Mädchen Mädchen

Deutschland, 1967

Alternativtitel:

Girls, Girls (GBR)

Deutsche Erstaufführung:

5. Januar 1967

Regisseur:

Roger Fritz

Kamera:

Klaus König

Inhalt

Als Andrea (Helga Anders) aus einer Erziehungsanstalt entlassen wird, scheint es, als habe sie gar nichts dazu gelernt. Da sie sich seinerzeit mit ihrem Chef (Hellmut Lange) eingelassen hatte, der wegen dieser Affäre und somit Verführung Minderjähriger in den Knast wanderte, wurde sie zu erzieherischen Maßnahmen verdonnert, doch ihr erster Weg nach der Entlassung führt sie ungewollt zurück an den Ort des Geschehens. Dort trifft sie allerdings nur auf den Sohn (Jürgen Jung) ihres ehemaligen Chefs und verliebt ich in ihn. Alles könnte so unkompliziert sein, wenn der Senior nicht schon bald wieder überraschend auftauchen und Besitzansprüche stellen würde... 

Autor

Prisma

Review

Bei MÄDCHEN MÄDCHEN handelt es sich um den Anfang von Roger Fritz' sogenannter Mädchen-Trilogie, die noch die Produktionen MÄDCHEN MIT GEWALT und HÄSCHEN IN DER GRUBE umfasst, und seinerzeit jeweils für Aufsehen sorgen konnten. Die Geschichte ist eine der vielen einfachen Geschichten der Branche, fällt jedoch durch ihre besondere Bearbeitung auf. In Roger Fritz' Fokus liegt die Schönheit der natürlichen und einfachen Dinge, und es kommt sozusagen Baumaschinen-Ästhetik auf, die noch zum prägenden Element werden soll, aber auch die Sektion zahlreicher Emotionen, die nur angedeutet zu sein scheinen und wahlweise in den Gesichtern und Augen der Protagonisten abzulesen sind wird Wert gelegt. Der Verlauf beginnt mit dem Exit der Protagonistin Andrea aus der Besserungsanstalt, aus der sie irritierend herzlich entlassen wird. Ihr Weg ist von Ziellosigkeit geprägt und wird schließlich vom Schicksal flankiert, denn es führt sie zurück an den Ort des Geschehens, beziehungsweise den Grund ihrer Einweisung. Da sie als Minderjährige ein Verhältnis mit ihrem Chef hatte - der auf Staatskosten auch aus dem Verkehr gezogen wurde - musste man die Reißleine ziehen. Alles scheint von vorne loszugehen, wobei die neue Liaison eine Frischzellenkur bekommt, da sie sich dieses Mal mit dem Sohn ihres alten Liebhabers einlässt. Diese Verbindung transportiert zunähst überhaupt nichts Falsches und ist in ihrer Verspieltheit und Naivität sehr nett anzusehen, doch es schwebt ein noch undefinierbarer schwarzer Schatten über der schönen Schwarzweiß-Fotografie, denn immerhin soll der Senior bald aus dem Zuchthaus entlassen werden, möglicherweise mit dem gleichen Appetit auf Andrea wie zuvor. Die Umstände, das Umfeld und die Verhaltensweisen der Hauptpersonen wirken eigenartig und lassen einen das Dargebotene mit Vorsicht genießen. Im Grunde genommen ist es Helga Anders, die hier allen offensiv auf der Nase herumtanzt, da ihre Jugend und anscheinende Unverdorbenheit wie ein klassischer Freibrief wirkt. 

 

Der Film weist direkt zu Beginn darauf hin, dass sich der Ursprung der Geschichte jenseits der Gesetzeslage abgespielt und die Beteiligten zurecht unter Verschluss geschickt hat, wenngleich man diese Tatsache aufgrund der besonderen Darbietung irgendwie ausblendet, außerdem ist der Chef des Betonwerks immer noch hinter Gittern. Was kommt, ist eine unbeschwerte Zeit auf Raten, auf Augenhöhe, in gleichen Sphären des Alters und vielleicht sogar ähnlichen Vorstellungen des gemeinsamen Weges, wenn dort nicht die ordinäre Gewöhnung wäre. Der Junior definiert sich als jemand, der nicht nur für eine Frau gemacht ist. So bedeutet vor Andrea gleichzeitig auch nach Andrea, die nur scheinbar alles andere als leichtfertig ist, von ihren männlichen Bekanntschaften aber gerne so angesehen wird, da sie sich nicht abweisend verhält. Am Ende ist Andrea aber gefügig, irgendwie dienstbar, da sie Träumen hinterher läuft, die kaum zu verwirklichen sind. Mit ihrem Partner Jürgen Jung entstehen viele Strecken der Unbeschwertheit, vielleicht sogar Verliebtheit, doch der Sekundenzeiger tickt. Zusammen mit Helga Anders schmeißt er den Film quasi im Alleingang, was die Leistungen der übrigen Akteure jedoch nicht schmälern soll, denn Hellmut Lange, Klaus Löwitsch, Monika Zinnenberg und insbesondere Renate Grosser spielen hervorragend. Es ist eher die besondere Chemie zwischen den beiden, die beeindruckend wirkt, vor allem wenn Regisseur Fritz seine Hauptpersonen den teils ungewöhnlichen Setting anpasst. Vor allem die Szenen im Betonwerk, die nicht nur imposant wirken, sondern auch für eine Sterilität der hier noch nicht dechiffrierten Gefühlswelt stehen, kommt es zu beeindruckenden Bildern, vor allem auch in natürlichen Umgebungen. MÄDCHEN MÄDCHEN ist alleine aus technischer Sicht ein Hochgenus geworden und bietet sich als ein erfrischendes Exponat seiner Zeit und vor allem des Neuen Deutschen Films an, der nichts mehr mit rückwärtsgewandten Inszenierungen zu tun haben wollte.

 

Der völlig unaufgeregte Charakter mag auf die ersten Blicke vielleicht ein bisschen irritieren, doch Roger Fritz versucht sein Angebot erst gar nicht über Mittel der künstlichen Beschleunigung interessant zu machen, da derartige Storys aus jeglichen Sphären der Gesellschaft von ihrer entwickelten Eigendynamik leben können und nur einen Feind haben: Die eigene Verjährungsfrist. Durch Andrea werden Normen der Gesellschaft, aber vor allem die eigenen Komfortzonen gesprengt. Die Haushälterin - die mit dem Sohn des Hauses und vermutlich dem Vater intim ist - fühlt sich gestört durch die junge Nebenbuhlerin. Der Junior kann so viel neuer und unbekannter Versuchung nicht widerstehen, genau wie es einst sein Alter nicht konnte oder wollte. Andrea tut so, als ob sie von dem allem nichts wüsste, als ob sie es nichts angehe, aber die Frage bleibt dennoch bestehen, ob sie tatsächlich so unbeteiligt ist. Die schauspielerischen Leistungen fallen oft durch ein Minimalprinzip auf, insbesondere Jürgen Jung, Hellmut Lange und Renate Grosser. Helga Anders versucht die Grenzen der Natürlichkeit zu sprengen und wirkt auffordernd, selbst wenn sie gar nichts tut. Wenn sich zum Ende hin ein Clash der Generationen abbildet, ein Tauziehen der Männer und Frauen, dann sollte man sich nicht allzu sicher sein, ob Roger Fritz die persönliche Erwartungshaltung bedient, oder seine Geschichte zu einer histoire simple werden lässt, die dadurch nicht minder interessant erscheint. Durch Momentaufnahmen, die von der exzellenten Kamera geebnet und hervorgehoben werden, entsteht der Eindruck eines künstlerischen Anspruchs, der in dieser Intensität vielleicht nicht zu erwarten gewesen wäre. MÄDCHEN MÄDCHEN bietet sich als guter Einstieg in Roger Fritz' Werkschau an, der auf mehreren Ebenen Aushängeschilder, Freibriefe und erstaunliche Kontraste zutage bringt. Vor allem aber Helga Anders und Jürgen Jung wirken erfrischend echt oder wahlweise unecht - je nachdem wie der Blickwinkel gerade eingestellt ist. 

Autor

Prisma

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