Bandidos

Italien | Spanien, 1967

Originaltitel:

Bandidos

Alternativtitel:

Bandidos - elä kostaaksesi (FIN)

Bandidos - Ihr Gesetz ist Mord und Gewalt (BRD)

Banditos - blodhævn over Billy Kane (DNK)

Crepa tu... che vivo io (ITA)

Guns of Death

Mannen med de genomskjutna händerna (SWE)

Um Dolar para Matar (BRA)

You Die... But I Live

Deutsche Erstaufführung:

2. August 1968

Inhalt

Der Gunfighter Billy Kane und der Mexikaner Vigonza haben gemeinsam mit ihren hemmungslosen Halunken während eines Eisenbahnüberfalls ein Massaker unter den Fahrgästen angerichtet. Einer der wenigen Überlebenden ist der Kunstschütze Richard Martin. Doch sein Fortbestehen kostet ihn (Martin) einen hohen Preis, da Kane mittels gezielter Pistolenschüsse Martins Hände ein für allemal zerstört. Auch wenn Martin von Stund an nicht mehr als Kunstschütze agieren kann, bleibt ihm sein theoretisches Wissen erhalten. Dieses gibt er an einen talentierten Pistolenschützen weiter, der als Jahrmarktschütze und unter dem Pseudonym Ricky Shot ein paar Dollar in die gemeinsame Kasse spülen soll. Doch wer mit dem Colt umgehen kann und diese Fähigkeiten in die Wilde Welt des Western hinausposaunen lässt, der lebt verflucht gefährlich, da diverse Schweinehunde immerzu darauf lauern, einem Kunstschützen das Lebenslicht auszupusten. Dieses geschieht freilich ohne großes Risiko und auf besonders hinterhältige Weise, sodass Ricky Shot das Zeitliche segnet und seine Position neu besetzt werden muss. Sein Nachfolger wird ein zwielichtiger Fremder, dessen Vergangenheit…

Review

Eieiei, ich habe soeben Aufzeichnungen entdeckt, die ich vor 12 Jahren nach der Sichtung von BANDIDOS gemacht und anschließend in einem Horrorfilmforum gepostet habe. BANDIDOS als einen durchschnittlichen IW zu bezeichnen, der nur Genrefans interessieren könnte, klingt zugleich peinlich wie pomadig und reflektiert eine geringe Genrekenntnis. Man muss jedoch immer zu dem stehen, was man mal gemacht hat, auch wenn es noch so haarsträubende wie peinliche Aus- respektive Eindrücke vermittelt. Seitdem habe ich natürlich unzählige Filme wie Bücher konsumiert und emsig an meiner Rezeptionsfähigkeit gearbeitet, sodass ich diesen tollen Westerns mit der nun folgenden Besprechung deutlich pfleglicher behandeln werde. 

 

BANDIDOS ist die erste und einzige Westernregiearbeit von Massimo Dallamano, der seine Karriere beim Film als Kameramann startete. Er lieferte die Fotografie zu Mantel-und Degenfilmen als auch Peplum-Vehikeln sowie zu fünf Italo-Western, welche die ersten beiden Vertreter der Dollar-Trilogie inkludieren. Dallamano war allerdings nicht nur ein hervorragender Kameramann, denn wer als Regisseur von Filmwerken wie DAS GEHEIMNIS DER GRÜNEN STECKNADEL und DER TOD TRÄGT SCHWARZES LEDER verantwortlich zeichnet, der hat bewiesen, dass er (auch auf diesem Sektor) gewaltig was auf dem Kasten hat(te). 

 

Für BANDIDOS war Dallamano in Personalunion tätig. Er saß auf dem Regiestuhl und stellte sich hin und wieder im Wechsel als auch gemeinsam mit Emilio Foriscot hinter die Kamera. Dass Dallamano viel wert auf eine beeindruckende Fotografie legte, belegt während der Expositionsphase eine ergiebige Kamerafahrt entlang eines von Desperados überfallenen Eisenbahnzugs. Eine Kamerafahrt, die uns unzählige Leichen präsentiert und die mich erfolgreich mit auf die Reise nehmen konnte, denn ich hatte tatsächlich den Eindruck als würde ich mich selbst entlang der Eisenbahnwagons bewegen, vorsichtig das Schlachtfeld abtastend, stets auf der Hut, um nicht von den Massakerverantwortlichen entdeckt zu werden. Wie so etwas funktioniert? Unser Auge sitzt bekanntlich in der Kamera, und gute Kameraleute können diesen Sachverhalt, die optische Identifikation mit dem jeweiligen Standpunkt der Kamera, erfolgreich vermitteln und einen solchen Effekt beim Zuschauer aktivieren.

 

Besagte Kamerafahrt ist der Nachhall einer überaus brutalen Vorgehensweise von Outlaws, die zuvor den Zug überfallen haben und kaltblütig einen Fahrgast nach dem anderen eliminierten. Es wird somit schnell klar, dass die Desperados keine niedrig positionierte, sondern gar keine Hemmschwelle besitzen. Eine Erkenntnis, die uns umgehend vor Augen führt, dass BANDIDOS im Areal der harten Genrevertreter angesiedelt ist. Simultan zu diesem Bewusstwerden lernen wir drei Charaktere kennen, die für den weiteren Verlauf des Films von großer Bedeutung sind. Billy Kane und Richard Martin, die vermutlich ein in der Vergangenheit liegendes Ereignis verbindet als auch ein Schwarzfahrer, der von den pflichtbewussten Zugbegleitern aus dem stählernen Ross verwiesen wird. 

 

Martin ist einer der wenigen Überlebenden des Massakers und schwört Kane, dass er ihn bei nächster Gelegenheit zur Rechenschaft ziehen wird. Kane respektiert die Aussage, zerschießt allerdings, um den treffsicheren Pistolenschützen seiner Kräfte zu berauben, dessen Hände. Eine unmissverständliche Allegorie. Das im IW bewährte religiöse Motiv, welches in der Kreuzigung Christi wurzelt. Da Martin fortan seine Hände nicht mehr nutzen und somit nicht mehr seinen Lebensunterhalt als Kunstschütze bestreiten kann, ist sein Wesen von Selbstmitleid geprägt, das die Leiden Christi symbolisiert. Nebst seinem Selbstmitleid wuchert in Martin vehement der Drang nach Rache. Eine ersehnte Abrechnung, deren Erfolgsaussichten gleich Null sind. Folglich gibt er einem talentierten Pistolenschützen sein Wissen weiter und lehrt ihn den Umgang mit fünf- und sechsschüssigen Handfeuerwaffen. Dass diese Person, die auf den Künstlernamen Ricky Shot hört, von nun an Martins Hände sind, muss ich vermutlich nicht explizit erwähnen. 

 

„Das ist eine Sache, die nur dich und ihn angeht!“ 

 

Lässt Ricky Shot mit Blick auf die Fehde zwischen Billy Kane und Richard Martin verlauten. Doch wird er dieses Urteil schon bald revidieren. Den dazu benötigten Impuls werden Sie allerdings während Ihrer Filmsichtung und mit Sicherheit nicht von mir erfahren, auf das Sie die Gesamtsituation mal schön selbst analysieren können. Während Ihrer Nachforschungen wird Sie der Film mit einer knisternden Spannung versorgen, welche Sie in das Geschehen hineinzieht. Dallamano hatte halt ein gutes Händchen und wer sich seine Inszenierungen DAS GEHEIMNIS DER GRÜNEN STECKNADEL und DER TOD TRÄGT SCHWARZES LEDER aufmerksam angeschaut hat, der wird dieses Urteil auch mit Brief und Siegel bestätigen. 

 

Ich muss im Kontext von Dallamanos inszenatorischen Fähigkeiten gestehen, dass es dem Regisseur gelang, kraft der von Venantino Venantini verkörperten Figur - Billy Kane - eine Sympathie für das Abjekte aufzurufen - so habe ich es jedenfalls erlebt. Ich wusste, dass Kane zwar zu jeder Schweinerei fähig ist, aber ich war dennoch bereit, ihm diese zu verzeihen. Kane ist halt kein Dummkopf und er hebt sich auf kognitiver als auch auf emotioneller Ebene deutlich von seinen Lumpenhunden ab. Er versteht es, den geistig minder bemittelten Halsabschneidern mittels einer sarkastischen, Hannibal Lecterischen Wortführung den Spiegel vor Augen zu halten, um sie als den allerletzten Abschaum zu entlarven als auch zu etikettieren. So stellt er beispielshalber einen seiner Handlanger, Sam, als einen Kinderschänder vor, der eine 10jährige verführt hat. Der Angesprochene schlägt mit seiner Antwort allerdings dem allegorischen Fass den Boden aus, denn seine Rechtfertigung lautet, dass jenes betroffene Mädchen wie eine Elfjährige aussah. Damit sollte klar sein, mit welchem Pack wir in diesem Film konfrontiert werden. 

 

Anstand und Moral zählen ebenso wenig wie ein Menschenleben. Es wird nicht gefragt oder diskutiert, sondern grundsätzlich gekillt. In diesem Zusammenhang finde ich eine Szene besonders interessant. Einer von Billys Männern erschießt einen Kunstschützen, ohne ihm die Chance zu einem fairen Pistolenduell zu geben. Der kaltblütige Mord wurzelt in einer Wette, die dem Täter einen Gewinn von 5 Dollar zusichert. Hier wird einerseits der von Hollywood erfundene Gunfighter, der stets auf der Suche nach Gleichgesinnten ist, um diese im Duell zu töten und einhergehend seine Bekanntheitsstatus nach oben zu schrauben, parodiert. Andererseits lässt sich die Tat als acte gratuit bezeichnen. Eine motivlose wie willkürliche Tat, die dem Täter eine größtmögliche Souveränität (der Genuss als Herr über Leben und Tod zu walten) liefert. Okay, wie Sie nun sicherlich verinnerlicht haben, liefert BANDIDOS zahlreiche ausgesprochene wie unausgesprochene Bedeutungen, über die man sich während wie nach der Sichtung Gedanken machen kann. Also sehen Sie zu, dass Sie diesen harten, düsteren und spannenden Western, der den Sensemann zur Akkordarbeit anstachelt, irgendwo auftreiben können. Es lohnt sich.

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