Räuber und Gendarm

Italien, 1951

Originaltitel:

Guardie e ladri

Alternativtitel:

Gendarmes et Voleurs (FRA)

Guardias y ladrones (ESP)

Cops and Robbers (GBR)

Deutsche Erstaufführung:

17. Mai 1957

Kamera:

Mario Bava

Inhalt

Der Gauner Ferdinando Esposito (Totó) schlägt sich im Nachkriegs-Rom mit allerlei Betrugsmaschen und Diebereien durch, doch dann gerät er an den Falschen. Ausgerechnet dem Vorsitzenden der UNRRA (United Nations Relief and Rehabilitation Administration) Mr. Locuzzo (William Tubbs) dreht er im Forum Romanum für 50 Dollar eine gefälschte Goldmünze an. Der merkt den Betrug, doch Esposito entkommt. Esposito hat jedoch bereits den nächsten Betrug geplant. Mit ein paar angeheuerten Straßenkindern will er sich von der UNRRA ein Kehrpaket erschleichen, nichtsahnend, dass er dort auf Locuzzo treffen wird. Als der ihn erkennt, entbrennt eine lange Verfolgungsjagd, in der Esposito von Locuzzo, dem Wachtmeister Bottoni (Aldo Fabrizio) und einem geprellten Taxifahrer (Mario Castellani) gejagt wird. Mit Mühe und Not gelingt es dem Polizisten Bottoni, Espositos habhaft zu werden, nur um ihn dann in einem Anflug von Sentimentalität wieder zu verlieren. Nun droht Bottoni Ärger. Von der UNRRA unter Druck gesetzt, zaubert Bottonis Vorgesetzter einen alten Paragraphen aus dem Hut, nach dem Bottoni die Entlassung oder gar Inhaftierung droht, wenn es ihm nicht innerhalb von drei Monaten gelingt, den Dieb Esposito wieder einzufangen. Doch das wird nicht einfach. Obwohl Bottoni schnell die Identität Espositos herausfindet, hält sich dieser nur selten bei seiner Familie auf, die aus seinem Großvater, seiner Frau, deren jüngerem Bruder und zwei Kindern besteht. Bottoni freundet sich mit Espositos Familie an, um schließlich des Gauners habhaft werden zu können. Doch die Espositos betrachten Bottonis eigene Familie bald als ihre Freunde und Gönner, zudem beginnt Bottonis Tochter Liliana (Rossana Podestà) eine Liebelei mit dem Ziehsohn der Espositos. Als Wachtmeister Bottoni und Gauner Esposito sich schließlich bei einem Treffen beider Familien gegenüberstehen, plagen den Polizisten Gewissensbisse. Kann er die arme Familie wirklich ihres Ernährers berauben, auch wenn dieser ein Dieb ist?

Review

Auch wenn die Totò-Reviews sich hier nicht allzu großer Beliebtheit zu erfreuen scheinen, ist die Besprechung von „Räuber und Gendarm“ zwingend notwendig, denn dieser ist ein Meilenstein der Commedia all’Italiana. Das Regie-Duo Mario Monicelli und Steno bauen hier den Neorealismus in eine Komödie um, definieren damit die italienische Komödie komplett neu und schaffen gleichzeitig die kommende Paraderolle für Komiker Totò, der diesen Film zunächst eigentlich gar nicht machen wollte. Es war jedoch für alle Beteiligten zunächst ein schwieriger Weg.

 

Bereits 1948 verfasste Piero Tellini das Storygerüst (welches 1952 in Cannes den Preis für das beste Drehbuch erhielt, obwohl das finale Drehbuch seit Tellinis Erstentwurf mehrmals überarbeitet wurde) nach einer Idee von Federico Fellini. Anfang 1949 wurde der Film angekündigt, unter der Regie von Luigi Zampa und mit Peppino de Filippo und Anna Magnani als Ehepaar Bottoni. Doch daraus wurde nichts. Zampa ließ zwar das Drehbuch von Vitaliano Brancati und Ennio Flaiani umarbeiten, doch erst sagte Peppino de Filippo ab, dann befürchtete Zampa Zensurprobleme, wie schon zuvor bei „Abgeordnete Angelina“ (L'onorevole Angelina, 1947) und dass Anna Magnani den Film zu sehr dominieren könnte, obwohl sie ja nicht für die Hauptrolle vorgesehen war. Außerdem scheint Tellinis Drehbuch noch während des 2. Weltkrieges angesiedelt gewesen zu sein, was Probleme mit der Zensurkommission förmlich garantierte.

 

Das Projekt wurde daraufhin an Mario Monicelli und Steno übergeben, die zwischen 1949 und 1953 gemeinsam Drehbücher verfassten und sich auch die Regie teilten. Dabei führten sie nicht gemeinsam Regie, sondern wechselten sich im Tagesrhythmus ab. Das Duo hatte sich bereits 1949 an einer Parodie auf den Neorealismus versucht mit „Totò cerca casa“ (1949) und mit Co-Star Aldo Fabrizio hatten sie zuvor „Hundeleben“ (Vita da cani, 1950) gemacht. Fabrizio war von dem Drehbuch, welches reale Ereignisse wie die Diebstähle durch Betrüger der Kehrpakete der UNRRA einbaute, sofort begeistert. Totò wiederum befürchtete, er könne neben dem bekannten Aldo Fabrizi, der nun mal die größere Rolle hatte, nicht bestehen, außerdem unterscheide sich seine Rolle zu sehr von dem, was er bisher gemacht habe. Doch Monicelli und Steno konnten ihn überzeugen, dass mehr in ihm stecke als er ahnte.

 

Produziert wurde „Räuber und Gendarm“ von Carlo Ponti und Dino de Laurentiis nach deren Verlassen von Lux Film, nichtsdestotrotz lief „Räuber und Gendarm“ im Verleih von Lux Film, da das Projekt eben schon eine Weile am Laufen war. Die Dreharbeiten begannen im Februar 1951, ausschließlich in Rom. Man sieht das Forum Romano, das Quirino-Theater, und Espositos Haus befand sich in der Via Gregorio VII mit Blick auf die Kuppel von San Pietro. Monicelli und Steno waren zunächst besorgt, ob Totò und Aldo Fabrizio gut zusammenarbeiten würden. Totò war mehr ein Theatermensch, bei Dreharbeiten im Freien fühlte er sich unwohl. Fabrizio galt wiederum als sehr mürrisch. Anscheinend machten sich die Beiden einen Spaß daraus, ihre Regisseure im Unklaren darüber zu lassen, dass sie eng befreundet waren. Als sie dann vor der Kamera plötzlich hervorragend miteinander agierten, riefen sie zunächst Monicellis Unmut hervor, da sie permanent bei den Dialogen improvisierten, doch auf Stenos Einfluss hin, ließ man die beiden Komiker schließlich gewähren.

 

Kameramann von „Räuber und Gendarm“ war natürlich der große Mario Bava, der zuvor schon für Monicelli und Steno „Hundeleben“ (Vita da cani, 1950) filmte. Bei „Räuber und Gendarm“ war vor allem ein Kameramann gefragt, der während der langen Verfolgungsjagd zu Beginn mit schnellen Lichtwechseln umgehen konnte. In der finalen Szene, in der es einen langen anrührenden und dramatischen Dialog zwischen Esposito und Bottoni gibt, spielt Bava im Hausflur der heruntergekommenen Mietskaserne gekonnt mit Licht und Schatten.

 

Doch bevor „Räuber und Gendarm“ in die Kinos gelangt, musste er vor die Zensurkommission, und Luigi Zampas anfängliche Befürchtungen, wegen denen er das Projekt aufgegeben hatte, bestätigten sich teilweise. Vorsitzender der Zensurkommission war der Beamte und Journalist Annibale Scicluna Sorge, ein Nationalist, der schon zu Mussolinis Zeiten Filme hat zensieren lassen und für Zeitungen des ehemaligen Diktators schrieb. Der hatte Monicelli und Steno schon seit „Totò cerca casa“ (1949) auf seiner Abschussliste und zeigte sich entsetzt. Die Vorstellung, dass ein Dieb und ein Polizist auf eine ähnliche soziale und moralische Stufe gestellt würden, mit ähnlichen Problemen und schließlich gar Sympathien füreinander hegten, behagte dem verknöcherten Moralisten nicht. Doch letztendlich konnte er nicht viel machen, denn wie Monicelli sagte, gab es an dem Film nichts im Einzelnen zu zensieren außer der Grundidee an sich. Und so kam „Räuber und Gendarm“ mit ein paar oberflächlichen Dialogstreichungen davon. Im Jahr 2017 wurde allerdings eine unzensierte Kopie in der Cineteca Nazionale in Rom entdeckt, die inzwischen auch eine TV-Ausstrahlung in Italien erhielt. Seltsamerweise zeigte man allerdings keine komplett restaurierte Fassung, sondern fügte lediglich die bisherigen Fehlstellen in eine alte Kopie ein, deutlich an Unterschieden in Bild- und Tonqualität zu erkennen, die bei den vormaligen Fehlstellen besser ist.

 

Die italienische Kritik zeigte sich unerwartet begeistert von „Räuber und Gendarm“, nicht selbstverständlich für eine Komödie. Zudem ist der Film einer der finanziell erfolgreichsten Filme mit dem Komiker Totò und wurde im April 1952 im Wettbewerb des Filmfestivals in Cannes gezeigt, wo er den Preis für das beste Drehbuch erhielt. Außerdem gehört er seit 2008 zu den „100 film italiani da salvare“, also den 100 italienischen Filmen, die zwischen 1942 und 1978 das Gesicht des Landes verändert hätten, einer Stiftung der Giornate degli Autori, in Zusammenarbeit mit der Cinecittà Holding und Unterstützung des Ministerium für kulturelles Erbe und - Aktivitäten.

 

In Deutschland lief „Räuber und Gendarm“ im Mai 1957 im Verleih der Neue Filmkunst und erfuhr 2007 auf 3 Sat eine Fernsehausstrahlung noch in alter zensierter Form. Die ungekürzte italienische Fassung hat eine Lauflänge von 104 Minuten.

 

Zum Schluss noch zwei Anekdoten im Zusammenhang mit der Verfolgungsjagd im Film, die Filmgeschichte schrieben. Totò fühlte sich, wie bereits erwähnt, unwohl bei Dreharbeiten im Freien. Dies fand seine Berechtigung als während er Verfolgungsjagd „Haltet den Dieb“ gerufen wurde und zwei Polizisten, die das Kamerateam noch nicht bemerkt hatten, sich auf Totò stürzten, um ihn an der Flucht zu hindern. Anschließend gabs Autogramme. An einem anderen Punkt dieser Szene – deren Dreh insgesamt 15 Tage dauerte, da sowohl Totò als auch Fabrizio gesundheitliche Probleme hatten – sah Totò bei seinem Lauf ein gehbehindertes kleines Mädchen an Krücken. Er ließ herausfinden, wer dieses Mädchen war und zu wem es gehörte und zahlte für dessen Operation, woraufhin diese wieder eigenständig gehen konnte.

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