Mädchen des Lasters

Frankreich, 1959

Originaltitel:

Ce corps tant désiré

Alternativtitel:

Questo corpo tanto desiderato (ITA)

Way of the Wicked (GBR)

This Desired Body

Deutsche Erstaufführung:

14. August 1959

Regisseur:

Luis Saslavsky

Kamera:

Pierre Petit

Inhalt

Ein kleines Dorf in Südfrankreich gerät in Aufruhr, denn eines Tages bringt Guillaume Féraud (Daniel Gélin) die attraktive Lina (Belinda Lee) mit auf die Austern-Farm seiner Eltern, um ihr dort einen Job zu verschaffen. Einerseits fallen den Männern bei ihrem Anblick beinahe die Augen aus dem Kopf, doch andererseits wird die junge Frau auch sehr kritisch von der Familie und den Dorfbewohnern begutachtet, handelt es sich doch offensichtlich um eine Prostituierte. Guillaumes Partner Henri (Maurice Ronet) verliebt sich Hals über Kopf in diese Erregung öffentlichen Ärgernisses und gibt seiner Verlobten Marinette (Dany Carrel) den Laufpass. Um Lina von ihrem Zuhälter freizukaufen, versucht er das nötige Geld aufzutreiben, doch er hat die Rechnung ohne diverse andere Personen aus seinem Umfeld gemacht, bis es schließlich zum Eklat kommt...

Autor

Prisma

Review

Dunkelheit und Hafenatmosphäre. Das Auge der Kamera heftet sich an den Puls der Stadt. Die dunklen, teils feucht schimmernden Straßen glänzen im entlarvenden Licht der Laternen und in der Ferne hört man mehrere Polizei-Sirenen, denn ganz offensichtlich wurde das Nachtleben gerade durch eine groß angelegte Razzia aufgeschreckt. Eine Frau, deren Schönheit trotz der nächtlichen Atmosphäre wie ein Leuchtfeuer wirkt, ist auf der Flucht vor den Hütern des Gesetzes. Ihre Aufmachung verrät, dass sie nicht umsonst davonläuft und dass es sich bestimmt nicht um das erste Aufeinandertreffen mit der Polizei handeln würde. Aber sie weiß auch, dass es Freunde, beziehungsweise Kunden gibt, die sie verbergen werden. So viel zum hoch interessanten Einstieg und dem guten Gespür des argentinischen Regisseurs Luis Saslavsky, der "Mädchen des Lasters" im Jahr 1959 mit großer Star-Besetzung inszenierte. Gleich zu Beginn fällt die imposante Bildgewalt dieses Beitrags auf, die lebensnah und greifbar eingefangen wurde und sich als Gütesiegel durch den kompletten Film ziehen wird. Da die flüchtende Lina genau weiß, dass es besser ist, aus dieser Stadt zu verschwinden, kassiert sie bei einem Bekannten schnell einen ausreichenden Betrag ab und begibt sich mit einem Freund in die Provinz, um sich auf der Austern-Farm seiner Eltern nützlich zu machen. Bei dieser Gelegenheit stellen sich die vier Hauptpersonen zügig und eindrucksvoll selbst vor.

 

Eine Frau, deren Schönheit und Ausstrahlung ein Höchstmaß an Kalkül zulassen, einen herzensguten Träumer, der bekannt für seine Märchen und Abenteuer-Geschichten ist, ein Mann, der genau um seine Wirkung auf Frauen weiß und sich rücksichtslos das nimmt, was ihm gefällt, und ein junges Mädchen, das unverdorben für Tugenden und Werte steht. Hinzu kommt die konservativ geprägte Familie, welche die schöne Lina unmittelbar nach ihrer Ankunft als Störfaktor ausmacht. Bevor es zu der obligatorischen Vorstellung kommt, gibt es noch folgenden Rat für Lina. »Wischen Sie sich mal die Lippen ab, die sind zu rot. Das hat man hier nicht gern!« Die Freude über den Besuch hält sich in Grenzen, ist bei den Arbeitern der Farm allerdings ebenso groß wie die Skepsis der anderen Seite, da es einen solchen Fang nicht alle Tage zu verbuchen gibt. Die Geschichte skizziert das tägliche Leben und die damit verbundenen Probleme, Pflichten, Wünsche und Träume, gleichermaßen werden die unterschiedlichen Strategien der Leute aufgezeigt, um mit dem Alltag zurecht zu kommen. Durch diese Szenen, vor allem aber durch die herrlichen Eindrücke von der Nähe des Meeres, kommen hoch ansprechende Bildstrecken auf, die mit herben Kontrasten angereichert sind, wie beispielsweise mit solchen aus der verrufenen Hafenkneipe oder aus dunklen Ecken, die anständige Leute besser meiden sollten.

 

Bei Lina handelt es sich allerdings um kein anständiges Mädchen. Obwohl die Umschreibung Hure niemals direkt im Film fällt, kann man diesen Gedanken in den vorwurfsvollen Blicken der Leute, insbesondere der ansässigen Frauen, ablesen. Belinda Lee ist in "Mädchen des Lasters" ohne jeden Zweifel in einer ihrer schönsten und überwältigenden Rollen zu sehen. Die britische Schauspielerin lebt erneut von ihrer alles durchdringenden Ausstrahlung, die Regie baut sie mühelos als eine Art Prototyp der Schönheit und Verführung auf, sodass man trotz ihres mehr oder weniger verworfenen Charakters mit ihr mitfiebert und sich nur allzu gerne an die Hand nehmen lässt. Im Grunde ist die Struktur dieses Films wie diejenige vieler anderer französischer Beiträge dieses Musters. Man bekommt eine schlichte und einfache Geschichte angeboten, wie es sie dem Empfinden nach nur aus Filmen dieses Produktionslandes geben kann. Früh ist zu erahnen, dass der über Strecken recht unscheinbare Verlauf Dramatik hervorbringen wird, was sich logischerweise aus der Dreiecksbeziehung, inklusive Nebenbuhlerin, ergeben wird. In diesem Zusammenhang sind Darsteller zu sehen, die wieder nur ihr Bestes geben. Daniel Gélin, als Guillaume und sympathisch-verträumter Habenichts, spielt authentisch, ja, um nicht zu sagen einfach nur blendend. Er hat sie wohl schönste Frau im Visier, die er jemals gesehen hat, doch weiß um seine nicht vorhandenen Möglichkeiten, ihr Interesse zu wecken.

 

Sein bester Freund Henri, alias Maurice Ronet - ein raubeiniger und sehr direkter Zeitgenosse - greift seinen natürlich vorhandenen Chancen unmittelbar bei Linas Ankunft ab, schließlich hat er mehr Attribute und Züge von Männern, die der schöne Neuankömmling hinlänglich gewöhnt ist. Die Konfrontation ist daher vorprogrammiert und wird noch deutlich von den Familienmitgliedern und Einwohnern des Dorfes verschärft, sodass eine besonders pikant aufgeladene Spannung wahrzunehmen ist. Als Verstärker fungiert beispielsweise die aparte Dany Carrel, in leichtfüßiger Spiellaune, oder die biedere Cousine von Guillaume, die die einzige ist, die Beschimpfungen gegenüber Lina in Worte fasst. Im darstellerischen Bereich gibt es schließlich hervorragende Leistungen zu sehen, doch Belinda Lee setzt dieser in Impressionen verstrickten Veranstaltung wieder einmal die Krone auf. Luis Saslavsky führt seine Interpreten ausgezeichnet und die Schönheit seines Beitrages ergibt sich im Endeffekt aus der Einfachheit und Schlichtheit des Ganzen. "Mädchen des Lasters" kommt ohne dramaturgische und sprachliche Klippen aus, ohne theatralische Anwandlungen oder falsche Sentimentalitäten. Daher darf gesagt werden, dass dieser Film seine Opulenz mit eher einfachen Mitteln erreicht, wenngleich man handwerklich und inszenatorisch höchste Qualitätsansprüche ausfindig machen kann. Großes Kino.

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Prisma

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