And the Crows Will Dig Your Grave

Italien | Spanien, 1971

Originaltitel:

Los buitres cavarán tu fosa

Alternativtitel:

Gringo, les aigles creusent ta tombe (FRA)

I corvi ti scaveranno la fossa (ITA)

Los cuervos cavarán tu fosa (ARG)

Wells Fargon sheriffit (FIN)

Regisseur:

Juan Bosch

Inhalt

Die Tochtergesellschaft der American Express Company - Wells Fargo - will den stetig wachsenden Überfällen auf ihre Goldtransporte entgegen wirken. Demzufolge nimmt das Unternehmen einige kaltblütigen Killer wie dreckige Halunken unter Vertrag, damit die frisch rekrutierte Zweckgemeinschaft den für die Diebstähle Hauptverantwortlichen, einen gewisser Glenn Kovacs, unschädlich macht. Jeff Sullivan (einer der angeheuerten Prämienjäger, der seinen neuen „Kollegen“ in methodischer als auch kognitiver Hinsicht um viele Schritte voraus ist) macht sich umgehend auf den Weg zu einem Straflager, um dort den Gefangenen Dan Barker freizukaufen. Barker soll Sullivan zu Kovacs führen. Doch Barker ist ein solchermaßen cleverer Bursche, dass er selbst Sullivan überlisten und sich aus den Klauen des Bounty Hunters befreien kann. Die Jagd nach dem Flüchtigen beginnt. Neben Sullivan heften sich allerdings auch Pancho Corrales und seine grenzdebile Schurkenschar an Barkers Fersen, was zahlreiche Leichen erahnen lässt.

Review

Ich weiß, ich schreibe häufig was zur Auftaktsmusik, was auf Dauer dem täglich grüßenden Murmeltier gleichkommen mag. Doch AND CROWS WILL DIG YOUR GRAVE bietet, wie viele andere italienische Western, nun mal einen Score, der zumindest ein Quäntchen Zuwendung verdient hat.

 

Was mittels Streichinstrumenten und Flötentönen seinen Anfang nimmt, mündet kraft eines Klavieranschlags und dem Spiel einer akustischen Gitarre in eine melancholische Melodie, aus der sich simpel erlauschen wie enkodieren lässt, dass es sich um eine Komposition aus der Feder von Bruno Nicolai handelt. Jenes Leitmotiv dringt in angenehmer Weise in die Ohren der Zuhörer und vermittelt simultan einen Widererkennungswert, der der Komposition (die auch Elemente eines Poliziotteschi-Scores in sich trägt) eine gewisse Unvergänglichkeit bescheinigt. Im weiteren Verlauf des Scores kommt es notabene zu einer Tonfolge, die dem Zuschauer ein bestimmtes Ereignis ankündigt. Und dieses akustische Warnsignal klingt abermals unverkennbar nach Nicolai, der diese Technik respektive diese Tonfolge auch in SARTANA – NOCH WARM UND SCHON SAND DRAUF als auch in SPIEL DEIN SPIEL UND TÖTE, JOE eingesetzte. Schablonen lassen sich halt nicht immer vermeiden, wenn es darum geht, die Quintessenz musikalischer Codes erfolgreich zu konservieren.

 

Die Filmhandlung spielt nach dem Ende des Sezessionskriegs. Die Zeit in der zahlreiche Outlaws ihr Unwesen trieben. Ich könnte jetzt von William Quantrill, Bill Anderson und Jesse James berichten, belasse es allerdings bei einer Erwähnung, da ich in anderen IW-Besprechungen oft genug auf die genannten Personen angesprochen habe. Aber wo wir gerade beim Thema sind: Sie sollten immerzu im Hinterkopf behalten, dass den südeuropäischen Regisseuren und Produzenten die historische Korrektheit ihres IW-Outputs nicht wirklich am Herzen lag.

 

Demgemäß reflektiert die Wells Fargo, dereinst das führende Express-Unternehmen in Kalifornien und 10 Jahre später mit 180 Niederlassungen im gesamten Westen vertreten, in Juan Boschs Western nicht mehr als einen Anlass, um die Colts emsig rauchen zu lassen. Die italienischen Westernregisseure haben - ungeachtet ihrer eben angesprochenen historischen Unkorrektheit - sehr selten den Stoff der amerikanischen Historie ausführlich beleuchtet, womit sie sich deutlich von den Handhaben ihrer amerikanischen Kollegen unterscheiden. Diese (Jack Nelson, Alvin J. Neitz, Del Andrews, George Waggner) setzte sich bereits in der Stummfilmzeit mit der Wells Fargo auseinander. Die bekanntesten US-amerikanischen Wells Fargo Lichtspiele, entstanden jedoch erst in der Tonfilmzeit. Wer Interesse hat, der sollte nach Frank Lloyds FRISCO EXPRESS (1937), George Shermans DIE SCHWARZE MASKE (1948) und - auch wenn die Entdeckungsaussichten eher gering sind - Alan Rafkins RITT ZUM GALGENBAUM (1967) Ausschau halten.

 

Mit dem Einritt des Antihelden erfahren wir, dass die Wells Fargo mit Diebesgesindel nicht zimperlich umgeht. Einem Erhängten wurde ein Schild angeheftet, das die Lynchaktion legitimiert. Sie reflektiert Quittung wie Warnung, denn die Wells Fargo bestiehlt niemand ungestraft. Anschließend fängt die Kamera das Ortsschild „Denville“ ein. Wir können jetzt frank und frei spekulieren, ob dieser Ortschaftsname tatsächlich von den Filmverantwortlichen ausgewählt wurde oder ob sich ein Rechtschreibfehler eingeschmuggelt hat. Die Stadt Denville liegt im Bundesstaat New Jersey, ergo an der Ostküste der USA, was meines Erachtens nicht den optimalen Rahmen der Filmhandlung liefert. Ich vermute, dass einer der Handlanger den Wegweiser mit dem Namen Daville bepinseln sollte, was den Beauftragten jedoch an seiner minder vorhandenen Konzentration scheitern ließ. Daville liegt im Bundesstaat Virginia, womit wir uns rein handlungstechnisch im Süden des Landes wieder finden. Warum ich mich an so etwas hochziehe? Nun, um die bereits erwähnte historische wie zeitweise auch geografische Unkorrektheit der italienischen Filmverantwortlichen noch einmal zu betonten.

 

Der erwähnte Antiheld, Jeff Sullivan, tritt im feinen Zwirn in Erscheinung und erweckt den Anschein, dass er dem rassistischen Süden entstammt. Ein äußerlich gepflegter Zeitgenosse, der seine Gegner mit stechendem Blick fixiert und nicht mit unnötigen Erklärungen rumfackelt, aber im Eifer seiner Gefechte hin und wieder den Kürzeren zieht - was zumeist Dan Barker geschuldet ist. Ein pfiffiger Bursche, der gut bei den Frauen ankommt und in stressigen Situationen einen kühlen Kopf bewahrt.

 

Im Kontext der angedeuteten Tiefenentspanntheit ist ein (düster inszenierter) Moment interessant, in dem der Hilfssheriff (Jerry) Barker zum Pistolenduell provozieren will. Barker weicht der Situation aus, indem er den Revolvergurt abschnallt und auf den staubigen Stadtboden gleiten lässt. Es herrschte im realen Westen das Gesetz: Wer auf einen unbewaffneten Mann schoss, war der Vergeltung durch Angehörige, Freunde oder Tatzeugen ausgeliefert. Keiner der Täter hatte eine Chance der Vergeltung, die hin und wieder bereits am Tatort stattfand, zu entgehen. Einen unbewaffneten Mann zu erschießen, war demgemäß nicht nur eine Todsünde, sondern reiner Selbstmord.

 

Der Sternenträger Jerry ist freilich nicht der einzige Zeitgenosse, der meint, er könne im Zeichen des Gesetzes auftreten wie die Axt im Walde. Da sind nämlich noch Pancho Corrales und seine dreckigen Helfershelfer (sollten diese einer Kugel zum Opfer fallen, hat Pancho blitzschnell Ersatz parat), die allesamt den Stern der Wells Fargo tragen, für Ordnung sorgen sollen und primär Kopfgelder einstreichen wollen. Der von Fernando Sancho verkörperte Pancho Corrales reflektiert einen action- wie allegorischen dog-heavy, der jedoch nicht – wie es die Regel besagt - mit offener Begriffsstutzigkeit und Wutanfällen (die er an seinen Untergebenen entlädt) beim Publikum Gelächter und Zuneigung provoziert. Corrales ist nämlich ein extrem hinterhältiger wie feiger Sauhund, der seine Kontrahenten mit unzähligen Worten in die Unachtsamkeit quatscht, um ihnen anschließend eine Kugel in den Rücken zu jagen. Vermutlich der hinterfotzigste aller IW-Sanchos.

 

Weitere fiese Fisimatenten liefert AND CROWS WILL DIG YOUR GRAVE mittels einer Bardame, deren Gesangseinlage von vorne bis hinten nicht lippensynchron ist, sowie einer besonderen Art des Fesselns, welche an die Stelle des handelsüblichen Seils einen Stacheldraht treten lässt - autsch.

 

 

Fazit: AND CROWS WILL DIG YOUR GRAVE ist wie GOD IN HEAVEN... ARIZONA ON EARTH ein weiterer Western von Juan Bosch, der beweist, dass das südeuropäische Westernkino auch in den 1970ern sehr wohl was zu sagen hatte. Dabei trennt sich der Regisseur gar von einem üblichen Klischee und lässt seinen Antihelden nicht als ungepflegten Westerner, sondern als einen schnieken Texaner auftreten, der sich hin und wieder die allegorischen Trümpfe aus der Hand nehmen lässt und somit die zweite Geige im stiefelländischen Todesorchester spielt. Was in Erinnerung bleibt, ist ein vorzüglich besetzter Italo-Western, der seinem früh aktivierten wie unnachgiebig pulsierenden Rhythmus über die gesamte Spielzeit treu bleibt.

Kommentare (1)

  • Frank Faltin

    Frank Faltin

    11 Juni 2022 um 12:42 |
    Grinder hat mir mitgeteilt, dass ein bundesdeutscher Kinostart unter der Firmierung JEFF SULLIVAN - SENKRECHT ZUR HÖLLE geplant war, aber (leider) nicht realisiert wurde.

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