Cops

Frankreich | Italien, 1995

Originaltitel:

Poliziotti

Alternativtitel:

Policier (FRA)

Policemen

Poliziotti - Das Ehrenwort eines Mafiosi

Regisseur:

Giulio Base

Inhalt

Im Zug nach Turin lernen sie sich kennen: Lorenzo Ferri, genannt Lazzaro, der, nachdem er einen Gangsterboss und dessen Leute zusammengeschossen hat, strafversetzt wurde, und Andrea, der seine Uniform voller Stolz trägt und sehr auf die Vorschriften achtet. So unterschiedlich die beiden sind, freunden sie sich trotzdem an. Turin ist kalt, und die Einsamkeit groß … Andrea soll den Gangster Sante Carella in dessen Krankenhausbett bewachen, wohin dieser sich mit Hilfe von ein paar Mittelchen hat „versetzen“ lassen. Sante lullt Andrea ein indem er ihm vorgaukelt, dass er es nur gut mit ihm meint, eigentlich nur auf Weiber scharf ist und sonst eigentlich ein ganz patenter Kerl ist. Was für eine harte Nummer Sante in Wirklichkeit ist muss Andrea lernen, als dieser ihm bei einem Ausflug in einen Nachtclub entwischt. Lazzaro versucht zwar zu helfen, aber so ganz sauber ist der schließlich auch nicht, hat er doch, anstatt bei Sante auf Wache zu sein, stattdessen den Mörder seines Bruders zusammengeschlagen und an die Polizei geliefert. 24 Stunden hat Lazzaro Zeit, Sante wiederzufinden, sonst ist Essig mit dem Polizistendasein.

Autor

Maulwurf

Review

Die 90er-Jahre waren für die italienische Filmwirtschaft keine leichte Zeit. Die goldenen Jahre der 60er und 70er waren durch, die Stars aus der guten Zeit waren alt geworden, und Geld gab es auch keines mehr. Die Umsätze wurden im Fernsehen des Silvio Berlusconi gemacht, was dann auf der Leinwand als Resultat zu Filmen wie SONJAS EXZESSE führte: Nett gemacht, nett gemeint, und was nett bedeutet wissen wir ja alle. Anspruchsvolleres Kino gab es nur noch im Arthouse-Bereich, und Genrekino mit Anspruch und Budget wurde immer seltener. DIE ESKORTE – IM VISIER DER ANGST fällt mir da ein, oder PALERMO MILANO – FLUCHT VOR DER MAFIA, aber die Masse der italienischen Filme aus dem 90ern schaut eher aus wie WENDEKREIS DER ANGST – Nett gemacht undsoweiterundsofort …

 

Es gehörte also eine gewisse Portion Chuzpe dazu, einen Film POLIZIOTTO zu nennen, immerhin die Überschrift über ein ganzes Genre das mal verdammt erfolgreich war, und die Hauptrollen mit den Kindern einstiger Größen zu besetzen: Claudio Amendola ist der Sohn von Feruccio Amendola (u.a. MACISTE – HELD VON SPARTA) und damit auch Großenkel des Drehbuchautors Mario Amendola (u.a. viele Nico Giraldi-Filme), und Kim Rossi Stuart ist natürlich der Sohn von Genrelegende Giacomo Rossi Stuart (der so viele Filme gedreht hat, dass ich hier jetzt glaube ich keinen nennen muss). Dazu Michele Placido, der noch von seinem Ruhm in ALLEIN GEGEN DIE MAFIA zehrte und den beiden Jungstars ein wenig Unterstützung geben konnte, sowie die schöne Marokkanerin Nadia Farès, die dann ein paar Jahre später in DIE PURPURNEN FLÜSSE mal kurzzeitig Ruhm einstreichen konnte, und hier eher für das Vergnügen des männlichen Kinobesuchers sorgen sollte.

 

Und das Ergebnis? Nun ja, POLIZIOTTI fängt fulminant an, mit einem Cop der seinen toten Bruder blutig rächt, sowie einer Parallelmontage aus einem Gefangenen der irgendwelches Zeugs zu sich nimmt um auf die Krankenstation zukommen, und einem impressiven Vorspann. Dazu harter Techno, Schnitt im Rhythmus der Musik, und der Zuschauer wird ganz schnell und ganz intensiv in die Geschichte hineingewirbelt.

 

Leider verliert die Story dann zunehmend an Tempo, was aber durch die ein oder andere Peinlichkeit fast ausgeglichen werden könnte. Der Tod eines Polizisten in Zeitlupe ist zum Beispiel dermaßen platt und einfallslos umgesetzt, dass die Inszenierung bedeutend mehr schmerzt als das, was da auf dem Bildschirm passiert. Nach diesem zelluloidgewordenen Klischee gewinnt der Film angenehmerweise wieder ein wenig Fahrt: Lazzaro macht sich auf die Mörderhatz, wofür er aus dramaturgischen Gründen 24 Stunden Zeit hat. 22 Stunden vertrödelt er damit, dass er sich eine Waffe besorgt und in der Gegend herumsteht. Dann stößt er auf Stella, vergibt zwei ziemlich einfache Möglichkeiten den Mörder in die Hände zu bekommen, und schläft erstmal mit Stella. Als nächstes schafft er es sich so dämlich anzustellen, dass er Stella, die ihm helfen könnte, nicht nur vergrätzt, sondern sie auch noch seine Knarre behält …

 

Kommt mir nicht mit Glaubwürdigkeit. Glaubwürdigkeit in einem Polizziotto würde im vorliegenden Fall bedeuten, dass Lazzaro ganz Turin persönlich umpflügt, um den flüchtigen Sante in die Finger zu bekommen. Stattdessen gibt er sich alle Mühe, seine persönliche Schuld an der Situation zu ignorieren, die Konsequenzen aus dieser Schuld zu vergessen, und lieber mit der heißen Stella zu vögeln. Na gut, man muss ja Prioritäten setzen, aber nicht nur an dieser Stelle lahmt das gesamte Konstrukt einfach etwas …

 

Lazzaro wird als coole Socke dargestellt, der im Intro unter den Gangstern auf den Spuren eines Commissario Ferro ordentlich aufräumt. Sein Nachname ist Ferri, was mir der Übersetzer im Internet mit Werkzeug oder Messer angibt. Also gut, einigen wir uns vielleicht auf einen Cousin des eisenhaltigen Kommissars. Aber wir sind mittlerweile in den 90ern angelangt, und da hat Eigenmächtigkeit so seine Konsequenzen: Versetzung in den Norden, Besuch beim Friseur … Aber Lazzaro bleibt wild, in der Kaserne raucht er sogar im Schlafraum, der Schelm, und er ist trotz meiner leichten Ironie der Sympathieträger des Films.
Feiner herausgearbeitet, aber auf den ersten Blick nicht ganz so sympathisch, ist der Charakter des Andrea. Ein junger Polizist, der die Uniform angezogen hat, weil Großvater und Vater das auch schon gemacht haben, der aber viel zu weich ist für diesen Job. Sante kann ihn um den kleinen Finger wickeln, und das Schachspiel zwischen Sante und Andrea ist symptomatisch: Sante plant lange im Voraus, ist intrigant und raffiniert, und weiß genau wie er Menschen benutzen muss um für sich den maximalen Vorteil herauszuschlagen, ihnen dann aber anschließend vorzuspielt, dass sie ach so klug seien. Andrea ist schwach und verführbar, er kann einem Manipulator wie Sante keine Gegenwehr bieten, und als er das erkennt sind die Konsequenzen tragisch. In der Figur des Andrea haben Drehbuch und Schauspieler eine wunderbare Synthese erschaffen, die einen Menschen aus Fleisch und Blut generiert, und der mit dem Maurizio Merli-Klon Lazzaro ein hübsches Gespann abgibt. Ein Buddy-Film italienischer Machart, Murtaugh und Riggs in Turin. Nur ohne die Kollateralschäden, die amerikanische Buddy-Cops im Allgemeinen so anrichten. Aber wenn Lazzaro mit den Waffendealern aufräumt kommt richtig Stimmung wie früher auf. Auch der Opener ist ordentlich inszeniert, und der Schlusskampf bietet einige heftige Härten.

 

Das Problem dabei ist: Viel mehr hat es nicht! Plattitüden à la Hure mit Herz auf dem rechten Fleck, die dem Cop trotz allem hilft, solche Flachheiten waren bereits 1996 schon nicht mehr allzu aufregend, und heute ist das nicht viel anders. Gerade dass die E-Gitarren nicht jaulen und die Synth-Drum tackert. Dabei ist die Musik gar nicht mal so schlecht. Unterlegt mal mit nervigem Jazz, mal mit einer knackig angejazzten Variante von Led Zeppelins Kashmir und mal mit Techno, macht die Tonspur ordentlich Stimmung, was man übrigens auch von der guten deutschen Synchro sagen kann. Aber irgendwie mag POLIZZIOTI nicht zu den Prioritäten meiner Filmsammlung gehören. Die Darsteller machen ihre Sache sehr gut, Michele Placido, den ich normalerweise nicht sonderlich schätze, hat hier eine sehr dankbare Rolle, und Nadia Farès nackt ist schon mehr als nur ein feuchter Traum. Aber es hat einfach zu viel Klischee um wirklich Spaß zu machen, und zu wenig Action um den Anspruch eines Buddy-Movies zu erfüllen. Die Mischung wirkt etwas unausgegoren, was eigentlich sehr schade ist, aber die ganz große Begeisterung mochte bei der Sichtung einfach nicht aufkommen.

Autor

Maulwurf

Links

OFDb
IMDb

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