Die Falle

Frankreich | Italien, 1968

Originaltitel:

La morte ha fatto l’uovo

Alternativtitel:

Death laid an egg (GB)

La mort a pondu un oeuf (FR)

Deutsche Erstaufführung:

3. Dezember 1971

Regisseur:

Giulio Questi

Inhalt

Eigentlich hat der Eierfabrikant Marco (Jean-Louis Trintignant) alles was man sich wünschen kann: Eine schöne Frau die ausschaut wie Gina Lollobrigida, ein Verhältnis mit der zuckersüßen Cousine seiner Frau, und Geld wie Heu. Dumm nur, dass das Geld tatsächlich seiner Frau Anna gehört, die auch die Firma besitzt und überhaupt in allen Belangen die Hosen anhat. Um seine Frustrationen abzubauen hat Marco sich ein Hobby zugelegt: Er ermordet Huren. Aber kein Hobby ohne Spielverderber – eines Tages wird er beobachtet …

Autor

Maulwurf

Review

Giallo, Der. Italienisches Filmgenre der späten 60-er bis 90-er Jahre, in dem reihenweise schöne nackte Frauen blutigst ermordet werden. Weitere „herausstechende“ Merkmale: Der Mörder trägt schwarze Handschuhe, die Löcher in der Logik sind mindestens so groß wie das italienische Haushaltdefizit, und die Auflösung ist verwirrend.

 

Und wer das glaubt ist selber schuld, denn gerade in den ausgehenden 60-er Jahren wurden Gialli, also Krimis und Thriller jedweder Coleur, äußerst einfalls- und  abwechslungsreich umgesetzt. Von eher hausbackenen Krimimoritaten à la TÖDLICHES ERBE über fast psychedelisch anmutende Streifen wie FEMINA RIDENS bis hin zu politisch-sozialen Kunstfilmen wie eben DIE FALLE. Alles unter dem Oberbegriff Giallo wohlgemerkt, und damit als Genre- bzw. Unterhaltungsfilm „gebrandmarkt“. Eine Vermischung von leichter Unterhaltung und, bezogen auf DIE FALLE,  scharfer Anklage, so etwas gab es wahrscheinlich nur im Film der Jahre 1968 bis etwa 1972/73, in der Zeit des politischen und kulturellen Aufbruchs, danach gewann die leichter klassifizierbare Trennung wieder die Überhand. (Wobei die Jahreszahlen eher auf einem Gefühl basieren, da lasse ich mich mit Freuden eines besseren belehren …)

 

DIE FALLE ist somit neben der spannenden Mörderhatz also auch eine bittere Anklage auf die moderne Nahrungsmittelproduktion einerseits und das Leben der sogenannten besseren Gesellschaft andererseits. Aber was für eine Anklage! In bester Nouvelle Vague-Manier werden dem Zuschauer Collagen entgegengeschleudert, untermalt von dissonanter und meist sehr hektischer Musik, werden die Hauptdarsteller durch Schnittfolgen gehetzt bei denen der Zuschauer mitdenken muss um den Anschluss nicht zu verlieren, und werden in scharfen Dialogen gesellschaftliche Verwerfungen offengelegt dass dem kritisch denkenden Menschen das Herz aufgeht. Und das alles, wie bereits erwähnt, im Mantel eines Krimis!

 

Jean-Luc Godards WEEKEND wird wahrscheinlich eine der Inspirationen Giulio Questis gewesen sein, aber auch der im gleichen Jahr entstandene EINS PLUS EINS, ebenfalls von Godard, fällt mir ein, der mit seinen Bildcollagen Stimmungen erzeugen und gleichzeitig Denkmuster durchbrechen will. Dazu ertönt dissonante Musik für Cello und Gitarre, die nur in den seltensten Momenten klassische Harmonien streift, aber sofort wieder in die Atonalität fällt. Für von Ennio Morricone oder Stelvio Cipriani verwöhnte Ohren ein Graus, aber im Kontext mit den Bildern und der Geschichte eine perfekte Zusammenstellung. Wie in WEEKEND oder auch in Questis eigenem, ein Jahr früher entstandenen TÖTE, DJANGO, untermalen die Bild- und Klangfetzen hier eine amoralische und verkommene Welt, die eigentlich nichts anderes im Sinn hat als ihren eigenen Reichtum zu mehren, und zwar um jeden Preis. Die Eierfabrik wird technologisch auf den neuesten Stand gebracht, und dass das schreckliche Arbeitervolk bei der Gelegenheit gehen muss passt der Chefin da ganz gut. Das Hühnervolk bzw. deren Eierproduktion wird mit Bossa Nova-Musik auf Vordermann gebracht, und als der angestellte Biologe es endlich schafft, eckige Hühner (zum besseren Stapeln) ohne Kopf und ohne Flügel zu produzieren, da ist die Freude groß.

 

Marco hat sich in dieser Welt gut eingelebt, zieht er doch ausschließlich Vorteile aus diesem Arrangement. Erst bei den kopflosen Hühnern rebelliert er, wird ihm bewusst wie sehr er diesen Hühnern ohne eigenen Kopf und ohne Flügel ähnelt. Aber als Befreiungsschlag kann man diese kleine Rebellion trotzdem nicht ansehen, ist doch sein Plan zur Lösung der verfahrenen Situation, die von ihm gelegte FALLE, bereits eingefädelt. Was Marco nicht weiß, und was sich auch dem Zuschauer erst allmählich offenbart, ist, dass noch ein weiterer Plan einer andern Person existiert, eine andere FALLE aufgebaut ist. Und bei aller scheinbaren Tändelei des Drehbuchs, das uns längere Zeit sowohl Marcos Morde, sein verkorkstes Eheleben als auch seine Liebeleien zeigt, trotzdem sind die Fallstricke gelegt die sowohl Marco wie auch den Zuschauer erbarmungslos in den Abgrund ziehen.

 

OK, der Vorwurf des abstrakten Films der in erster Linie von Kunststudenten genossen werden kann, dieser Vorwurf ist nicht ganz von der Hand zu weisen. Zu stark sind die Ähnlichkeiten zu hochartifiziellen Filmen von beispielsweise Alexander Kluge oder dem bereits erwähnten Jean-Luc Godard. Aber die Krimihandlung, die unterschwellig erzeugte Spannung, das allmähliche Aufdecken der doppelbödigen Handlung, das unterscheidet DIE FALLE dann eben doch von reinem Kunstkino.

 

Wer also umherschleichende Schlitzer und haufenweise aufregende nackte Damen sehen möchte, der ist hier komplett falsch. Wer intelligente Thriller mit Zeitkolorit der späten 60-er Jahre und hohem Kunstanspruch mag, der ist bei DIE FALLE goldrichtig. Ja, der Film ist nicht ganz einfach in seiner Visualisierung, und die Musik ist vorsichtig ausgedrückt anstrengend. Aber gerade diese beiden Punkte passen zu dem Gesamtkunstwerk DIE FALLE wie ein Ei zu einem Becher, und genauso wie bei einem Ei ergeben die einzelnen Bestandteile ein geradezu perfektes Meisterwerk. Denn die besten Thriller sind meist diejenigen, bei denen man erst am Ende erkennt wie raffiniert der Plan bzw. der Plot aufgebaut war, sich ein Aha-Effekt einstellt und man den Film am liebsten gleich noch mal sehen möchte. So ein Film ist auch DIE FALLE, wenngleich der böse Twist gegen Ende noch mal zusätzlich eine Schippe drauflegt. Der Tod hat ein Ei gelegt (so die Übersetzung des Originaltitels), und zwar buchstäblich …

 

Fazit: Ein Film wie ein Ei. Außen eine harte und abweisende Schale, innen eine perfekt durchdachte  und gut schmeckende Freude für den Feinschmecker.

Autor

Maulwurf

Veröffentlichungen

Als DVD und Blu-Ray veröffentlicht von Illusions Unltd, zusammen mit DIE MÜHLE DER JUNGFRAUEN auf einem Bildträger unter dem Titel Giallo Double Feature. Der Ton liegt auf deutsch mit englischen Untertiteln vor und ist sehr gut. Das Bild ist leider etwas verwaschen und lässt des Öfteren eine gewisse Schärfe vermissen. Für eine VÖ dieser Preisklasse allerdings geht das Bild mehr als in Ordnung. Seltsam nur, dass der Co-Film DIE MÜHLE … offensichtlich erfolgreich bearbeitet wurde, denn dieser wirkt erheblich brillianter.

 

Als Extras gibt es den italienischen Originaltrailer, eine Bildergalerie und ein Booklet mit einem Text von Christian Kessler. Des weiteren einen Schnittvergleich zwischen der italienischen und der vorliegenden Fassung. Offensichtlich waren die Jungs und Mädels bei Illusions sehr bemüht eine Art Integralfassung zu erstellen. Insgesamt also Daumen rauf für die VÖ dieser seltenen Films!

Autor

Maulwurf

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