Alice Brooks (Lina Romay) ist mit ihrem Mann (Antonio Mayans) im Urlaub, wird aber von sexualisierten Alpträumen geplagt, in der ihr die dunkelhäutige Prinzessin Tara Obongo (Ajita Wilson) erscheint. Da erhält Alice einen Anruf von ihrem Arbeitgeber, der sie zur Insel ebendieser Frau schicken will, die ein Haus kaufen will. Nun taucht Alice endgültig tief in ihre Träume ein.
Irgendwann im Frühherbst 1981 traf Jess Franco auf das Ehepaar Stella und Emilio Larraga, die ihm anboten, er könne zwar für wenig Geld aber mit absoluter künstlerischer Freiheit, Filme für sie inszenieren. Golden Films International, S. A. nannte sich die neugegründete Produktionsfirma, und schon im November 1981 begann Franco MACUMBA SEXUAL zu drehen, back-to back mit NIGHT OF OPEN SEX (La noche de los sexos abiertos, 1983). Beide Filme wurden aber erst etwa zwei Jahre später veröffentlicht. Gedreht wurde MACUMBA SEXUAL auf Gran Canaria, hauptsächlich in einem Hotel-Resort an der Bahía Feliz.
Schon früh ist bei MACUMBA SEXUAL erkennbar, dass man es inhaltlich mit einem surrealen Ableger von VAMPYROS LESBOS – DIE ERBIN DES DRACULA (Vampyros Lesbos, 1971) zu tun hat, wobei die Figur der Tara Obongo keine Vampirin, sondern eher eine Magierin im Sinne von LORNA… THE EXORZIST (Lorna, l'exorciste, 1974) ist. Letzteres wird insbesondere am Ende deutlich, wo in einer Szene eine Art Kräfteübertragung wie in LORNA… THE EXORZIST stattfindet.
Obwohl die Referenzen an VAMPYROS LESBOS überdeutlich sind, kann man diese beiden Filme stilistisch dennoch schwer vergleichen. Komplett von der Leine gelassen, ist Jess Franco bei MACUMBA SEXUAL komplett im Anti-Realitäts-Modus. Das junge Paar Alice und Antonio (im Film hat er keinen Namen, aber ich mache es mir mal einfach) scheint völlig allein in seinem Hotel. Ein Strand- und Badeparadies ohne Menschen. Nach ihrem ersten Alptraum nimmt Antonio mit einem Satz die Rolle des Psychiaters aus VAMPYROS LESBOS ein, wenn Alice ihm vom Inhalt ihres Traumes erzählt und er ihr schmunzelnd sexuelle Frustration attestiert.
Nachdem Alice den Anruf ihres Arbeitgebers – sie ist offensichtlich Real Estate-Agentin – erhalten hat, begibt sie sich auf die Reise zur Insel, und auch hier ist die Nähe zu VAMYROS LESBOS deutlich, wenn auch noch traumhafter. Alice steht auf dem Hotelbalkon als sie den Ruf von Prinzessin Obongo vernimmt. Sie rührt sich nicht vom Fleck, beobachtet lediglich ein großes Segelschiff beim Auslaufen. Dort sind der Ferne zum einzigen Male im Film „reale Menschen“ zu sehen. Das Schiff überquert das Meer. Plötzlich befindet sich Alice auf dem Pier jener Insel, der Segler ist fort. Ist sie also wirklich dort?
Der weitere Verlauf des Films gibt mehr oder weniger Antwort darauf, denn die Prinzessin ist lange tot, und es gibt nur einen Ort, an dem sie Macht ausüben kann – in den Köpfen der Menschen. Auch Antonio wird schließlich unter Obongos Einfluss stehen ohne jemals sein Urlaubsparadies physisch zu verlassen. Neben der traumwandlerischen Inszenierung ist es vor allem Ajita Wilson, die diesem Film Kraft verleiht. Ihre Darstellung ist hypnotisch, ihre Mimik vielfältig. Ihre Figur spielt zielsicher mit ihrer Transsexualität, wo sie in der Phantasie von Alice die Position des Mannes einnimmt und in der Antonios die einer Frau.
Zu Ajita Wilson selbst gibt es nur vage Informationen, viele davon scheinen unzutreffend. Für die Veröffentlichung von MACUMBA SEXUAL durch Severin Films auf Blu-ray hat Franco-Chronist Stephen Thrower recherchiert und konnte manches widerlegen. So gibt ihre Familie an, Ajita Wilson sei nicht 1950, sondern bereits im Januar 1942 geboren. Zu diesbezüglicher Verwirrung führte der Totenschein Wilsons – sie starb 1987 an einer Gehirnblutung infolge eines Unfalls – der ihr Alter zum Zeitpunkt des Todes mit 37 Jahren angab. Ihr eigentlicher Familienname war Scott, ihre Familie in Florida ansässig. Nachdem sie nach New York zog, gab sie ihren Namen mit George Wilson an, Wilson war der Mädchenname ihrer Mutter. Nach ihrer Operation zur Frau nannte sie sich Florinda Wilson, nun den kompletten Namen ihrer Mutter annehmend. Sie war dann als Model tätig, Berichte über Auftritte in einer Travestie-Show oder ihr Erscheinen in pornographischen Schmalfilmen in den frühen 70ern konnten nie belegt werden. Weiterhin wird ihr Umzug nach Italien meist mit der Jahresangabe 1976 versehen, aber auch das ist nicht korrekt. Ihr erster Film dort, BLACK MAGIC (La principessa nuda, 1976) von Cesare Canevari, wurde zwar erst 1976 veröffentlicht aber bereits 1974 gedreht.
MACUMBA SEXUAL – und dies sei gleichwohl Werbung als auch Warnung – ist 100%-Franco. Regie, Drehbuch, Kamera, Schnitt, Musik, alles Franco. Es gibt wenig Dialog und wenig Tempo, beides würde die traumwandlerischen Pfade, die MACUMBA SEXUAL beschreitet, nur stören. Der Meister selbst gibt einen leicht schwachsinnigen und voyeuristisch veranlagten Hotelrezeptionisten, auch hier wieder eine Abwandlung seiner Figur des Memmet in VAMPYROS LESBOS.
Ein sehr schöner Film, aber sicher nicht jedermanns Sache.