Der Windhund von Venedig

Frankreich | Italien, 1958

Originaltitel:

Venezia, la luna e tu

Alternativtitel:

Venice, the Moon and You (USA)

Deutsche Erstaufführung:

5. August 1960

Regisseur:

Dino Risi

Inhalt

Der venezianische Gondoliere Bepi (Alberto Sordi) steht eine Woche vor der Hochzeit mit Nina (Marisa Allasio), die er schon seit der Kindheit kennt. In Vorbereitung auf die Ehe will er Nina den Wunsch erfüllen, allen früheren Flirts ihre Geschenke zurückzugeben und künftig keine attraktiven, jungen Frauen in seiner Gondel mehr zu befördern. Doch Bepi kann es nicht lassen, und noch am selben Tag verlieben sich zwei amerikanische Touristinnen in ihn und wollen ihn heiraten. Und eines schafft Bepi einfach nicht: weder Nina noch Janet (Niki Dantine) oder Nathalie (Ingeborg Schöner) ein einziges Mal die Wahrheit zu sagen.

Review

Alberto Sordi war einer der größten und wichtigsten Darsteller Italiens. Punkt. Trotz einigen Auftritten in internationalen Produktionen wie DIE TOLLKÜHNEN MÄNNER IN IHREN FLIEGENDEN KISTEN (Those Magnificent Men in Their Flying Machines or How I Flew from London to Paris in 25 Hours 11 Minutes, 1965) gelang es ihm aber kaum, im Ausland beachtet zu werden. Sicher, man kennt seinen Namen, einige seiner Filme sind auch in deutschen Kinos gelaufen, doch wer könnte bei Nennung des Namens Alberto Sordi schon auf Anhieb einen Filmtitel aus dem Ärmel schütteln? Selbst ich, und ich schaue nun wirklich alles was nicht bei Drei auf den Bäumen ist, kenne gerade eine Handvoll seiner Filme. Um zu begreifen welche Bedeutung dieser Mann für das italienische Publikum hatte, braucht man nur einen Blick auf seinen Tod zu werfen: als Sordi am 24. Februar 2003 nach langer Krebserkrankung an Lungenentzündung und Bronchitis verstarb, versammelten sich eine Million Menschen vor der Lateranbasilika, um ihm die letzte Ehre zu erweisen.

 

In DER WINDHUND VON VENEDIG persifliert er das Image eines venezianischen Gondolieres. Er ist groß, hat dichtes, schwarzes Haar, singt für junge Touristinnen, flirtet auf Teufel komm raus, und längst gelingt es ihm nicht mehr, Beruf von Privatleben zu trennen. Hier gibt es zwei interessante Schlüsselszenen. In der ersten befinden wir uns in Bepis Heim, das direkt gegenüber von Ninas liegt. Es sind nur noch 7 Tage bis zu ihrer Hochzeit, und Bepi hat Nina versprochen, zuhause zu bleiben. Doch der Vollmond scheint, und Bepi ist rollig – und nicht nur er. Bepis Vater und Großvater, beide Ex-Gondoliere, fühlen genauso. Bei dem Gedanken an Vollmond und Frauen geben sie wohlige Grunzgeräusche von sich. Eine Erbkrankheit also.

 

In einer weiteren Schlüsselszene erfährt der Zuschauer, dass dies keineswegs eine Einbahnstraße ist. Als Bepi die amerikanischen Touristinnen Janet und Nathalie durch Casanovas dunklen Fluchttunnel führt, wird er bei beiden zudringlich, woraufhin die eine ihn küsst und die andere ihn ohrfeigt. Für Bepi scheint die Sache klar: die schwärmerische Nathalie wird ihn geküsst haben und die spröde, ablehnende Janet hat ihm eine gewischt. Doch er irrt sich. In bereits erwähnter Vollmondnacht auf dem Hotelbalkon der Amerikanerinnen gesteht ihm Janet, dass sie jede seiner Aktionen vorausgesehen habe, und auch wenn Bepi das nur instinktiv erfasst, Janet hatte ganz genaue Vorstellungen davon, wie es zu diesem romantischen Moment kommen sollte. Bepi erfüllt Erwartungen. Venedig, Liebe, Küsse, Wein und Gesang. Dass beide Frauen ihn nun aber heiraten wollen, erwischt ihn kalt.

 

Freilich ist das nur eine Urlaubsschwärmerei, und der einzig Schuldige ist Bepi, weil er einfach nicht weiß, wann und wie er diese Illusionen zu beenden hat. Der Gondoliere ist für den Zuschauer eine durchaus schwierige Figur, denn es werden nur einzelne, kurze Momente gestreut, die ihn und seine wirkliche Liebe zu Nina verständlich machen. Aber auch Nina ist nicht ohne, denn da ist noch Toni, gespielt von Nino Manfredi. Toni ist unsterblich in Nina verliebt, und wann immer Bepi vom Weg abkommt, verspricht sie Toni, ihn zu heiraten. Ninas Familie mag Toni eh lieber, der sich ein Motorboot leisten kann und bereits ein Haus für die erhoffte Ehe eingerichtet hat, ganz im Gegensatz zum eher armen Bepi.

 

Warum Bepi und Nina dennoch füreinander bestimmt sind, erfährt man in nur wenigen aber gewichtigen Szenen. Sie kennen sich schon seit der Kindheit, und während des vergangenen Krieges, wo Bepi als Soldat diente, haben sie einander vermisst und sich liebevolle Briefe geschrieben. Es existiert eine sehr tiefe Bindung zwischen den Beiden, doch warum kann Bepi nicht einmal ehrlich zu Nina sein? Weil ihm das Image des singenden, flirtenden Gondolieres zu tief im Blut steckt, er kann nicht aus seiner Haut.

 

Nun habe ich es geschafft - einen bierernsten Text zu einem äußerst lustigen Film geschrieben. Man könnte denken, es wäre ein Drama, aber das ist es nicht. Für die wundervollen Aufnahmen von Venedig sorgte kein Geringerer als Tonino Delli Coli, und in seiner wohl ersten Sprechrolle gibt es einen Kurzauftritt von Giuliano Gemma als Gondoliere „Brando“.

 

Die deutschsprachige Kinofassung von DER WINDHUND VON VENEDIG hatte eine Lauflänge von 89 Minuten und war somit um etwa 10 Minuten gekürzt.

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