Scipion l'africain (FRA)
Escipión, el africano (ESP)
Scipio the African
The Defeat of Hannibal
Scipio, der Afrikaner
Hannibal hat den Römern in der Schlacht von Cannae eine vernichtende Niederlage zugefügt. Rom sinnt auf Rache! Und die Vergeltung scheint bereits in greifbarer Nähe, denn der Feldherr Scipio ist bereit gen Karthago zu marschieren, um Hannibal in den Kampf und einhergehend die Knie zu zwingen. Doch zuvor muss Scipio die dazu benötigte Berechtigung erlangen und zum Konsul von Sizilien ernannt werden.
Obwohl König Viktor Emanuel III. Benito Mussolini 1922 zum italienischen Ministerpräsidenten ernannte und die italienische Regierung 1926 in eine Diktatur überging, die das Römische Reich liebend gern ideologisierte, lässt sich innert dieser Dekade keine italienische Filmproduktion ausmachen, die eben diese Ideologie entsprechend feiert. Lichtspiele wie „Messalina“ (1923), „Quo Vadis“ (1924) sowie Alessandro Blasettis „Nerone” (1930) verbreiteten stattdessen Dekadenz, Niedertracht und Gewalttätigkeiten! Vom Glanz des antiken Rom war demgemäß nichts registrierbar. Ähnlich verhielt es sich mit der italienischen Filmindustrie, die beileibe nicht jenen Glanz inkludierte, der den Goldenen Zwanzigern, den anni ruggenti, gemeinhin zugesprochen wird. Ließ sich deren Filmoutput 1924 noch mir 61 beziffern, so sank dieser Wert zum Ausklang des Jahrzehnts auf mickrige 10 Produktionen. In der dritten Dekade des 20. Jahrhunderts legte das faschistische Regime allerdings sein Augenmerk verstärkt auf das Medium Film, denn Mussolini hatte (mehr oder weniger von seinem 1925er „Ben Hur“-Trauma genesen) dessen Propagandapotential erkannt und half der angezählten Filmindustrie mit Finanzspritzen auf die Beine. Die Filmproduktionen steuerten fortan höhere Zahlen an. Doch obwohl, wie bereits erwähnt, das Römische Reich den Faschisten als Vorbild diente, um den italienischen Nationalstaat sukzessiv zu einer imperialen Größe zu verhelfen, spielten die italienischen Historienschinken vornehmlich vor dem Hintergrund der Renaissance bis hin zur Belle Époque. Gerade mal zwei italienische Filme befassten sich in den 1930er Jahren mit der römischen Antike. Dabei gilt es unbedingt zu beachten, dass diese Filme nicht von der orgiastischen wie dekadenten Kaiserzeit, sondern von den heroischen Tagen der Republik berichten: „Gli ultimi giorni di Pompei“ (1937) und die Erstgeburt der Cinecittá Filmstudios, welche zugleich den einzigen reinrassigen römischen Monumentalfilm des Faschismus versinnbildlicht und simultan die kolonialen Bestrebungen Mussolinis in Afrika propagandistisch unterstützte wie rechtfertigte: „Karthagos Fall“.
Auch wenn sich dieses lichtspielerische Propagandaprojekt deutlich an Leni Riefenstahls „Triumph des Willens“ orientierte, können die Bildkompositionen von Ubaldo Arata und Anchise Brizzi nicht mit dem Zauber von Riefenstahls Montage, die Bewegung und Musik zu einer verführerischen audiovisuellen Einheit, einem harmonischen Pas de Deux zwischen Körper und Klang, formte, konkurrieren. Damit will ich die Bildkompositionen sowie Oswald Hafenrichters Montage in keiner Weise abwerten und erst recht nicht als den Indikator für den damaligen Misserfolg, der „Karthagos Fall“ an den italienischen Kinokassen nun mal beschieden war, apostrophieren. Die Ursache für jene finanzielle Bauchlandung lässt sich eher mit der, von der damaligen Kritik vorgeworfenen, faden Inszenierung sowie der reservierten Performance des Hauptdarstellers (Annibale Ninchi in der Rolle des Publius Cornelius Scipio) begründen. Ninchi kann meines Erachtens den Ansprüchen, welche die Rolle des enthusiastischen Feldherrn von ihm forderte, beileibe nicht gerecht werden und Mussolini, der übrigens dem realen Scipio Africanus nicht unähnlich sah, bezeichnete den Mimen nicht zu Unrecht als „schlappe Visage“.
Ähnlich wie innert epischer und monumentaler US-Produktionen, die das Filmpublikum mit einer virtuosen Ouvertüre begrüßen, treten wir von einer elanvollen Fanfare begleitet in Gallones Vehikel ein. Unser erster Weg führt uns auf ein Schlachtfeld, das mit Toten übersät ist. Auf der rechten Seite des Bildkaders vollzieht sich eine Bewegung die das römische Feldzeichen mit der Aufschrift S.P.Q.R. (Senatus Populusque Romanus) mit letzter Kraft in die Höhe streckt, um die unsterblichen Seelen der gefallenen Legionäre zu bündeln und ihnen den Weg zu den Göttern zu weisen. Diese eindringliche, möglicherweise von Hans Bohrdts Gemälde „Der letzte Mann“ beeinflusste Bildkomposition, wird mit den Worten „Rache für Cannae“ geschlossen, was den Heldentod weidlich hochstilisiert und zugleich die Dringlichkeit einer Vergeltung fordert. Scipio, der große Feldherr, rückt den Vergeltungswunsch des römischen Volkes in greifbare Nähe. Schließlich ist Scipio mit seiner Ernennung zum Senator von Sizilien berechtigt nach Afrika zu ziehen, um Karthago anzugreifen und Roms Todfeind, Hannibal, aus Italien fortzulocken, denn es ist, gemäß Scipio, besser den Krieg in Feindesland zu tragen, als die Heimat zum Schlachtfeld zu machen. Aussprüche solcher Art fruchten freilich beim Volk, sodass die patriotischen Bürger motiviert mit und für Scipio in den Krieg ziehen wollen. Demgemäß folgen die unzähligen Freiwilligen aus allen Teilen des Landes, ähnlich den wandernden Zimmermännern, mit einem Lächeln sowie einem Lied auf den Lippen dem Aufruf ihres innig geliebten Führers.
„Scipio ist beliebt bei seinem Heer, während du überall gehasst wirst!“ Jene an Hannibal gerichteten Worte lassen den Zuschauer flink die deutliche Divergenz zwischen den beiden genannten Feldherren erfassen. Diese Methode, die unmissverständliche Kategorisierung in Gut und Böse, wird im weiteren Filmverlauf intensiviert, um den Zuschauer für das propagandistische Konzept, das hinter dem Film steckt, zu gewinnen. Dabei spielt selbsterklärend die Figurenzeichnung eine bedeutende Rolle. Im Gegensatz zu Scipio wird Hannibal als ein rigoroser Barbar und seine Mannen als vergewaltigende und versoffene Söldner, denen jeglicher Idealismus abgeht, dargestellt. Die einhergehend mithilfe von Nahaufnahmen intensivierte Präsentation jener Gesichter erinnert an eine Verfahrensweise wie sie Antipathie evozierende NS-Propagandafilme wie beispielshalber „Der ewige Jude“ dokumentieren. Was eine Bildsprache reflektiert, die Verblendung, Verführung und Goebbels`sche Hetzkampagnen in Einklang bringt, um den Hass des Zuschauers zu schüren und ihm das eindeutige Feindbild, an dem sich seine brodelnde Animosität entladen kann, zu liefern. Die Darsteller dieser negativ gefärbten Figuren transportieren eine einseitige, aber ausdrucksstarke Mimik, die Hässlichkeit wie Aggressionen fortwährend regieren lässt und vom Zuschauer allumfassend negativ rezipiert wird. Obwohl den Antagonisten keine Schauspielkunst abverlangt wird, muss man sagen, dass sie mehr Charisma versprühen als es die Darbietung des Annibale Ninchi als Scipio vermag. Ich will mich allerdings nicht weiter an Ninchi hochziehen und komme viel lieber auf Francesca Braggiotti in der Rolle der Sophonisbe, der Tochter des karthagischen Feldherrn Hasdrubal, zu sprechen. Braggiotti wird von der Kamera nahezu liebkost und die resultierenden Bilder lassen die gebürtige Florentinerin als ein Hybid aus Brigitte Helm, nach ihrer Transformation von Maria zum Maschinenmenschen („Metropolis“) und Claudette Colbert als Cleopatra in Cecil B. DeMille´s homonymen Filmwerk aus dem Jahr 1934, erscheinen. Mit Francesca Braggiotti ist auch eine der interessantesten Bildkompositionen verknüpft, die „Karthagos Fall“ zu bieten hat. Sophonisbe blickt in einen Kelch und inspiziert auf der Oberfläche der enthaltenen Flüssigkeit ihr Spiegelbild, was zugleich ihre Begegnung mit dem eigenen Tod reflektiert. Ein Orakel, dass der giftige Becherinhalt auch zu bestätigen weiß.
Doch nun weg von den Protagonisten und zurück zum Film, der mit zahlreichen eindeutigen Akzenten durchsetzt ist, welche ein starkes Führertum zelebrieren und im letzten Filmdrittel immerzu ein inbrünstiges „Sieg oder Tod“ erhallen lässt. Es ist der Aufruf zur elementaren Schlacht, die über die Zukunft des Imperiums entscheiden wird sowie das Bekenntnis zu einer Treue, die über den Tod hinaus Bestand hat. Diese in Kritiken stets positiv erwähnte, finale Schlacht wurde mit einem für damalige Verhältnisse großen Aufwand inszeniert und offeriert ein immenses Statistenaufgebot. Die Einzelkämpfe wurden rasant montiert und durch den Einsatz von Halbnah-, Nah- und Großeinstellungen intensiviert. Analog werden immerzu per Weit- und Totaleinstellung die verfeindeten Heerscharen gezeigt, die sich in einem enormen Tempo aufeinander zu bewegen. Die deutlich langsameren Bewegungen der Kriegselefanten erfahren anhand der vor ihnen fahrenden Kamera die Wirkung eines Rollkommandos. Neben den echten Elefanten setzten die Verantwortlichen übrigens auf Rüsseltiere aus Pappmache, die auf Karren montiert und mithilfe von Seilen bewegt wurden. Leider kann ich davon nicht viel erkennen, was großer Wahrscheinlichkeit nach dem fehlenden Filmmaterial, die deutsche DVD-Version läuft 86 Minuten, was, sofern man den Internetquellen Glauben schenken darf, einer Differenz von 25 Minuten im Vergleich zur Originalversion ausmacht, geschuldet ist. Ich bin kein Fan von Filmschlachten, aber was die Verantwortlichen hier gezaubert haben, konnte mich fortwährend beeindrucken.
Fazit: „Karthagos Fall“ setzte seine psychologischen Propagandamechanismen erfolgreich ein, um die historischen Figuren so zu zeichnen wie es seine faschistischen Indikatoren erwarteten. Auch wenn die Bildkompositionen nicht die Ausdruckskraft von „Triumph des Willens“ erreichen, lassen sich die von Carmine Gallone angestimmten Töne in denselben schrillen Klangmustern nieder, sodass der faschistische Boden die propagandistische Saat mit Freuden aufnahm. Jene Langatmigkeit, die „Karthagos Fall“ gern vorgeworfen wie negativ angekreidet wird, kann ich, zumindest was die gekürzte bundesrepublikanische Version anbelangt, nicht bestätigen. Wer sich für Propagandafilme und deren seduktive Mechanismen interessiert, der sollte einen Blick riskieren.
„Karthagos Fall“ wurde im Frühling 2020 von Big Ben Movies inklusive der deutschen Kinosynchronisation, aber bedauerlicherweise ohne weitere Extras auf DVD veröffentlicht. Die Bildqualität entnehmen Sie bitte den obigen Screenshots. Die Laufzeit der deutschen Kinoversion konnte ich nicht eruieren, da ich bisher keine Antwort vom Bundesarchiv erhalten habe.
Neuste Kommentare
Simon
24. Februar, 2024 | #
Hallo.
Wenn ich den Film im O-Ton schauen möchte, verstehe ich es richtig, dass die Originalsprache Englisch ist, obwohl es sich um...
KLAUS SCHMITZ
12. Februar, 2024 | #
ICH SUCHE DIESEN FILM UND MÖCHTE IN UNBEDINGT NOCH EINMAL SEHEN-BIN EIN RIESEN FAN
Angela
06. April, 2023 | #
Ich wollte fragen ob man diesen Film,,Inzest ,,auch als DVD kaufen kann. Liebe Grüße
DF
15. Januar, 2023 | #
Wenn ich fragen darf, wo gibt es eine Kopie des Films? Irgendwelche Online-Ressourcen?
André
26. Dezember, 2022 | #
Ich suche den schon länger vergeblich. Gibt es irgendeine Möglichkeit, den auf DVD zu bekommen?
Gerald Kuklisnki
19. Dezember, 2022 | #
Inzwischen gibt es eine französische Blu-ray von Pulse. Die Disk enthält "Je brule de partout" in Französisch mit englischen...