Die eiskalten Killer

Italien, 1978

Originaltitel:

Porci con la P.38

Alternativtitel:

Los violentos del Magnum 38 (ESP)

Inhalt

Der alte Boss teilt sein Imperium zwischen seinen drei Vertrauten auf: Ein Stückchen an John (Luciano Pigozzi), ein Stückchen an Peter (Giancarlo Sisti), und ein Stückchen an den schmierigen Max Astarita (Gabriele Ferzetti). Der Alte schwört die drei darauf ein, ein einig Volk von Brüdern zu sein, doch natürlich kommt was kommen muss: Ein Killer meuchelt sowohl den Alten wie auch kurz darauf John. Und während der ahnungslose Polizeiinspektor Morris (Marc Porel) noch munter Discotheken stürmt und Verdächtige Drogenkonsumenten zusammenschlägt, wohnt der Zuschauer bereits dem aufziehenden Drama bei: Die schöne Frau ohne Namen ist die Frau von Peter und die Liebhaberin von Max, und weiß in dieser Konstellation zu viel um sich nicht bestens abzusichern. Problemlos wartet sie ab wer von den beiden in diesem Spiel gewinnen wird, um demjenigen dann ihre Zuneigung zu schenken. Der Einsatz ist ein Koffer mit immerhin einer Million Dollar, von Peter hinterlegt in einem Schließfach.

Autor

Maulwurf

Review

Ich weiß gar nicht so recht, wo ich da anfangen soll? Bei dem stückwerkhaften Drehbuch? Bei der amateurhaften Regie? Beim Schnitt der aussieht, als ob ein Kind mit Schere und Tesa durch die gedrehten Filmrollen durchgegangen ist? Oder einfach bei dem Umstand, dass der Film in Amerika spielt, und die amerikanische Polizei in 131er Fiats unterwegs ist, mit Fantasieuniformen und großen Klebebuchstaben am Auto? Die Drehorte sind mit großer Sicherheit mal in den Alpen (ich glaube das Val Bregaglia erkannt zu haben) oder möglicherweise in den Abruzzen, und die Settings sind so italienisch wie nur was. Was mag da schief gegangen sein?

 

Gianfranco Pagani war seines Zeichens eigentlich Produktionsleiter, der sich dann irgendwann mal an zwei Filme gewagt hat: Den Erotikfilm TRE SCIMMIE D’ORO, immerhin mit Laura Antonelli, und den Poliziotto DIE EISKALTEN KILLER, der rein besetzungstechnisch einiges bietet. Mit Gabriele Ferzetti, Laura Belli, Marc Porel und Raymond Pellegrin in den Hauptrollen war das Budget wahrscheinlich schon soweit erschöpft, dass Pagani nicht viel anderes übrig blieb, als den Rest quasi im Alleingang zu machen: Regie, Drehbuch und Schnitt lagen als wichtigste Betätigungsfelder alle in seiner Hand, und das Ergebnis ist, nun ja, wie soll ich es sagen … Durchwachsen. Ein Koch verdirbt viel Brei …

 

Streng genommen ist der Film erstmal ein ziemlicher Stuss. Die Personen laufen durch das Bild wie auf der Suche nach einem Wurstbrötchen, und wenn sie keines finden stehen sie in der Gegend herum und stieren in die Kamera oder an die Wand. Die Dekors sind genau so, wie man es sich bei einem extrem unterbudgetierten Film vorstellt, nämlich kaum vorhanden (das Polizeirevier wird dadurch identifiziert, dass 3 (in Worten: Drei) schief aufgehängte Bilder mit Gesichtern eine Fahndungsliste darstellen sollen), und die bereits erwähnten Klebebuchstaben an den „Polizeiautos“ machen die Sache auch nicht besser.

 

Raymond Pellegrin sitzt im Wesentlichen an seinem Schreibtisch und fragt sich, was zur Hölle er da tut, aber immerhin legt er dabei eine rechte Spielfreude an den Tag. Trotzdem, für einen Schauspieler, der rund 100 Filme in seiner Vita stehen hat, ist seine Anwesenheit schlichtweg verschenkt. Luciano Pigozzi hat höchstens knappe 5 Minuten Spielzeit, und dann kommen wir bereits zu den Hauptfiguren: Marc Porel hat einen schnieken Anzug an und strahlt die Coolness eines Inspektors aus, der genau weiß wo er die Verdächtigen im Verhör schlagen muss damit es nicht auffällt. Mit dem Fuß an den Hals, um Beispiel. … Sein Inspektor Morris ist zum zweiten Mal verheiratet, nämlich mit der wunderschönen Gloria (Laura Belli), und seine erste Frau wurde von Gangstern getötet. Seitdem befindet sich Morris im Krieg mit der Unterwelt. Es gibt keine Unschuldigen oder Verdächtigen mehr, es gibt nur noch ihn und die Schweine da draußen. Schweine mit einer Walther 38 (so der übersetzte Originaltitel). Das gängige Sujet des Poliziottos, dem prügelnden Cop einen mäßigenden Vorgesetzten an die Seite zu stellen ist hier nicht, Morris hat alle Freiheiten die er will. Folgender, sinngemäß wiedergegebener, Dialog findet per Funk statt: „Inspektor Morris, wo befinden sie sich?“ „Kann ich nicht sagen, ich folge meinem Instinkt.“

 

Als Gegenspieler haben wir Giancarlo Sisti als Peter und Gabriele Ferzetti als Max Astarita. Ersterer bleibt eher blass, weswegen er die Bühne dann auch irgendwann wieder verlassen darf. Denn Astarita ist der Mann der Stunde. Mit den Informationen seiner Geliebten, welche die Frau Peters ist/war, besitzt er schnell den Schlüssel in dem Spiel. Astarita lacht schmierig, lächelt schmierig, ist schmierig. Astarita hat ein sonniges Gemüt: Als ihm der Gepäckaufbewahrungsschein für den Millionenkoffer von einem Taschendieb gestohlen wird, lacht er, und freut sich, und schaut in die Sonne – Alles wird gut! So ein Gemüt hätte ich auch gerne, wenn mal wieder alles so richtig schief geht …

 

Aber Astarita bekommt wie erwähnt einen Koffer mit dem Inhalt von einer Million Dollar, da macht man als habgierige Frau auch mal gute Miene zum bösen Spiel. Denn der Hauptcharakter in DIE EISKALTEN KILLER ist definitiv Lea Landers namenlose Frau. Die Frau, die sich gleich zwei Gangstern hingibt und in aller Ruhe abwartet, wer denn letzten Endes das Rennen machen wird: Peter oder Astarita. Die Frau handelt kühl, überlegt, schnell entschlossen, und ist für alle Liebhaber von ruchlosen Frauen ein wahrer Leckerbissen. Was sie macht als sie nach Hause kommt, und ihren Süßen im Drogenrausch im Bett mit einer anderen findet, das dürfte die Grundlage für das berühmte klingonische Sprichwort Tarantino’scher Provenienz sein. So wenig Screentime Lea Lander zu Beginn hat, so wichtig wird sie im Lauf des Films noch, und die Entwicklung, die sie dabei durchläuft, ist eine spannende und interessante Sache. Ihre letzten Worte im Film sollte man eher der mauen deutschen Synchro zurechnen, ihr Filmcharakter würde niemals so sinnlos winseln. Eine eiskalte und steinharte Frau, die ihren Weg bis zum Ende geht. Ein weiblicher Lee Marvin. Beeindruckend!

 

Vielleicht nicht ganz so beeindruckend ist hier Marc Porel. Der Schweizer Schauspieler hat in den ersten zwei Dritteln recht wenig zu tun, und wenn er mal was macht, dann tritt und schlägt er entweder auf nebensächliche Verdächtige ein, oder er steht am Schießstand und durchlöchert Zielscheiben. Vorzugsweise mit Zeichnungen von Menschen darauf. Sein Familienleben ist nett, aber etwas patchworkig. Doch die traute und zu Beginn etwas überflüssig erscheinende Familienidylle hat filmlisch gesehen immerhin einen Sinn, denn irgendwann wird von Astaritas stümperhaftem Mann fürs Grobe Morris‘ Töchterchen gekidnappt, und seine Frau Gloria gleich hinterher. Mächtig böser Fehler, denn Morris klemmt sich eine Kippe in den Mundwinkel, setzt sich in seinen Ford Mustang, und fährt die Staatsstraße 104 auf und ab bis irgendwas passiert. Jawoll! Ein knallharter Cop, der genau weiß, wie er zu ermitteln hat: Keine Fahndung ausrufen, sondern abwarten bis eine Streife das Versteck der Gangster gefunden hat. Wenn Polizeiarbeit so ginge, wäre ich auch gerne Cop geworden …

 

Nein im Ernst, Marc Porel macht seine Sache hier sehr gut, und ist einer der Gründe, warum der Film trotz einer ewigen Auflistung von Idiotie-Faktoren trotzdem halbwegs funktioniert. Klar, man ist die ganze Zeit am Kopfschütteln – Entweder über die hanebüchenen Schnitte, oder über das zweizeilige Drehbuch. Und wenn dann doch mal irgendwas Ernsthaftes passiert, dann kommt sofort die deutsche Video-Synchro daher und macht die ganze Stimmung wieder kaputt. Aber der Film hat einfach was. Ständig passiert etwas Unvorhergesehenes, man muss die ganze Zeit sorgfältig aufpassen, und die vollkommen vertrottelten Gangster sorgen immer wieder für handfeste Überraschungen. Was ich sagen will ist dies: In einem Film von zum Beispiel Umberto Lenzi weiß man genau, wie sich der Kriminelle gleich verhalten wird. Hier verhält er sich anders! Unüberlegter. Dümmer. Und damit, für den Zuschauer, überraschender und spannender.

 

Darum mag ich DIE EISKALTEN KILLER nicht einfach als langweilig verteufeln, und ich mag ihn genauso wenig in die Trash-Ecke stellen, denn da gehört er eigentlich gar nicht hin. Er ist halt nur … billiger als andere Poliziotteschi. Billiger nicht nur in Hinsicht des Budgets, sondern auch in seinem ganzen Flair, aber dabei schafft er es tatsächlich, einigermaßen zu unterhalten. Das Niveau eines, sagen wir, PROVINZ OHNE GESETZ wird selten erreicht, darüber zu bleiben schafft es DIE EISKALTEN KILLER meistens …

Autor

Maulwurf

Veröffentlichungen

DIE EISKALTEN KILLER war in Deutschland lange indiziert. Warum zur Hölle war dieser Halb-Trash bitte sehr indiziert?? An der Gewalt kann es nicht gelegen haben, die ist eher zurückhaltend. Full Frontal Nudity gibt es mehrere Male zu sehen, unter anderem bei einer Fotosession mit zwei jungen Mädels, die nackt posieren, und die Darstellerin der schönen Drogenabhängigen darf auch lang und breit zeigen was sie hat. Aber insgesamt kommt der Film für seine Entstehungszeit recht zahm rüber. Vielleicht war es das ausgiebige Product Placement, da außer einem VW Käfer und einem Scirocco sonst nur Autos der Marke Opel zu sehen sind? So oder so gibt es den Film in Deutschland nur als VHS-Veröffentlichung von der Firma Arena, und selbst in Italien scheint der Streifen nur als VHS vorzuliegen. Eine italienisch-sprachige VHS aus der Schweiz sowie eine spanische Betamax sind mir bei der Suche noch begegnet, und das scheint es dann sogar international gewesen zu sein.

Autor

Maulwurf

Links

OFDb
IMDb

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