Auswertung durch BILDSTÖRUNG erfahren hat, sondern vor allem weil er das Potential besitzt, einzuschlagen wie eine Bombe. Viele Filme dieser Art hat der deutsche Film auch unter Produktionspartnern anderer Länder nicht hervorbringen können, und alleine diese Tatsache sollte wohlwollend - oder besser noch unvoreingenommen - mit einem Besuch in Bad Marein gewürdigt werden. Die Blu-ray-Veröffentlichung von BILDSTÖRUNG ist als pralles Paket zu bezeichnen, das keine Wünsche offen lässt. Besonders interessant dabei dürfte die um 15 Minuten längere Alternativfassung als Ur-Version sein, die dem Film seine anvisierte Aussagekraft verleiht, was die sehr gute Bildqualität nur unterstreichen wird. Der Audiokommentar ist ebenso prominent besetzt, wie die Liste der Interview-Partner, die Erinnerungen aus erster Hand schildern, unter anderem mit Hauptdarstellerin Uschi Glas oder Kameramann Charly Steinberger. Das informative und sauber geschriebene Booklet rundet das Ganze ab, außerdem lädt die Blu-ray den Interessenten mit einem charakteristischen Artwork ein. Mit dieser einwandfreien Veröffentlichung wird man schließlich so oder so sein blaues Wunder erleben...

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Prisma