Ringo - Such dir einen Platz zum Sterben

Italien, 1968

Originaltitel:

Joe... cercati un posto per morire!

Alternativtitel:

Ringo cherche une place pour mourir (FRA)

Oeste sin fronteras (ESP)

Find a Place to Die (USA)

Deutsche Erstaufführung:

20. Juni 1969

Inhalt

Lisa Martin kommt in Lederhose und enger Bluse nach Nido de Aguila, einem miesen Kaff voller Gestrandeter. Sie sucht Männer, die helfen sollen ihren Gatten zu retten. Der ist unter einem Haufen Steine eingeklemmt, irgendwo in der Sierra. Und auch wenn sie es nicht erwähnt, alle wissen es sofort: Es geht um Gold. Viel Gold, denn da draußen ist eine Goldmine. Aber da draußen ist auch das Land von Cato dem Banditen, und der macht generell keine Gefangenen. Und falls doch, hat sich noch jeder gewünscht einen schnellen Tod zu sterben. Trotzdem: Gold!! Der dem Selbstmitleid und dem Whisky anheimgefallene Ex-Soldat Ringo und ein paar andere geldgeile Halsabschneider reiten los, dem Manne zu helfen. Und das Gold einzusacken. Und dabei schneller zu sein als Cato. Ich darf verraten: Nicht alles geht nach Plan …

Autor

Maulwurf

Review

Kommt die Inhaltsangabe bekannt vor? Jau, das ist in Grundzügen der Inhalt des US-Klassikers GARTEN DES BÖSEN, von Henry Hathaway 1954 mit Gary Cooper, Richard Widmark und Susan Hayward in den Hauptrollen gedreht. Die amerikanischen Indianer mutieren zu hispano-italienischen Banditen, und ansonsten ist zumindest die erste Hälfte weitgehend 1:1 übernommen.

 

Na gut, so richtig 1:1 ist das freilich nicht. Immerhin vergleichen wir einen US-amerikanischen Edelwestern mit einem Italo-Massenprodukt kleineren Budgets. Das geht schon mal damit los, dass das US-Teil sehr gemütlich beginnt: Mit den Hauptdarstellern die aus einem Schiff aussteigen und sich gepflegt einen Mescal hinter die Binde kippen. Bei Carnimeo wird stattdessen bereits von Beginn an geballert und gestorben. Daniela Giordano kann mit Rita Moreno im Original ohne weiteres mithalten (im erotischen Sinn), allerdings hat die Moreno das mit Abstand bessere Lied bekommen. Zu was die Giordano da Luftgitarre spielt ist eher grenzwertig. Aber dafür passiert bei Hathaways Edeldingens dann die nächste halbe Stunde erstmal gar nichts mehr, im Gegensatz zum Italo-Vehikel: Da gibt es Reibereien ohne Ende, Pascal Petit steht in Lederhose und enger gelber Bluse da und macht einen auf puren Sex (neben der Giordano, die auch mal Kleingeld im Säckli direkt am Strumpfband verstaut und dafür Beine von hier bis El Paso zeigt. Susan Hayward präsentiert bei Hathaway ein sauberes Hemd und kommt ansonsten nur burschikos und unnahbar rüber.), und Jeffrey Hunter und Giovanni Pallavicino messen sich beim lustigen Hüterunterschießen (“Ich weiß überhaupt nicht ob Du schießen kannst, Du Heinrich“).

 

Leider ist danach ein wenig die Luft raus und man übt sich im Fidani’schen Durch-die-Gegend-reiten, “nur“ unterbrochen von einer Wasserprügelei im Dunklen, dem nackten Busen von Pascal Petit, und einem Opfer von Catos Sadismus. Was aber erheblich unterhaltender ist als die philosophischen Diskussionen in der amerikanischen Fassung. Diese Prügelei vor allem illustriert den Unterschied zwischen den Fassungen aufs Trefflichste: Gary Cooper verpasst Cameron Mitchell ein paar Faustschläge um ihn zur Räson zu bringen, anschließend hilft er ihm auf und teilt auch sein Wasser mit ihm. Komisch gebrochen wird die Szene dadurch, dass Mitchell bei jedem Schlag ins Feuer rollt, und so nach und nach eher einem Grillwürstchen ähnelt als einem jugendlichen Raufbold. In Italien ist das im Gegensatz dazu ein Kampf auf Leben und Tod, und es geht um eine Frau (was auch sonst). Jeffrey Hunter und Nello Pazzafini teilen aus was nur geht, und dass der Fight in einem Fluss stattfindet endet fast mit dem Tod eines der beiden. Unterschied klar? In den USA ist man bereits sauber, in Italien haut man sich zum Baden in einem Fluss halbtot. Oder so …

 

Irgendwann wird dann die Mine erreicht, und ab diesem Zeitpunkt gehen US-Film und Italo-Flick endgültig getrennte Wege. Wo im Edelwestern klassischer Provenienz endlich die bösen Apachen ins Bild rollen und die Seelenwelten der Hauptdarsteller erste Falten bekommen (von wegen Eifersucht und Liebe und solchen Wildwest-typischen Zutaten), da beginnt im B-Western überhaupt erst der eigentliche Film: Man erfährt, dass Cato sich das Gold aus der Mine unter den Nagel gerissen, und jetzt mit seinen Männern Nido de Aguila besetzt hat. Ringo hat Angst um seine Waffen, Paco um seine Daniela, und überhaupt: Das Gold!!!!!!

 

Was dann während des Schlusskampfes in den Ruinen des verkommenen Kaffs alles passiert mag ich hier nicht spoilern, aber eines kann ich sagen: Es ist an keiner Stelle langweilig! Ständig wird geballert was das Zeug hält, die Helden liegen mit den Stiefeln in den Petunien und sehen malerisch aus, die Bösen dezimieren sich gegenseitig (“Es sind nicht mehr als 4 Mann – Geh und mach sie fertig!“), und überhaupt ist mächtig Stimmung. Die hervorragende deutsche Synchro schafft es problemlos, die etwas weniger aussagefähigeren Stellen zu veredeln (“Dich bürste ich auf Du Untermensch, da staubt’s in der guten Stube“), während der Großteil des Films recht ernsthaft ist. Die Mischung ist geradezu perfekt austariert. Und auch wenn Jeffrey Hunter manchmal ausschaut wie ein besoffener William Shatner, mit Gert Günther Hoffmann auch noch den gleichen Synchronsprecher hat, und mit der knuffigen Pascal umgeht wie ein Vater mit seiner unartigen Tochter, so hat er doch auf jeden Fall genügend Präsenz um als ein Mann zu wirken, der weiß wo er seine Fäuste hinzusetzen hat. Genauso wie Adolfo Lastretti als Priester mit 2 Pistolen und Nello Pazzafini als Riese mit Zwergenanhang. (Um das zu verstehen bitte den Film anschauen. Den Sinn dieser Konstellation kann ich beim besten Willen weder verstehen noch erläutern.)

 

Ihr merkt schon, RINGO macht Laune und unterhält bestens, was man vom etwas langgezogenen und wie bereits erwähnt edlen Original nur bedingt behaupten kann. Einzig die Musik Gianni Ferrios empfand ich persönlich als nicht hitverdächtig, aber da habe ich auch schon Schlimmeres gehört. Kaufen tät ich mir den Soundtrack allerdings nicht. Aber die solid-düstere Grundstimmung, in der jeder gegen jeden kämpft, in der Verrat alltäglich ist und Folter zum Handwerkszeug sogar eines Priesters gehört, die sorgt schon für eine gehobene Wohlfühlstimmung beim Anschauen.

 

Bleibt noch die Frage nach dem tatsächlichen Regisseur. Der Film firmiert in den Datenbanken des Internets als von Giuliano Carnimeo gedreht, während zumindest im Vorspann der deutschen VHS dick und fett Hugo Fregonese steht. Laut IMDB hat Produzent Fregonese das Drehbuch geschrieben, die gebürtige Sizilianerin und Miss Italia 1966 Daniela Giordano hat aber mal erzählt, dass Fregonese wohl zumindest alle Szenen mit ihr gedreht hat. Und wenn man sich Carnimeos spätere Filme wie die Sartana- oder Halleluja-Filme anschaut, dann ist RINGO doch eine ganz andere Hausnummer. Härter, gradliniger, düsterer. Und ausgesprochen unlustig. Eine mögliche Hypothese wäre, dass Carnimeo nach den Vorgaben des Produzenten zu drehen hatte …

Komischer ist, dass Piero Lulli im Vorspann als Peter Lull firmiert, wahrscheinlich der langjährige Partner des berühmten Michael Lall. Und Jeffrey Hunter ist im Jahr nach RINGO bei einem Treppensturz ums Leben gekommen, was den Text des Liedes, das er zu Beginn krächzt (“Aus der Ferne kam ich her um ihn zu suchen, den Platz zum Sterben“) ein wenig prophetisiert. Und da wir gerade bei Jeffrey Hunter sind: Dass sein Charakter hier im Original drolligerweise Joe Collins heißt, zumindest zu Beginn des Films am Alkoholtropf hängt, und Jeffrey Hunter dies in Wirklichkeit wohl auch tat, das muss ja fast zwangsläufig zum Rezept des gleichnamigen und wirklich leckeren Cocktails führen:

 

Joe Collins 

5 cl Wodka
2 cl Zitronensaft
2 cl Zuckerrohr-Sirup
1 Spritzer Angostura
3 Spritzer Soda

 

Mit Eis in den Shaker, in ein Longdrinkglas abseihen, mit Soda auffüllen, und ab vor die Glotze, tolle Western anschauen!

Autor

Maulwurf

Veröffentlichungen

Für die Kinoauswertung fand sich ein großer Verleih in Form von Constantin, die deutsche Titelschmiede machte aus Joe einen Ringo und am 20.06.1969 kam es dann zur deutschen Erstaufführung. Die Synchro der Berliner Union Film GmbH & Co. Studio KG unter Regie von Brunnemann gibt zum Glück nicht zu 100% Vollgas, aber einige Kalauer wurden dann doch untergebracht. Ist aber alles noch im Rahmen. Die Sprecher wurden gut gewählt und G.G. Hoffmanns Stimme verleiht dem Ringo Charakter meines Erachtens erst die nötige Sympathie.

 

In den 1980er Jahren erfolgte die Videoauswertung für den Verleih via Greenwood, in den 1990er Jahren dann die Zweitauswertung als Kaufkassette (Starworld / Wonderworld). Die Fassungen sind mit einer Lauflänge von 84:28 Min. und einem Bildformat von 1,56:1 identisch und basieren auf demselben Master (englische Credits übrigens).
Leider fand das schöne deutsche Kinoplakat für keine der beiden Veröffentlichungen Verwendung. Während die Greenwood VÖ zumindest mit einem anderen schönen Motiv (eigens für die VHS erstellt?) aufwarten kann, gibt es bei Starworld/Wonderworld die übliche grafische Katastrophe. Zumindest die freigelegten Brüste der gezeichneten Damen wecken eine Assoziation mit dem Film. Die Kamera beobachtet Pascale Petit nämlich nach Ihrem Bad ausgiebig beim Ankleiden, so dass es zu einem ganz kurzen, in neudeutsch „Busenblitzer“ kommt.
Die Rückseite dieser VHS ist wie bei dem Label üblich mit Szenenfotos anderer Filme gespickt, in diesem Fall wurden fälschlicherweise Bilder aus Fidanis „Seine Waffe war Dynamit“ (ebenfalls bei Starworld/Wonderworld erschienen) verwendet.

 

Tele 5 hat 2007 und 2008 eine Fassung basierend auf einem italienischen Master ausgestrahlt, die Lauflänge ist mit den VHS identisch, das Bildformat mit 1,78:1 etwas breiter.
Rein vom Bild her dürfte die Tele 5 Fassung die bisher beste Fassung des Films darstellen, leider wird der Filmgenuss durch nervige Klingeltonwerbung gestört. Aber auch die alten VHS Tapes (zumindest meine) bieten nach wie vor überdurchnittliche Ton- und Bildqualität, auch wenn der OFDB Eintrag das Gegenteil aussagt.

Autor

Grinder

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