Junge Mädchen zur Liebe gezwungen

Italien, 1978

Originaltitel:

La settima donna

Alternativtitel:

La séptima mujer (ESP)

La dernière maison sur la plage (FRA)

Terror (USA)

The Last House on the Beach (USA)

The Seventh Woman

In den Klauen des Schakals

Verflucht zum Töten

Deutsche Erstaufführung:

30. November 1984

Regisseur:

Franco Prosperi

Inhalt

Aldo, Mario und Nino haben eine Bank überfallen und sind nun auf der Suche nach einem Unterschlupf. Satans Fügung will es, dass das Trio ausgerechnet in einer Villa landet, in der Ordensschwester Christina und ein paar junge Mädchen ein Studienseminar abhalten. Ein Paradies für Aldo und seine Jungs, denn Mario ist (lt. eigener Aussage) spitz wie Nachbars Lumpi und Nino feuert die Potenzbestie an. Der Terror nimmt seinen Lauf. Gibt es einen Ausweg für die lieben Internatschülerinnen? Oder werden Nino und Mario sie zu Tode quälen?

Review

Sie verkörpern Brutalos und Psychos. Sie sind charismatische Typen mit Ecken und Kanten. Sie nennen sich Leonardo Tanzi, Thirtytwo, Giulio Sacchi, Nick Lanzetta…, die harten Kerle der italienischen Lichtspiele, die jeder Genrefreak zum Kumpel haben möchte. Diese Filmrabauken (waren und) sind den Schönlingen (zumindest in der Gunst männlichen Publikums) um einiges voraus. Eine kleine Ausnahme bildet ein eiskaltes Duo, das die Öfen der Verbrecherwelt überhitzte und dabei nicht minder gemeinschaftsschädigend (als die erwähnten Charakterfressen) zu Werke ging: Marc Porel und Ray Lovelock. Ca. zwei Jahre nach „Eiskalte Typen auf heißen Öfen“ konnte Ray als Bankräuber, Mörder und Geiselnehmer (Aldo) in Franco Prosperis „Junge Mädchen zur Liebe gezwungen“ ein weiteres Mal für „brasilianischen Fußballzauber“ à la Ansgar Brinkmann sorgen.

 

„Junge Mädchen zur Liebe gezwungen“ aka „Verflucht zum Töten“ ist ein gutes Beispiel für die Vielseitigkeit des italienischen Genrekinos. Drei skrupellose Bankräuber fallen in eine Villa voller hübscher, junger Mädchen ein…, das klingt nach viel Sex und noch mehr Sleaze! Ersteres kommt in Form von Vergewaltigung und Erniedrigung zum Einsatz, letzteres jedoch nicht. Der Film ist (wider Erwarten) kein optischer Schmuddelpriester und präsentiert einen, für einen derartigen Plot, eher atypischen und sehr farbintensiven Look. Der hellgrüne Schrank, die himmelblauen Zimmerwände, der dunkelblaue Bodenbelag, ein rosa Kleid… das wirkt, wie das musikalische Leitmotiv, äußerst „Gialloesk“.

 

Obwohl das Erscheinungsbild von der Norm eines konventionellen Italo-Terror-Bastards abweicht, müssen wir auf eingehende Menschenverachtung (in Wort und Bild) natürlich nicht verzichten. Die bereits angedeuteten Vergewaltigungsszenen hinterlassen einen üblen Nachgeschmack. Auch wenn die Kamera auf Details verzichtet, wirken die Großaufnahmen von Gesichtern sehr abstoßend. Mit der Darstellerauswahl: Flavio Andreini und Stefano Cedrati, trifft Prosperi „ins Schwarze“. Diese beiden Antagonisten bewegen den Rezipienten (spätestens nach der „Stockszene“) zu starken Emotionen. Hass macht sich breit, und dessen Auslösern wird ein möglichst qualvoller Tod gewünscht. Klasse, denn solche Gemütsbewegungen sind unverzichtbar für einen Terrorfilm. Im Kontrast zu den beiden dauergeilen Widerlingen steht Aldo. Ein Typ der, auf den ersten Blick, weniger in das Ganoventrio passt. Der Zuschauer wird allerdings schnell erkennen, dass Aldo seinen beiden Kollegen in nichts nachsteht. Prinzipiell ist er, aufgrund seiner dubiosen, wie obskuren Verhaltensweise, noch eine ganze Ecke ekliger. Diese Aldos, die dir das Blaue vom Himmel versprechen und dich letztendlich nur in die Scheiße manövrieren, werden wir alle aus dem realen Leben kennen. Somit gelingt es dem Regisseur weitere Berührungspunkte zu servieren, sodass der Hass (für den Rezipienten) jederzeit greifbar ist. Der Film gewinnt durch das Mitwirken von Ray Lovelock, Flavio Andreini und Stefano Cedrati eine Dimension, die über das hinausgeht, was Drehbuch und Regie leisten können. Richtig schön asozial.

 

„Wenn du die Polizei rufst, schlag ich dich tot, du Penner!" (Ansgar Brinkmann)

 

Die Terrorszenen spielen sich überwiegend innerhalb von Räumlichkeiten ab. Dem Zuschauer wird dabei einiges abverlangt. Um ihm ein wenig Zeit zum Luftholen zu gönnen, präsentiert uns Cristiano Pogany einige pittoreske Außenaufnahmen, die beruhigenden Urlaubsportraits nahe kommen und an Vittorio Berninis Fotografie innerhalb „La sorella di Ursula“ erinnern. Weitere interessante Einstellungen werden während des Banküberfalls geboten. Die Kamera fängt die Ganoven von der Hüfte abwärts ein. Anstatt auf die Mimik, setzt man auf die Bewegung der Beine. Auch diese Einstellungen können uns einiges über die jeweiligen Personen verraten.

 

„Junge Mädchen zur Liebe gezwungen“ zeigt sich als ein durchweg spannender Genrefilm. Prosperi lässt die Situation (bewusst) langsam eskalieren um sein Pulver nicht zu schnell zu verschießen. Die Einbindung des Rezipienten funktioniert (wie ich bereits ansprach) hervorragend. Man ist zugleich fasziniert wie angewidert.

Gleichlaufend zum expandierenden Kesseltreiben im Nymphenschuppen beweist die deutsche Bearbeitung, dass ein Leben ohne Michael und Uwe: schier langweilig wäre. Das nahezu unschlagbare Duo beschert uns erneut zahlreiche poetische sowie durchweg Frauenverachtenden Dialoge. Die Stichmacher sind auf freudiger Suche nach schwesterlichen Fahrgestellen und jungfräulichen Schäfchen. Danke Jungs!

 

Fazit: Franco Prosperis „Orgie des Terrors“ verfolgt (wen wundert das?) keine ästhetisch-moralischen Ziele. Der Film spielt mit dem Hass seiner Rezipienten und lässt die Opfer so reagieren wie man es von ihnen erhofft. Das die Mädels die Methoden ihrer Peiniger annehmen ist selbsterklärend und lässt den Zuschauer die sadistische Inszenierung des Finales umso mehr genießen.

 

„Junge Mädchen zur Liebe gezwungen“ zählt zu den Höhepunkten des italienischen Exploitation-Output der 1970er Jahre. Ein Postprinz des Terrorfilms, der dem globalen Genrekönig „im letzten Haus links“ zwar keine große Konkurrenz, aber zumindest ein klein wenig Feuer unter dem Arsch macht.

 

PS: Wer einen ähnlichen Terrorstoff (jedoch mit vertauschten Rollen) sichten möchte, dem empfehle ich „Im Knast der perversen Mädchen“. Etwas zahmer als „Junge Mädchen zur Liebe gezwungen“, aber nicht minder asozial.

Veröffentlichungen

Meine Erstbegegnung mit „Junge Mädchen zur Liebe gezwungen“ hatte ich vor dem Bochumer BALI-Kino. Der Film fiel mir eigentlich nur auf, da er mit einem „reinen“ Schriftplakat (ohne jegliches Bildmaterial) beworben wurde. Der darauf präsentierte Wortlaut kam beinahe einer RAF-Fahndung nahe. Da hat Schier eine werbetechnisch gute Arbeit abgeliefert.

 

Vor ca. neun Jahren konnte ich während einer Filmbörse im Düsseldorfer Stahlwerk die („Verflucht zum Töten“) DVD von sazuma.com ergattern. Die Bild- und Tonqualität sind sehr gut. Als Extras gibt es den Filmsoundtrack, sowie einen schönen Text von Christian Keßler der uns darüber aufklärt, dass es sich beim Regisseur Franco Prosperi nicht um den gleichnamigen Dokumentarfilmer („Mondo Cane“) handelt. Zwischenzeitlich ist der Film von Wild Dogs auch auf Blu-ray erschienen.

Filmplakate

Links

OFDb
IMDb

 

 

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