Western Jack

Deutschland | Italien | USA, 1967

Originaltitel:

Un uomo, un cavallo, una pistola

Alternativtitel:

Un homme, un cheval et un pistolet (FRA)

Um homem, um cavalo, uma pistola (POR)

Shoot First, Laugh Last (GBR)

The Stranger Returns

Blutiger Dollar

Jeder Schuß ein Halleluja

Deutsche Erstaufführung:

05. Januar 1968

Regisseur:

Luigi Vanzi

Inhalt

In einem Städtchen (und dessen Umfeld) nahe der amerikanisch/mexikanischen Grenze regieren En Plein und seine Desperados. Als diese den Postinspektor, Ross, töten, kommt zufällig ein Fremder vorbei, der drei der Gesetzlosen an die Anmeldetheke des Satans verweist, die Papiere des Postinspektors einsackt und sich fortan als eben dieser vorstellt.  Seine Ambitionen sind allerdings nicht von Gerechtigkeitssinn geprägt, denn der Fremde wittert eine große Menge Gold, welches er liebend gern in seine Satteltaschen packen will.

Review

Ein Fremder reitet durch die Wüste und schützt sein Haupt per Schirm vor einer erbarmungslos brütenden Sonne. Verständlich, dass er die gelbe Bestie nicht an sich heranlassen will, denn diese ist schlichtweg ekelhaft. Ich hasse den Sommer und den restlichen Dreck, der dazugehört, denn die Sonne ist ein völlig überbewerteter Drecksballon, der unter anderem Otto Normalverbraucher zum Flipflop tragenden und auf dem Balkon rumbrüllenden Vollpfosten transformieren lässt, der obendrein mit dem Gestank seines Holzkohlegrills die Luft verpestet.

 

Ich liebe stattdessen den Winter, die wunderschöne und erholsame Zeit, in der sich eben diese Typen hinter dem Ofen verschanzen und fortwährend jammern. Und sollte mir einer von denen krumm kommen… Alter, ich höre Black Metal und fackel´ nicht lang´, denn bin ich Millwall! Und zwar zu 120%! Damit das ein für alle Mal klar ist! Und wer jetzt immer noch wissen will, warum ein Fremder, der durch die Wüste reitet, einen Schirm aufgespannt? Marschieren Sie doch mal durch eine Landschaft, die 59.7 Grad Außentemperatur und eine unaufhörlich auf Ihr Haupt ballernde Sonne liefert! Was ist jetzt? Sie beherrschen doch das Kausalprinzip! Schirm ja oder Schirm nein?

 

Ich gebe Ihnen natürlich Recht, wenn Sie behaupten, dass der Anblick eines Cowboys mit Sonnenschirm innert eines italienischen Westernlichtspiels ein wenig befremdlich wirkt. Doch bedenken Sie, dass selbst der große Alejandro Jodorowsky diesen „Dresscode“ für sein visuelles 1970er Glanzstück präsentierte und einhergehend Bildkader resultieren ließ, die sich als eine unauslöschliche Institution innert der Zuschauersinne einnisteten. Denn wenn Cineasten und sonstige Krawallbrüder an Western, Wüste und Schirm denken, dann springt blitzartig „El Topo“ aus dem Gebüsch.

 

Tony Anthony sprang zwar nicht aus dem Gebüsch, aber er kehrte trotzdem ca. sieben Monate nach der Erstaufführung von „Ein Dollar zwischen den Zähnen“ als Fremder in die italienischen Lichtspielhäuser zurück. Für den bundesrepublikanischen Kinoeinsatz wurde er diesmal nicht vom großartigen Klaus Kindler, sondern vom noch großartigeren Michael Chevalier (dessen Stimme einem unendlichen Tongedicht gleicht) gesprochen, sodass der deutschen Bearbeitung eine besonders schmackhafte Würze verliehen wird. Eher unglücklich, um nicht unpassend zu schreiben, wirkt hingegen die Wahl, Raf Baldassarre (Chrysler) mit Barney Ernie Geröllheimer sprich Gerd Duwner zu besetzen

 

Während der Filmauftaktsphase wird dem Publikum, neben extrem schnellen Zooms, auch gleich eine typische Filmformel offeriert, die von den meisten Beobachtern nur beiläufig erfasst wird. Drei Gesetzlose (mit denen sich der Fremde anlegt) stürzen demgemäß nach ihrer Eliminierung in frisch geschaufelte Gräber respektive in einen Abgrund. Diese „Sturzflüge“ in die Tiefe werden als allegorische Bestrafung gedeutet und suggerieren natürlich den Absturz in die Hölle. Aber beachten Sie: der Gute beziehungsweise der Held beziehungsweise der Antiheld dürfen zwar erschossen werden, aber niemals in die Tiefe stürzen. Bei Nichtbeachtung werden nämlich sämtliche Konventionen auf den Kopf gestellt, denn genannte Personenkreise haben den Harry Angel-Sturz in Louis Cyphres ausgebreitete Arme nicht verdient!

 

Mit der Jagd nach Reichtum lässt sich der Fremde mit einer Bande von gefühlskalten und brutalen Desperados ein. Der Kampf gegen eine Übermacht, welcher den Antihelden in diverse knifflige Situationen befördert, aus denen er sich jedoch immer wieder herauswinden kann. Dass die Halunken sich gegenseitig reinlegen und einhergehend einen internen Missmut anheizen, kommt ihm (dem Fremden) natürlich gelegen. Dokumentiert wird das Geschehen von einem Prediger, den man als den einzigen Vertrauten des Fremden suggerieren kann und der sich als eine Art Hofnarr vorstellt. Auf diese Weise zieht er zwar das Gelächter der Desparados auf sich, kann jedoch deren Aggressionen entgehen. Ein gerissener (von Ihnen bestimmt nicht unterschätzter) Bursche, der einerseits gut ins Spiel passt und andererseits gut (von Marco Guglielmi) verkörpert wird. Auch weitere Kurzauftritte wie die von Ettore Manni als Lieutenant Stafford sowie Silvana Bacci als Jura können das Gesamtwerk bereichern. Silvana sieht übrigens klasse aus und sollte allen IW-Experten als das am Holzpfahl gefesselte Opfer innert „Django, der Rächer“ bestens bekannt sein.

 

Doch nun zu unserer Reflektorfigur, dem Fremden (Tony Anthony ist großartig), der unter anderem eine bestens abgestimmte Dosis Selbstironie liefert. So scheint er beispielsweise an den Anforderungen eine Zigarette zu drehen, beinahe zu resignieren. Und als er das seltsame Tabakkonstrukt letztendlich fertig gestellt hat, schnippt er dieses, nach einem unschmackhaften Lungenzug, in den Wüstensand. Ein nicht unwichtiger Faktor, da der Fremde mit dieser (etwas unbeholfen wirkenden) Handlung dem Bild des knallharten und unfehlbaren Antihelden widerspricht. Folglich gibt er dem Zuschauer das Gefühl, es wesentlich besser zu können, wodurch sich dieser in einer überlegenen Position wiegt. Dieser Klugscheißermodus hält beschriebenen Mechanismus allerdings nur so lang aufrecht, bis sich der Fremde schlussendlich auf die Tugenden des typischen Antihelden besinnt und ebenso gefühlskalt, wie seine Kollegen, zur (blutigen sowie bleihaltigen) Konfliktlösung ansetzt.

 

Ungeachtet seiner Haupt- und Reflektorfigur hält sich das Gesamtkonstrukt übrigens von den Techniken der Filmparodie, wie Überziehung, Verkleinerung, Verlagerung, fern. Letztgenannte Formel findet stattdessen im dritten „Stranger-Film“ „Der Schrecken von Kung-Fu“ ihre Anwendung, da die Ingredienzien des Italo-Western nach Asien verlagert werden, um dort mit denen des Jidai-geki zu kollidieren.

 

Fazit: Mit der Aussage „Well, heiliger Mann. Wir werden in Moon Village heute ein wenig Hölle spielen“ läutet der Fremde (s)einen Akt der Beseitigung ein, der allerdings nicht dem Rachemotiv, sondern dem Wunsch nach Reichtum geschuldet ist. Unter dem Strich bleibt ein kurzweiliges Gesamtprodukt, das bis in die kleinsten Rollen gut besetzt ist. Für die harten IW-Kerle ist „Western Jack“ selbstverständlich ein Pflichtprogramm, alle anderen dürfen allerdings auch gern reinschauen.

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