König der Seeräuber

Frankreich | Italien, 1960

Originaltitel:

Morgan il pirata

Alternativtitel:

Le capitaine Morgan (FRA)

Morgan el pirata (ESP)

Morgan the Pirate (USA)

Der Hai der sieben Meere

Deutsche Erstaufführung:

29. September 1961

Inhalt

Die fesche Gouverneurstochter, Doña Inez, ist während ihres Sklavenmarktbummels von der Effektivität der Peitschenhiebe, welche man dem Engländer, Henry Morgan, verabreicht, derart abgestoßen, dass sie mächtig viele Taler in den Erwerb des stattlichen, für jegliche Herkulesarbeit prädestinierten, Burschen investiert. Seinen Sklavenstatus hat Henry Oliver Cromwell, der seinen (Henrys) Vater hinrichten ließ, zu verdanken. Morgan ist ebendaher ein einst wohlhabender und nun zumindest noch überaus attraktiver junger Mann, der in Doña Inezs eine gewisse Sympathie entfesseln konnte. Doch ihre ersten zarten Annährungen werden bei Hofe denunziert und Morgan zur lebenslangen Zwangsarbeit auf den Galeeren verurteilt. Dort wo Hunger, Durst sowie unbändiger Hass regieren, soll schon bald ein Aufstand ausbrechen, der die Sklaven in den Piratenstatus und Henry zu ihrem Anführer delegiert. Ihr erstes gemeinsames Ziel wird Tortuga, die Insel der Piraten, auf der Captain Morgan auch postwendend mit alten Bekannten zusammentrifft.

Review

Nachdem ich mich zuletzt mit Freuden auf „Die Vergeltung des roten Korsaren“ gestürzt habe, setzte ich meine Seereise mit einem weiteren Film unter der inszenatorischen Leitung von Primo Zeglio: „König der Seeräuber“, fort. Die Internetportale ordnen dem Vehikel als weiteren Regisseur André De Toth, der in den 1940ern und 1950ern überaus produktiv im Land der unbegrenzten Möglichkeiten zu Werke ging, zu. Inwieweit sich der gebürtige Ungar in die Gestaltung einbrachte, kann ich nicht beantworten, womit ich das lästige Jonglieren mit Castangaben auch ad hoc beende. Wir sind schließlich, zumindest in unseren Herzen (!), allesamt smarte swashbuckler, die wild über die Meere ziehen, und keine biederen Finanzbeamten, die sich an banalen Tabellen und Zahlen hochziehen. In unseren Herzen wollen wir es krachen lassen, den Säbel schwingen, schöne Frauen verführen und saufen wie die Berserker! Hach, wie schön muss das Piratenleben doch gewesen sein!

 

Ein aufrechter und unerschütterlicher Geselle, der zum Sklaven und aus der einhergehenden Not heraus zum Führer der Seeräuber geboren wird, erinnert freilich an den wundervollen, von (J. Warren Kerrigan mal außer Acht gelassen) Errol Flynn verkörperten Captain Blood. Womit sich auch gleichzeitig die primäre Filminspiration dechiffrieren lässt, denn „König der Seeräuber“ zitiert (die Hauptfigur, das love interest, der Seekrieg zwischen England und Spanien, die Pirateninsel Tortuga, zwei konkurrierende Piratenkapitäne, etc.) emsig „Unter Piratenflagge“ und darf (das Wort „muss“ klingt mir zu totalitär) dieserhalb und desterwegen als ein Remake von Michael Curtizs Piratenglanzstück betrachtet werden.

 

Charaktere wie Peter Blood, der zivilisierte Pirat, besaßen eine recht stattliche cineastische Überlebenszeit, und wurden erst viele Jahre später durch einen sukzessiv verrohenden Typus peu à peu aus dem Fokus gerückt. Die Brutalität sowie Rücksichtslosigkeit dieser Piratencharaktere erlangte in den 1970ern ihren Höhepunk und verwies, ähnlich wie es die Antihelden der Italo-Western praktizierten, auf den Ausklang des Genres. Bis es soweit war, durften allerdings noch manche Blumen im frühlingshaften Sonnenschein erblühen, um erst viele Sonnen wie Monde später dem Wintereinbruch zu erliegen.

 

Primo Zeglio pflanzte Anfang der 1960er mit „König der Seeräuber“ beileibe kein selbstgefälliges wie kurzlebiges Röslein, sondern eine winterresistente Pflanze, die man sich gern auf den Balkon stellt. Dieses dekorative wie gut gedüngte Gewächs („König der Seeräuber“) präsentiert sich als ein fortwährend ernsthaftes Piratenvehikel, das seiner überwiegend rauen Gangart bis zur letzen Minute treu bleibt. Die sporadisch absolvierten Sadismen werden zwar nicht deutlich ausgespielt, besitzen jedoch ein ausreichendes Potential, um die Vorstellungskraft der Zuschauer zu beflügeln.

 

Das personifizierte Kernstück des Films ist der von Steve Reeves verkörperte Charakter Henry Morgan. Ein Engländer, der dank Cromwell seinen Vater sowie seine Freiheit verloren hat, in die Zwangsdienste des Gouverneurs von Panama treten muss und nach einem Sklavenaufstand als Piratenkapitän auf Beutejagd geht. Trotz seiner schmerzlichen Vergangenheit entwickelt sich Henry Morgan beileibe nicht zu einem durch und durch blutrünstigen Egoisten, da ihn unter anderem das Werben um seine Herzensdame, Doña Inez, zu einem rezidivierenden Chargieren zwischen den Gefühlswelten animiert, sodass er für einen Barbaren etwas zu sensibel mutet. Diese Charakterbeschaffenheit erschwert dem Rezipienten, Henry Morgan als ein eindeutiges (!) Bindeglied zwischen den zuvor umrissenen Piratentypen (noch mal zur Erinnerung: der zivilisierte Freibeuter Marke Peter Blood sowie der später revoltierende, barbarisch gefärbte Seeräuber) zu erfassen.

 

Der Darsteller (Steve Reeves) dieses umfangreichen Charakters spielt seinen Stiefel humorlos (und überwiegend frisch rasiert!) runter, ohne dabei peinlich oder in irgendeiner Weise penetrant zu wirken. Steve (der einst die Rolle des Fremden in „Für eine handvoll Dollar“ ablehnte, da er sich nicht vorstellen konnte, das Italiener gescheite Western inszenieren können) war (ungeachtet dieser selten dämlichen Aussage) eh kein „Verkehrter“. Ich sehe ihn immer wieder gern in seinen Rollen als eingeölter Muskelmann, der tapfer gegen die Tyrannei antritt. Reeves nutzte freilich diese Blaupause, um auch in seiner Piratenrolle ab und an den blanken Oberkörper zur Schau zu stellen.

 

„König der Seeräuber“ deutet - zumindest ganz zart - das an, was spätestens (!) Mitte der 1960er zu einem festen Bestandteil der Seeräubervehikel wurde, denn Primo Zeglio bestückte seine „Fregatte“ mit einer bis dato eher selten im Piratenfilm anklingenden Härte und Depressivität. Folglich lässt die Inszenierung das Piratenleben nicht derart spielend leicht erscheinen, wie es zahlreiche amerikanische sowie italienische Nebenbuhler zuvor propagierten. Unter dem Strich steht und bleibt ein beachtenswertes Remake des Nonplusultras aller Piratenfilme (der phänomenale „Captain Blood“ von Michael Curtiz), das ich leichten Herzens zum attraktiven Output der italienischen Piratenfilme zähle und obendrein als Geheimtipp suggeriere.

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