Cristiana, die Besessene

Italien, 1972

Originaltitel:

Cristiana monaca indemoniata

Alternativtitel:

Life of a Nympho (AUS)

Los amores de una ninfómana (ESP)

Georgina, la nonne perverse (FRA)

Kristiana, i amartoli kalogria (GRC)

Cristiana monaca indemoniata - La vocazione (ITA)

A Freira Diabólica (PRT)

Loves of a Nymphomaniac

Cristiana Devil Nun

Our Lady of Lust

Deutsche Erstaufführung:

2. April 2016

Inhalt

Die leichtlebige Cristiana (Toti Achilli) schwört während eines drohenden Flugzeugabsturzes ihrem sündigen Leben zu entsagen und Nonne zu werden, wenn Gott sie rettet. Im Kloster fällt es ihr aber schwer, ihre liebgewonnenen Triebe zu unterdrücken. Als sie in Ungnade fällt, verlässt sie das Kloster, ergreift die Profession ihrer sich prostituierenden Mutter und gerät in schlechte Gesellschaft. Und so erwartet Cristiana außerhalb ihres schwankenden Glaubens nur Leid und Tod.

Review

CRISTIANA MONACA INDEMONIATA habe ich erstmals im April 2016 auf dem 3. Terza Visione in Nürnberg gesehen, wo Christoph Draxtra unter großen Mühen eine seltene italienische Kopie liebevoll zusammengeklebt hat. Mit deutschen Untertiteln versehen wurde er dort unter dem Titel CRISTIANA, DIE BESESSENE gezeigt. Wie Christoph schon damals in seiner Einführung zum Film bemerkte, entzieht sich Bergonzellis Film mit Nachdruck einer Kategorisierung in ein bestimmtes Genre. In seiner Wildheit ist er, trotz eines völlig anderen Themas, Bergonzellis VERBOTENE ZÄRTLICHKEITEN (Io cristiana studentessa degli scandali, 1971) ähnlich, welcher unmittelbar zuvor entstand.

 

Severin Films hat nun in der Nunsploitation-Box „Nasty Habits“ Bergonzellis Film in zwei Fassungen auf Blu-ray veröffentlicht. Leider ist CRISTIANA, DEVIL NUN aber der einzige Film in der Box, welcher Region Free ist. Ich weise nicht auf diese Box hin, um Werbung zu machen, sondern weil sich so die Gelegenheit bot, den beeindruckenden Film mal wieder zu sichten. Interessant ist hierbei besonders, dass sowohl der US-X-Cut als auch die Italienische Originalfassung vertreten sind. Man hat hier gute Arbeit geleistet, und obwohl im Vorspann für die Alternativfassung Bruno Mattei für den Schnitt angegeben wird, handelt es sich bei den Fassungsunterschieden anscheinend ausschließlich um Alternativmaterial von Bergonzelli selbst.

 

Die italienische Kinofassung ist selbstredend die Längere mit ihren knapp 102 Minuten. Aufgrund der laut Severin schlechten Materiallage bei der italienischen Kopie hat man diese Fassung aus dem US-Cut und der Originalfassung zusammengestellt, dann den italienischen Ton drübergelegt und englisch untertitelt. Nur selten ist mir dabei aber ein größerer Qualitätsunterschied aufgefallen. Gegen Ende, wo der US-Kopie in den Szenen mit den Prostituierten einiges an Dialog fehlte, sind die Szenen aus der italienischen Kopie etwas dunkler. Nichtsdestotrotz muss das eine ziemliche Puzzle-Arbeit gewesen sein. Die italienische Originalfassung hat mehr Dialog, dafür bietet der US-Cut jedoch zahlreiches Alternativmaterial, in denen die Darsteller weniger bekleidet oder in explizitere sexuelle Handlungen verwickelt sind. Für die italienische Fassung hat man folgerichtig die entschärften Szenen eingefügt, so wie es der Originalfassung entspricht. Bergonzelli scheint sich bewusst gewesen zu sein, dass bestimmte Inhalte im Kontext mit einer Nonnengeschichte in Italien problematischer sein würden.

 

Der US-Cut bietet mehr Nacktszenen und – wenn ich richtig gezählt habe – drei kurze Hardcore-Inserts. Letztere müssten aber auch von Bergonzelli stammen, denn sie zeigen augenscheinlich die Darsteller aus der Orgien-Szene im Haus von Cristinas Mutter, sind nur früher im Film platziert worden. Ein paar Dialoge wurden dagegen verkürzt, was zur Lauflänge von nur 92 Minuten führt. Alternativszenen fallen immer wieder auf. So ist etwa die Szene, in der Prostituierte einen Hund liebkosen, an derselben Stelle, mit denselben Darstellern, aber es ist ein anderer Take. Und das ist nur ein Beispiel, es gibt zahlreiche Momente, in der man andere Takes derselben Szene zu sehen bekommt, meist mit weniger Kleidung.

 

Was macht CRISTIANA, DIE BESESSENE so beeindruckend? Sergio Bergonzelli inszeniert ihn anarchisch, wie einen bösen Studentenfilm, straight in your face. Wenn sich der Zuschauer in einem bestimmten Genre zuhause zu fühlen beginnt, ändert er dieses. Hat der Zuschauer das Gefühl, eine bestimmte Richtung zu erkennen, schmettert ihm Bergonzelli höhnisches Glockengeläut ins Gesicht, laut und in Großaufnahme. Und eine Message? Denkt man nach dem tragischen Finale über eine mögliche Message nach, müsste man Schlüsse ziehen, die Bergonzelli sicher nicht im Sinn hatte. Die Symbolik von Namen und Story im Film bezieht sich wiederum so vage auf literarische Vorlagen, dass sie dem Gelegenheitszuschauer kaum geläufig sein werden. Faszinierend ist ebenso, wie ein und derselbe Film unfreiwillige Komik und über jeden Verdacht erhabene gelungene dramatische Momente aneinanderreiht. Dürfte ich Bergonzellis Film in einen Kunst-Kontext setzen, so hat er hier im Grunde die Strömung der Jungen Wilden der 80er Jahre vorausgenommen. Denn trotz sichtbarer Bezüge zu Hippies und Jet-Set entzieht sich CRISTIANA, DIE BESESSENE in seiner Wildheit auch seinem Jahrzehnt.

 

Erhellend wären – möglicherweise – ein paar kurze Interviews gewesen, in denen sich Bergonzelli selbst zum Film geäußert hat. Auf der Severin-Disc ist leider nichts dergleichen zu finden, und die Interviewschnipsel mit Bergonzelli, welche man zum Beispiel bei youtube finden kann, sind dort ausschließlich in Italienisch.

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