Der weisse Apache - Die Rache des Halbbluts

Italien | Spanien, 1987

Originaltitel:

Bianco Apache

Alternativtitel:

Apache Branco (PRT)

Apache Kid (ESP)

Biały Apacz (POL)

Fehér apacs (HUN)

Valkoinen apassi (FIN)

White Apache (USA)

Inhalt

Eine im Sterben liegende, hochschwangere Frau wird im Anschluss an einen Überfall auf einen Siedlertreck von Chiricahua-Apachen gefunden. Vor ihrem Einzug in die Ewigen Jagdgründe kann sie das Kind, das sie unter ihrem Herzen trug, gesund zur Welt bringen. Die Chiricahua nennen es Leuchtender Stern. Ein blonder wie blauäugiger Fratz, der vom Häuptling (Weißer Bär) als Sohn akzeptiert wird und gemeinsam mit dessen leiblichen Stammhalter Schwarzer Wolf zum Manne reift. Die beiden verstehen sich prächtig, doch ihre Freundschaft wird durch die Liebe zur selben Frau entzweit. Es kommt zu einem Zweikampf, der Schwarzer Wolf ohne ein Verschulden von Leuchtender Stern das Leben kostet. Im Zuge des Unglücks schickt Häuptling Weißer Bär seinen Adoptivsohn in die Welt der Weißen, wo er fortan mit Rassismus, Fleischeslust und Hass konfrontiert wird.

Review

„Das sind alles Exploitationfilme. Es sollten Pro-Indianer-Filme sein, aber sie waren es nicht.“

 

So Phil Lucas, ein Native American, der u. a. für die TV-Serien „Images of the Indians“ (eine Dokumentation, die sich mit der stereotypen Darstellung von Indianern in Hollywood-Western auseinandersetzt), „The Honour of All“ als auch „The Native Americans“ mitverantwortlich zeichnet. Lucas tätigte seine Aussage mit Blick auf Ralph Nelsons DAS WIEGENLIED VOM TOTSCHLAG. Ich stehe Nelsons Film eh skeptisch gegenüber und schließe mich Lucas´ Aussage an. Schließlich weicht SOLDIER BLUE (so der Originaltitel) dem, was die Inhaltsangabe wiedergibt, aus und sucht das Weite in einer Allegorie. Bedeutet: Der Film visualisiert zwar das Sand Creek Massaker, meint allerdings das Massaker von My Lai, bei dem 1968 mehr als hundert unbewaffnete Zivilisten getötet wurden. Demgemäß sollte das Kinopublikum auf der abscheulichen Schlachtplatte keine Native Americans, sondern Vietnamesen sehen. Denn es ging nicht um Sand Creek, sondern um den Vietnam-Krieg. Nelson setzte die Native Americans als ein Mittel zum Zweck ein und beutete sie - wie bereits viele andere Regisseure vor ihm - aus. Ungeachtet dieser Tatsache konnte manch emsiger Bildzeitungskonsument sowie weitere manipulierbare als auch literarisch unbefleckte Zeitgenossen das Massaker an den Cheyenne gar rechtfertigen, da zu Beginn des Films eine Kavallerieeinheit der Nordstaaten von Cheyenne angegriffen und niedergemetzelt wird. 

 

Mich würde interessieren, was Phil Lucas zu dem Film DER WEISSE APACHE gesagt hätte. Zu jenem durch und durch exploitativen Film, der ums Verrecken dem Selbstzweck verschrieben ist und der sich zu keiner Sekunde Gedanken um die Native American macht. Das klingt nach Bruno Mattei und das ist auch Bruno Mattei, denn wer Filme wie den an Geschmacklosigkeit schwierig zu übertrumpfenden KZ 09 oder den unfassbar daneben geratenen Untotenpogo DIE HÖLLE DER LEBENDEN TOTEN inszenierte, der macht vor nichts Halt. Denn ein solcher Zeitgenosse besitzt weder Bedenken noch Skrupel noch Zweifel. 

 

Bruno Mattei inszenierte DER WEIßE APACHE gemeinsam mit Claudio Fragasso, der Renato Polselli bei den Arbeiten zu dem abgedrehten als auch durch und durch geilen Film MANIA (ITA / 1974) als Regieassistent unterstützte und der 1995 als alleinverantwortlicher Regisseur mit PALERMO MILANO – FLUCHT VOR DEN MAFIA einen verflucht starken Poliziottesco ablieferte. Es ist übrigens nichts Außergewöhnliches, dass sich zwei Regisseure um ein und denselben Film kümmerten. In den frühen Western-Serials, die in den USA entstanden, waren aus Effizienzgründen zwei (hin und wieder auch mehr als zwei) Regisseure aktiv. Einer kümmerte sich um den Dialog, der andere um die Actionsequenzen. Also alles ein alter (Cowboy)Hut.  

 

Ein weiterer alter Hut ist die Menschenverachtung, die Grausamkeit, die Brutalität, die ein Film mit dem „Qualitätssiegel“ Bruno Mattei inkludiert. Mit solchen Ingredienzien geht es auch umgehend in DER WEISSE APACHE los. So beobachten wir ein Massaker an friedliebenden Siedlern, die via Planwagen auf der Suche nach dem gelobten Land sind/waren. Unter den Siedlern befinden sich übrigens einige Indianer, wahrscheinlich blinde Passagiere, die sich (Vorsicht: Satire!) des Laufens zu bequem waren und ein schattiges Plätzchen im Schutze der Planwagen suchten und fanden. Die Angreifer und passionierten Menschenschlachter setzen sich ebenfalls aus Bleichgesichtern und Rothäuten zusammen. Wahrscheinlich wurzelt die Idee darin, dass der Ideengeber irgendwann einmal Michael Curtiz´ Western COMANCHEROS schaute und das Aufgesogene unbedingt in DER WEISSE APACHE einbringen wollte. 

 

Die Historie respektive meine Literaturquellen besagen, dass die Comanchereros mit den Comanchen handelten. Sie tauschten deren Diebesgut (Vornehmlich Pferde und Rinderherden) gegen Gewehre, Munition und Feuerwasser (Vornehmlich Brandy! Ich vermute, dass in 90% der Lichtspiele das an Indianer ausgegebene Feuerwasser als Whiskey etikettiert ist). Die Comanchen pflegten übrigens eine innige Feindschaft zu den Apachen. Gleiches gilt für die Cowboys. Diese standen den Reiterstämmen der Comanchen als auch denen der Sioux zwar sehr respektvoll gegenüber, die Apachen hassten sie (die Cowboys) allerdings wie die Pest und töteten sie (die Apachen), wann immer sich eine Gelegenheit dazu ergab. Jene missliebigen Apachen bekämpften, grob geschätzt: 3 Jahrhunderte lang vehement Mexikaner, Spanier und Texaner. Aufgrund der Verluste in ihren eigenen Reihen nahmen sie oftmals weiße Knaben gefangen, ließen sie anschließend als Sklaven ackern, um sie nach und nach zu vollwertigen Kriegern auszubilden. So kann ich kraft meiner hervorragenden literarischen Quellen aus dem exploitativen Wirrwarr, mit dem uns DER WEISSE APACHE versorgt, tatsächlich historische Bezüge entschlüsseln, was m. E. jedoch dem Zufall und nicht der Absicht des Duos Mattei/Fragasso verpflichtet ist.

 

Der weiße Knabe der zum Adoptivsohn (Leuchtender Stern) des Häuptlings wird und zum vollwertigen Apachen heranwächst, hat sich wie sein roter Bruder Schwarzer Wolf in die adrette Squaw Aufgehende Sonne verguckt. Da zwei Bewerber einer zuviel ist, muss einer den Schwarzen Peter akzeptieren. Da Schwarzer Wolf ein extrem schlechter Verlierer ist, erklärt er analog zu seiner Niederlage seinen Bruder und einstigen Freund zum Feind. Und um die Ehre wiederherzustellen und die Schmach auszumerzen, fordert Schwarzer Wolf einen Zweikampf auf Leben und Tod. Dabei spielt Manitou die wichtigste Rolle, denn er sorgt dafür, dass Schwarzer Wolf für (s)eine Ungeschicklichkeit mit dem Tod bestraft wird. Der Häuptling akzeptiert Manitous Urteil und schickt - dem Schmerz über den Verlust beider Söhne trotzend - seinen Adoptivsohn in die Welt der Weißen…

 

Gespielt wird der Weiße Apache von Richard Harrisons Sohn Sebastian. Es war seine erste große Filmrolle, nachdem ihn sein Vater zuvor zu kleinen Rollen in diversen Fratzengeballer-Orgien wie TERROR FORCE KOMMANDO, FIREBACK - ICH WILL KEINE GNADE und dem Spaß und gute Laune-Garant SPEZIALKOMMANDO FEUERVOGEL verhalf. Danach folgte eigentlich nichts erwähnenswertes, auch wenn die Fulci-SS das vermutlich anders sieht, aber das juckt mich herzlich wenig. Sebastian war - zumindest im empathischen Sinne - kein richtiger Schauspieler, und wurde in den Notizblöcken der Schnellfilmer und Billigproduzenten höchstwahrscheinlich als „Richards Sohn“ gelistet. Irgendwie hatte er auch irgendwann keine Böcke mehr darauf, kehrte dem Filmgeschäft den Rücken zu und widmete sich anderen Aufgaben.

 

Als Leuchtender Stern gibt er einen blonden Jüngling, der nach den Wurzeln seiner Herkunft sucht und dabei über die Wurzeln des Hasses stolpert. Den durchtrainierten Oberkörper mit brauner Wildlederweste bedeckt hinterlässt er den Eindruck als sei er auf dem Weg in die Halbwelt der New Yorker BDSM-Szene (dort wo gemäß eines bundesdeutschen Kinoplakats die Straßen zum Jagdrevier der Männer der Nacht werden) an der falschen Station ausgestiegen. Bei allem Hohn und Spott muss ich doch zugeben, dass Leuchtender Stern die Lehren der Apachen verinnerlicht hat. Er versteht es beispielsweise Wildpferde zu zähmen. Diese Fähigkeit erweckt wiederum in einer bleichgesichtigen Stute sexuelles Verlangen, dass den weißen Apachen nicht rot werden und stattdessen zur Tat schreiten lässt. Freilich ist die Erziehung der Sexgierigen Tante (Isabelle) weniger von Südstaatengalanterie als deutlich mehr von Südstaatenrassismus geprägt, sodass sie kraft einiger Kraftausdrücke den Zorn des Schönlings erweckt, was fatale Folgen hat. Das Streitgespräch verkommt jedoch zur Nebensache, denn Hass und Rassismus sind in diesem Film eh fortwährend präsent und ihre enge Kooperation wird unzählige Menschleben kosten. 

 

Die zahlreichen Morde, die innert DER WEISSE APACHE an der Tagesordnung sind, werden - zumindest kraft der deutschen Synchronisation - mit der Zivilisierung begründet. Hier fällt besonders Ryder auf. Kein bisschen Göthe, kein bisschen Bonaparte, dafür viel Chivington und noch mehr Eichmann. Das Töten und Vergewaltigen von Minderjährigen ist Teil seiner Zivilisierung. In der 86er Mattei/Fragasso-Exploitaionkiste sind nahezu alle Weißen als Bestien gezeichnet. Aber: Auch wenn sie noch so widerlich wirken, sie sind natürlich nur ein Schatten der Bestien von Sand Creek, die sich in Denver feiern ließen und stolz auf eine Showbühne traten, um dem wild applaudierendem Publikum ihre Sand Creek-Trophäen (Skalps als auch abgeschnittene Brüste und Genitalien) zu präsentierten. 

 

Mattei und Fragasso entwickeln mittels der visualisierten Gewalt und ihren fiesen Vertretern (Ryder und Co.) beim Publikum einen Mechanismus, der diese Personen für sie (die Rezipienten) gewissermaßen attraktiv macht, womit ich jenen Hass der Rezipienten anspreche, der das Töten dieser Bestien legitimiert. Das Ganze funktioniert zwar, aber es würde auch in jedem Horror-, Terror- oder sonstigen Film funktionieren. Der Output ist halt dem Selbstzweck geschuldet, da sich die Verantwortlichen mit Passion jener Mittel bedienen, die sie bei genauer Überlegung eigentlich kritisieren sollten. Aber dazu wird die Zeit ohnehin nicht gelangt haben, denn unter Brunos Skalp ratterten bereits die nächsten kampfgigantischen Projekte. 

 

DER WEISSE APACHE bricht keine Lanze für die Native Americans, bereinigt nicht die Historie und lässt keinen Revisionismus stattfinden. Er sucht keinen Zugang zu den Dingen, sondern beutet sie schlicht und ergreifend aus. Die Indianer sind somit Teil einer bekannten Rachestory, über die ein mit Brutalität, Gewalt und Menschverachtung geladenes Füllhorn entleert wurde. Unter dem Strich steht wenig Spannung und noch weniger Niveau, aber viel Exploitation und noch mehr Selbstzweck. 

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