Kameliendame 2000

Italien, 1969

Originaltitel:

Camille 2000

Alternativtitel:

La dama de las camelias (VEN)

Forbidden Love

Deutsche Erstaufführung:

01. Mai 1970

Regisseur:

Radley Metzger

Inhalt

Aus beruflichen Gründen verschlägt es Armand Duval (Nino Castelnuovo) nach Rom, wo er von seinem Freund Gastion (Roberto Bisacco) in die feine Gesellschaft eingeführt wird. Bei einem Besuch in der Oper begegnet er Marguerite Gautier (Danièle Gaubert), die von allen nur "Kameliendame" genannt wird. Sofort ist er von ihrer Schönheit angezogen, sodass er sich schließlich Hals über Kopf in sie verliebt. Doch die exzentrische Frau hat hohe Ansprüche und bevorzugt hauptsächlich solvente Liebhaber, die ihr ein exklusives Leben finanzieren. Nach einigen Startschwierigkeiten verliebt sich Marguerite sogar zum ersten Mal in ihrem Leben in ihren Verehrer und eine Zeit des Glücks beginnt für beide, welches jedoch nur von kurzer Dauer ist, denn Armand kann das teure Leben und Marguerites geheim gehaltene Drogensucht nicht finanzieren. Als dann auch noch sein Vater (Massimo Serato) auftaucht, um sie zur Rede zu stellen, kommt es zu einem schwerwiegenden Entschluss...

Autor

Prisma

Review

Dieser von Radley Metzger inszenierte Film gilt als eines der weitgehend skandalösen Werke der End-Sechziger und trägt die typische Handschrift des Regisseurs, der erneut einen in allen Belangen großartigen Unterhaltungsfilm und darüber hinaus eine übersinnliche Adaption, beziehungsweise Variation eines Klassikers abgeliefert hat. Seine Filme mit erotischem Grundgehalt wirken häufig wie Kunstwerke, die so überragend choreografiert wirken, dass man es manchmal kaum glauben kann. Metzgers Gespür für Zeitgeist, oder diesem sogar einen ordentlichen Schritt voraus zu sein, zahlt sich hier vollkommen aus, auch seine offensive Angriffslust gegenüber dem Zuschauer wirkt sehr erfrischend. Bilder und der Inhalt wirken nahezu zeitlos, ja, es ist einfach ganz großes Kino was man mit "Kameliendame 2000" geboten bekommt.

 

Die Handlung ist wie so häufig zeitlich fiktiv, dennoch entsteht der Eindruck, dass es die Beteiligten Personen tatsächlich gibt, nein, geben muss, denn es entsteht das Gefühl, dass man ähnliche Bekanntschaften selbst schon einmal gemacht hat, gleiche Situationen im Grunde genommen schon einmal selbst erlebt hat und die geschilderten, so sicher transportierten Emotionen ebenfalls kennt. Aufgrund dieses empfundenen Transfers funktioniert diese erotische Reise trotz zahlreicher Umkehrreaktionen sehr effektiv. Die Exposition ist hier tatsächlich sehr gewagt, wenn auch im geschmackvollsten Rahmen den man sich vorstellen kann. In diesem Zusammenhang muss die vereinnahmende Präsenz von Danièle Gaubert erwähnt werden, bei deren Verve es einem buchstäblich die Sprache verschlägt.

 

Die 1943 geborene, französische Schauspielerin sorgte nicht nur mit ihrer Freizügigkeit, sondern auch immer wieder mit ihrem Privatleben für Schlagzeilen und verstarb bereits 1987, schrecklich früh im Alter von nur 44 Jahren. Hier darf man sie in der Titelrolle bewundern und sie übt eine enorm hohe Faszination aus und das nicht nur auf die Personen im Film. Ihre Attraktivität geht mit der von Partner Nino Castelnuovo eine bemerkenswerte, aber vor allem glaubhafte Allianz ein, die Interaktion wirkt symbiotisch, dies in allen Facetten des jeweiligen Verhältnisses. Marguerite ist die Frau für Jedermann, der sie sich leisten kann, ihre Fassade wirkt perfektioniert, bis ungeahnte Komplikationen auf sie zukommen. Das unter Umständen gefährliche Prinzip: »Liebe auf den ersten Blick verkürzt die Zeit«, zeichnet Nino Castelnuovo sehr überzeugend, sehr nachvollziehbar und sehr sicher und man ahnt bei allem Sein oder Schein dennoch, dass alte Gewohnheiten und Capricen eventuell doch nicht so schnell abgelegt werden können.

 

Für den Zuschauer wirkt diese Konstellation nicht nur berauschend, sondern gleichzeitig verwirrend, was für eine durchgehende Aufmerksamkeit sorgt. Der erweiterte Cast erfreut mit bekannten Gesichtern, jede einzelne Interpretation kommt hier einen Präzisionsauftritt nahe. Ausschlaggebend für das Ansehen des Films war damals (wie in anderen Fällen übrigens auch) die großartige Eleonora Rossi-Drago, deren Name einfach wie Musik klingt. Bereits etwas in die Jahre gekommen, spielt sie die oberflächliche, wenn auch irgendwie mütterlich wirkende Freundin von Marguerite und es handelt sich erneut um einen Auftritt der bloßen Präsenz einer Schauspielerin, die stets mit den Begriffen Überzeugungskraft und Verlässlichkeit in Verbindung gebracht werden kann. Was allerdings unterm Strich zurückbleibt und den Verlauf dominiert, ist die makellose Schönheit und die Unbändigkeit von Hauptdarstellerin Danièle Gaubert.

 

"Kameliendame 2000" ist ein besonders packender Beitrag des italienischen Kinos der späten Sechziger geworden, verdient daher in jeder Hinsicht Anerkennung. Dieser Film punktet mit herrlichen Bildkompositionen, sinnlichen Veranschaulichungen die gerne auch einmal progressive Wege einschlagen, die geschmackvolle Abhandlung des Themas wirkt bei aller Herkömmlichkeit dennoch außergewöhnlich. Der Zuschauer wird zum innocent bystander in einem Konglomerat aus Realität und Traum, Poesie und Prosa, Bekanntem und Unbekanntem. Wieder einmal beweist die Regie ein beinahe unfehlbares Gespür dafür, präzise Psychogramme der Frau zu erstellen, die hier dem Empfinden nach Anteile einer jeden hat. Was der gefühlvolle und facettenreiche Soundtrack von Piero Piccioni bewirkt, ist schon beachtlich und von handwerklicher Seite lautet das Prinzip dass es zwar auch klassisch, aber vor allem ausgefallen zugehen soll.

 

Viele der verwendeten Bild-Spiegelungen wirken wie der Blick durch ein Kaleidoskop, das Setting nimmt mit viel Fantasie und Liebe zum Detail richtiggehend spektakuläre Formen an. Szenen wie beispielsweise die Sex-Orgie in einer Art Kerker, in dem sich alle Gäste irgendwann in Handschellen, oder in der Horizontalen wiederfinden, verbreiten ganz dem Titel des Films entsprechend und vor allem für damalige Verhältnisse visionäre Tendenzen. Ob man sich das Jahr 2000 damals tatsächlich so vorgestellt hat? Wenn ja, besteht eindeutig Nachholbedarf und die Gesellschaft müsste sich Rückständigkeit vorwerfen lassen. Mit "Kameliendame 2000" hat Radley Metzger jedenfalls einen atemberaubenden Kunstfilm kreiert, der ketzerisch mit Klischees jongliert und die Oberflächlichkeit sarkastisch umkehrt. Sein Film ist aus so vielen Gründen sehenswert, vor allem aber, weil er auch heute noch begeistert. Einfach nur umwerfend!

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Prisma

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