Aquarius - Theater des Todes

Italien, 1987

Originaltitel:

Deliria

Alternativtitel:

O Pássaro Sangrento (BRA)

A Noite do Medo (POR)

Bloody Bird

Sound Stage Massacre

Stage Fright

Stagefright: The Theatre of Death

Regisseur:

Michele Soavi

Inhalt

In einem alten Theater probt der tyrannische Regisseur Peter mit seiner Truppe ein “intellektuelles Musical“. Die Aktrice Alicia hat einen kaputten Knöchel und stiehlt sich davon in ein Krankenhaus, welches sich allerdings als psychiatrische Klinik entpuppt, in dem der frühere Schauspieler und jetzige Massenmörder Irving Wallace festgehalten wird. Festgehalten? Nicht ganz, denn in genau dieser Nacht kann der Psychopath entkommen und heimlich mit Alicia zurückkehren zum Theater. Dort, hinter verschlossenen Türen, beginnt dann das große Sterben …

Autor

Maulwurf

Review

Früher gab es in Deutschland für die Zulassung zum Zivildienst ja eine Gewissensprüfung, in der idiotische Fragen gestellt wurden, die dann möglichst pazifistisch zu beantworten waren. Die Älteren werden sich bestimmt noch mit Gänsehaut erinnern. Eine dieser Fragen könnte auch auf AQUARIUS zutreffen: „Stellen Sie sich vor, sie sind in einem abgeschlossenen Theater. Vor Ihnen steht ein maskierter Massenmörder mit laufender Kettensäge, sie haben eine Axt in der Hand. Was machen Sie?“ Michele Soavis Lösungsansatz (und übrigens auch damals die korrekte Antwort): Ein Gespräch beginnen …

 

Wer sich an solcherart Handlungsablauf nicht stört wird bei AQUARIUS sicher seine helle Freude haben. Schließlich geht es hier nicht um die realistische Darstellung psychopathischer Gewalt unter besonderer Berücksichtigung ärmerer Gesellschaftsschichten, und es geht auch nicht um einen dokumentarischen Abriss des Gesundheitszustandes von Schauspielern. Nein, es geht einzig und alleine um eines: Ums Schnetzeln. Und das ausgesprochen unterhaltsam!

 

Grundsätzlich ist die Slasherwelle der 80er-Jahre ja ziemlich spurlos an mir vorüber gegangen. All die Jasons, Freddies und wasauchimmers haben mich weder im Kino noch daheim jemals interessiert. Selbst Mario Bavas hochgelobtem IM BLUTRAUSCH DES SATANS konnte ich nicht viel abgewinnen. Aber hier hat es plötzlich geschnackelt. Woran kann das liegen? 

 

Ein Grund ist auf jeden Fall, dass Soavi sich in seinem Erstling ganz klar am großen Dario Argento orientierte, mit dem er unter anderem bei PHENOMENA (als Regieassistent) und bei OPERA (als Second Unit Regisseur) zusammenarbeitete. Argento war zu dieser Zeit eine ziemliche Größe im Filmschaffen, und dass sich ein junger Ehrgeiziger die Werke des Meisters zum Vorbild nimmt ist nur logisch und verwundert nicht. Schadet das? Nein, ganz im Gegenteil! In Punkto Schnitt, Kamerafahrten oder Perspektiven zeigte Soavi schon damals was in ihm steckt, und generell ist das Thema Stimmung hier ein ganz großer Pluspunkt. Durch die sowieso bereits vorhandenen Kulissen des Theaterstücks und die entsprechende Ausleuchtung kommen einige Set Pieces sehr beeindruckend zur Geltung. Alles wirkt hochgradig künstlich, und wenn gegen Ende hin Federn über das vollkommen stille Bühnenbild mit den drapierten Leichen und dem ermatteten Killer wirbeln, dann weht sogar ein Hauch von LADY SNOWBLOOD durchs Bild, und es wird eine eiskalte und messerscharfe Atmosphäre erzeugt, in der jeder Schritt des Final Girls den Zuschauer erbeben lässt. Der Originaltitel DELIRIA ist hier Programm, erzeugt Soavi doch mit ganz einfachen Mitteln delirierende Bilder des Wahns und der fortschreitenden Auflösung der Normalität.

 

Der Score ist rein prinzipiell unauffällig-düster und passt erstklassig zum Geschehen, aber an einer Stelle überholt Soavi seinen Mentor dann tatsächlich: Der Killer jagt das Final Girl zu lauter Rockmusik über einen Beleuchtersteg. Ich vermute, dass ich nicht der einzige bin, der Argentos Einsatz von lauter und harter Rockmusik in PHENOMENA zumindest stellenweise ausgesprochen deplatziert fand. Nun, hier passt es. Hier passt es so gut und erzeugt dermaßen Spannung, dass ich mir, um einen Vergleich zu bemühen, 30 Jahre nach Entstehen des Filmes denke, dass ein Quentin Tarantino die Szene möglicherweise ähnlich gedreht hätte. Und bei allen Defiziten die man Tarantino zugestehen kann, ein Händchen für die gelungene Verbindung von populärer Musik zu starken Bildern und die damit verbundene Erzeugung von Stimmung hat er auf jeden Fall.

 

Bei den schauspielerischen Leistungen gibt es nichts zu meckern, vor allem David Brandon (CALIGULA 2) präsentiert sich erstklassig als vorwiegend profitorientiertes Oberarschloch, und Giovanni Lombardo Radice, der in Streifen wie DER SCHLITZER oder ASPHALT-KANNIBALEN so überzeugend den freundlichen Psychopathen von nebenan gegeben hat, ist hier als schwule Nervensäge kaum zu erkennen (ohne die Auflistung in der OFDB hätte ich Stein und Bein geschworen, dass Radice hier gar nicht mitspielt, so anders kommt er hier rüber). Die anderen Darsteller sind mal mehr und mal weniger Bekannte des italienischen 80er-Jahre Genrekinos, mal mehr und mal weniger nervig (so attraktiv Joanne Smith auch ist, aber das Dauergekreische geht tierisch auf den Senkel!), allerdings fällt mir beim Recherchieren auf, dass fast alle etwas gemeinsam haben: Sie spielen in Joe D’Amatos Sex-Melodram ELF TAGE, ELF NÄCHTE mit. Ob das vielleicht der wahre Grund für das Blutbad sein mag? Mochte der Mörder den Film von Onkel Joe vielleicht nicht?

 

So oder so ist AQUARIUS ein kleines, schmutziges (Richtiger: blutiges) Stückchen Schredderkino mit einer sehr stimmigen und ansprechenden Stimmung und erstklassiger Machart, welches durch das Können seines Regisseurs locker den Sprung vom durchschnittlichen Hackefilmchen zur ernsthaften Metzelsuppe mit Anspruch zur guten Unterhaltung schafft. Gerade die Szenen rund um die Morde sind erstklassig und sauspannend inszeniert. In Punkto Dichte und Atmosphäre ziehen sich hier beim Zuschauen ernsthaft die Gedärme zusammen. Ob Soavi den italienischen Wehrdienst verweigert hat entzieht sich allerdings meiner Kenntnis. Genauso das Wissen um die Gründe, warum der Film in in vielen Ländern AQUARIUS genannt wurde …

Autor

Maulwurf

Filmplakate

Links

OFDb
IMDb

 

 

Bitte Kommentar schreiben

Sie kommentieren als Gast.