Bleigericht

Italien, 1968

Originaltitel:

Dio li crea... Io li ammazzo!

Alternativtitel:

Deus os Cria, Eu os Mato (BRA)

Dios me perdone, su vida es mía (ESP)

Dieu les crée, moi je les tue (FRA)

Blei(ch)gesicht (DDR)

God Made Them... I Kill Them (USA)

God Forgives: His Life Is Mine

Deutsche Erstaufführung:

05. Juni 1970

Regisseur:

Paolo Bianchini

Drehbuch:

Fernando Di Leo

Inhalt

Der Revolverheld und Lebemann Slim Corbett wird nach Wells City gerufen, um eine Serie von Banküberfällen aufzuklären, die die Kassen der Stadt in verdächtiger Regelmäßigkeit leert. Schnell wird klar, dass die Übeltäter in den höchsten Kreisen zu suchen sind, was Corbetts Gegenspieler umso gefährlicher macht...

Review

Im Gegensatz zu seinen Nachfolgern DJANGO – ICH WILL IHN TOT und DJANGO SPRICHT KEIN VATERUNSER spielt Paolo Bianchinis Western-Premiere ausnahmsweise ohne Bürgerkriegshintergrund, sondern den Evergreen des einsamen, schwarzgekleideten Revolverhelden im Kampf gegen höhergestellte Halsabschneider in einer korrupten Stadt.

 

Dabei kommt der blondgelockte (Gun-)Man in Black wie ein Schlagerbarde aus der ehemaligen DDR daher. Was daran liegen könnte, dass der als „Red Elvis“ berüchtigte Amerikaner und bekennende Marxist Dean Reed im Laufe seines wirklich abenteuerlichen Lebens (bedauerlicherweise inklusive tragischem Ende) tatsächlich auch eine Zeitlang als Schlagerbarde in der ehemaligen DDR tätig gewesen war. Anfang der Siebziger ist der Schauspieler und Sänger nämlich den weniger frequentierten Weg über die Mauer geklettert, hat Gassenhauer wie „Wir sagen ja“ geträllert und ist dann und wann auch mal zu Pferde auf die Bühne geritten. Somit ist Dean Reed neben dem französischen Chansonsänger Johnny (FAHRT ZUR HÖLLE, IHR HALUNKEN!) Hallyday sowie dem Beatle Ringo (BLINDMAN) Starr der dritte musizierende Revolvermann im Western all’italiana, der mir so spontan einfällt.

 

Dean Reed spielt Slim Corbett, einen gestriegelten Kopfgeldjäger mit Manieren, Kultur und gar einer kleinen Hausbar im Pferdewagen. Er wirkt ein bisschen wie Roger Moore (zugegebenermaßen für etwas Ärmere), aber genau wie einem James Bond (oder dem echten Dean Reed seinerzeit in Chile) liegt ihm die Damenwelt vom Saloon bis in die höchsten Kreisen zu Füßen. In Wells City lässt er nicht nur Colt und Charme sprechen, sondern ermittelt auch in einer Serie von Banküberfällen, deren Drahtzieher er im Umfeld der Stadtoberen vermutet. Während Sheriff, Richter, Bankdirektor und der örtliche Großgrundbesitzer ins Visier genommen werden, findet sich immer noch Zeit, abends im Saloon das Tanzbein mit den Groupies zu schwingen.

 

Wer allerdings mit einem gepflegten Whodunit rechnet, muss sich leider auf einen ratetechnischen Trockenfick einstellen. Überraschende Twists sind beim BLEIGERICHT so rar gesät wie die Lacher in ZWEI TROTTEL GEGEN DJANGO. Den bösen Buben grinst die Niedertracht dermaßen penetrant aus der Fresse, dass ein einziger Blick in die Runde der Verdächtigen genügt, um zu wissen, wer in Wells City Dreck am Stecken hat und wer nicht.

 

Während in den eingangs erwähnten DJANGO – ICH WILL IHN TOT und DJANGO SPRICHT KEIN VATERUNSER noch auf gepflegte Härte gesetzt wird, erzählt Bianchini seinen ersten Western noch mit mehr Augenzwinkern. Einmal verstieg sich Bianchini in die Ansicht, er habe mit BLEIGERICHT den komödiantischen Italowestern noch vor Colizzi aus der Traufe gehoben, doch diese Meinung dürfte er exklusiv haben. Bei allen ironischen Einlagen und klamaukigen Schlägereien, die sein Film dann und wann zum Besten gibt; der Humoranteil erreicht zu keiner Zeit ein Maß, indem man Gefahr laufen würde, sich in einem vorweggenommenen DIE RECHTE UND DIE LINKE HAND DES TEUFELS zu wähnen.

 

Formell erinnert der Film viel mehr an Gicca Pallis SARG DER BLUTIGEN STIEFEL, in welchem Gianni Garko als eleganter Detektiv und Bounty Killer Silver einen ähnlichen Part wie Reed in BLEIGERICHT bekleidet. Zwar singt Reed oberlässig das auf den italienischen Originaltitel bezogene Hauptthema „God creates them...I kill them“, aber wo Garko seinen Silver durchgängig lebemännisch cool interpretiert, hat der Slim Corbett des roten Elvis bisweilen etwas vom gelacktem Schleimbolzen. Was dem puristischen Fan, der seine Revolverhelden am liebsten dreckig und dreitagebärtig sieht, die Akklimatisierung im BLEIGERICHT durchaus erschweren könnte.

 

Trotz blondgelockter Fönfrisur und gelegentlicher Kalauerei gibt Bianchinis Westerndebüt – und das wiederum dürfte den Bleiopergänger all’italiana besänftigen- sowohl Blutzoll als auch die eine oder andere Lektion in Sachen Sadismus zum Besten. Zum Ende hin verflüchtigt sich sowohl der Humor als auch das Eau de Cologne und der Showdown wird obligatorisch in härterer Gangart gefahren.

 

Von der zeitgenössischen Kritik wurde Bianchinis BLEIGERICHT ziemlich gnadenlos als entbehrlicher Klischee-Western verrissen. Nimmt man den momentanen Wasserstand auf der imdb von glatten 6,0 Punkten als Maßstab hat sich der Film heutzutage zumindest auf gutes Durchschnittsniveau rehabilitiert.

 

Dabei ist BLEIGERICHT weder besonders innovativ (Tatsächlich gab es Detektivspiele und selbstironische Brechungen schon in früheren Genrewerken) noch Bianchinis Bester (Meiner bescheidenen Meinung nach gebührt diese Ehre DJANGO - ICH WILL IHN TOT); trotzdem bekommt man annehmbare Genreunterhaltung geliefert - übrigens mit einer gewohnt großzügigen Portion Martell’schen Overacting; denn der gute Pietro Martellanza ist auch am Start.

 

Darüberhinaus werkelten weitere verdiente Namen des italienischen Genrekinos mit: Die Kamera führte Sergio D’Offizi, der Ende der Siebziger, Anfang der 80er von WOODOO bis GEISTERSTADT DER ZOMBIES jedes der vier großen Blut- und Madenepen von Lucio Fulci auf Film gebannt hat und das Drehbuch hat niemand Geringeres als Fernando di Leo verfasst.

Veröffentlichungen

Als Teil der zweiten Italowestern-Enzyklopädie hat Koch Media in Sachen Bild und Ton (deutsch, italienisch) beim BLEIGERICHT einmal mehr tadellose Arbeit geleistet. In den Extras findet sich ein hochinteressantes Interview mit einem äußerst auskunftsfreudigen Paolo Bianchini, der unter anderem über den Beginn seiner Karriere und seiner Freundschaft zu Hauptdarsteller Dean Reed erzählt. Darüberhinaus weiß er natürlich einiges über BLEIGERICHT und extrem Brisantes zum Tode des für Uncle Sam politisch äußerst unbequem gewordenen Schauspielers zu berichten. Zusammen mit einer weiteren Featurette, Trailern und Bildergalerien addiert sich das zu äußerst spannendem Bonusmaterial auf einer empfehlenswerten DVD.

Links

OFDb

IMDb

 

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