Die heiße Nacht der Killer

Italien | Spanien, 1974

Originaltitel:

La muerte llama a las 10

Alternativtitel:

Epafi prin ap' ton fono (GRC)

Le calde labbra del carnefice (ITA)

The Killer Wore Gloves (USA)

Hot Lips of the Killer

Satan's Last Supper

Regisseur:

Juan Bosch

Inhalt

Nach einer eigentlich illusorischen Beobachtung im dichten Straßenverkehr Londons, kehrt die junge und aufstrebende Autorin Peggy Foster (Gillian Hills) völlig aufgelöst und verunsichert nach Hause zurück: Peggy ist fest davon überzeugt, eine halbe Stunde zuvor ihren Lebenspartner Michael an ihr vorbeifahren gesehen zu haben, was aber wiederum ein Ding der Unmöglichkeit darstellt, da sich ihre bessere Hälfte bereits seit mehreren Monaten als Kriegsberichterstatter in Vietnam aufhält und nach der glaubhafter Aussage ihrer Freundin Jackie Polianski (Silvia Solar) dort auch weiterhin zugegen ist. Somit scheint die arme Peggy einer optischen Halluzination zum Opfer gefallen zu sein, was die in ihrer Wahrnehmung völlig verfahrene Situation aber auch nicht besser macht.

 

Unsere nervlich angeschlagene Autorin hat aber auch noch an einem weiteren, weitaus schwerwiegenderen Problem zu Knabbern, da sie aufgrund der längeren Abwesenheitsperiode ihres Partners zwischenzeitlich in größere finanzielle Nöte geraten ist und daher notgedrungen ein Zimmer ihres recht üppigen Appartements an einen ihr unbekannten Geologen aus Liverpool untervermieten möchte. Dieser lässt auch nicht sehr lange auf sich warten und steht bereits am darauffolgenden Tag mit nur einem schwarzen Koffer bewaffnet zum vorzeitigen Einzug auf der Matte parat. Nachdem Peggy ihren etwas unheimlich wirkenden Untermieter John Kirk Lawford (Bruno Corazzari) in seine neuen Wohnräume einweisen konnte, überschlagen sich plötzlich die Ereignisse:

 

Alles beginnt mit einem ominösen Anruf ihres händeringend gesuchten Partners Michael, worin er unserer erstaunten Autorin offenbart, dass er sich zur Zeit entgegen aller Ansagen doch gerade in London aufhält und sie nun schnellstmöglich an einem abgelegenen Flugplatz treffen müsse. Dort angekommen, erwartet Peggy aber anstatt ihres erhofften Michaels lediglich eine von unbekannter Hand abgefeuerte Revolverkugel zur Begrüßung, welche aber glücklicherweise ihr anvisiertes Ziel verfehlt. Als unsere Schriftstellerin daraufhin völlig entgeistert nach Hause zurückkehrt, erwartet sie gleich vor der Haustüre bereits der nächste Schicksalsschlag, da sich ihr neuer Untermieter bereits wenige Stunden nach seinem Einzug mit einem beherzten Sprung aus dem 4. Stock suizidierte und nun seine unhübsch anzusehenden Überreste in ihrer vollen Pracht vor ihr auf dem Gehweg ausbreitet. Kurz darauf stößt Frau Forster in ihrer Wohnung dann auch recht zügig auf den Nachlass des verblichenen Kamikazespringers: Ein bis zum Rand mit Geldbündeln beladener Koffer der Farbe Schwarz. Doch viel Zeit zum Überlegen bleibt der guten Peggy dabei nicht, da es bereits im nächsten Moment schon wieder an ihrer Haustüre klingelt und sich erneut ein gewisser John Kirk Lawford (Ángel del Pozo) als ihr neuer Untermieter vorstellt. Ab diesen Moment weiß Peggy überhaupt nicht mehr wie ihr geschieht und Paranoia macht sich breit: Welcher der beiden unbekannten Gäste ist jetzt der wahrhaftige John Kirk Lawford? Woher stammt der schwarze Geldkoffer? Warum möchte ihr der erfolgreiche Londoner Verleger Ronald James (Stelio Candelli) ständig an die Wäsche? Was weiß seine nymphomanisch veranlagte Sekretärin Shirley (Orchidea de Santis) tatsächlich über den aktuellen Aufenthalt ihres Partners Michael? Was hat ihr unheimlicher Nachbar, der kontrabassspielende Katzennarr Mr. Lewis (Carlos Otero) eigentlich mit der ganzen Sache zu tun? Warum müssen plötzlich so viele unschuldige Menschen aus ihrem engeren sozialen Umfeld ihr Leben lassen? Wer steckt bloß hinter den Morden? Und wo steckt jetzt überhaupt Michael?

Review

"Wo ist Michael?"

 

So lautet die meistgestellte Frage in diesem italienisch-spanisch co-produzierten Giallo, der 1974 unter der Regie des gerade erst kürzlich von uns gegangenen Juan Bosch (“THE KILLER WITH THOUSAND EYES”, “RANCHEROS”, “FÄUSTE WIE DYNAMIT”) entstand. Die Inszenierung fällt im vorliegenden Fall zwar recht unspektakulär aus, wobei ich dieses unscheinbare Genre-Kleinod trotzdem sehr mag, da es eine ordentliche Prise des damals vorherrschenden Zeitgeistes auf die Leinwand transportiert und auch ansonsten recht hübsch anzusehen ist. Handwerklich ist der Film recht einfach gehalten, aber dem spanischen Regisseur ist es nichtsdestotrotz gelungen, im Großen und Ganzen eine sehr ansprechende Optik zu hinterlassen.  Die Auflösung des Plots kann schließlich auch überzeugen und entpuppt sich als eine kleine Überraschung (Achtung Spoilerwarnung: Wer diesen Film noch nicht gesehen, der sollte dringendst das Anschauen des deutschen VHS Covers vermeiden, da dort völlig schmerzfrei der letztendliche Killer abgebildet wurde). Zudem hält das Finale noch eine motorrisierte Verfolgungsjagd parat, die dem Film dann einen passenden Ausklang verpasst. Außerdem enthält der Film einige recht verworrene Handlungsstränge, wobei die einzelnen Charaktere recht oberflächlich gehalten werden und bis zum Ende hin völlig undurchschaubar wirken. Viel Hintergrundwissen über die jeweiligen Protagonisten erhält man hier aber nicht. Der Film beginnt zunächst mit einer von der weiteren Story losgelösten Einleitung, bei der zwei unbekannte, mit schwarzen Koffern bewaffnete Herren an einem unbekannten Flughafen ankommen und kurz darauf findet in den sanitären Räumlichkeiten des Airports bereits der erste grausame Mord statt. Die Geschichte an sich beginnt zunächst etwas verworren, wobei der weitere Verlauf recht spannend erzählt ist und zudem mit fast allen genrenotwendigen Ingredienzen wie  z.B. einem unbekannten Handschuhträger, hochglanzpolierten Schneide- und Schlitzwerkzeug, eine paar recht blutigen Mordvorfällen oder einer hübsch anzusehende Hauptdarstellerin ausgestattet ist.

 

Somit wären wir auch schon bei der 1944 in Kairo geborenen “Gillian Hills” (“BLOW UP”, “HEIß AUF NACKTEN STEINEN”, “DÄMONEN DER SEELE”, “) angelangt, die in der Rolle der leicht paranoiden Peggy Forster eine gute Figur abgibt. Am meisten Freude bereitete mir aber der Auftritt der allseits beliebten und einzigartigen Hackfresse “Bruno Corazzari” (“TOTE ZEUGEN SINGEN NICHT”, “DAS RÄTSEL DES SILBERNEN HALBMONDS”, “EISKALTE TYPEN AUF HEIßEN ÖFEN”), dessen Darbietung zu den ganz klaren Highlights dieser Inszenierung zählt. Corazzari spielt hier den vermeintlich neuen Mitbewohner John Kirk Lawford, der schon gleich zum Zeitpunkt des Einzugs erst einmal seine neue Vermieterin auf eine recht unangenehme Weise anmacht und somit -wie so häufig- einen sehr zwielichtigen Eindruck hinterlässt. Ein weiterer bekannter Gesichtsmime hört auf den Namen “Carlos Otero” (“DIE CHANCE IST GLEICH NULL”, “DIE GANZE MEUTE GEGEN MICH”, “DER LANGE TAG DER RACHE”), der in der vorliegenden Story den katzenvernarrten Nachbarn Mr. Lewis verkörpern darf. Otero spielt dabei die Rolle des unheimlichen Kauzes sehr überzeugend und zupft zudem täglich “einen flotten Darm” auf seinem heißgeliebten Kontrabass.

 

In weiteren Rollen können dann auch noch “Ángel del Pozo” (“VON ANGESICHT ZU ANGESICHT”, “CRYSANTHEMEN-BANDE”, “DRACULA JAGT FRANKENSTEIN”) als ein weiterer John Kirk Lawford, “Stelio Candelli” (“INFERNO UNTER HEIßER SONNE”, “COP HUNTER”, “YETI – DER SCHNEEMENSCH KOMMT”) in der Rolle des schmierigen und dauerbereiten Verlegers Ronald James, “Orchidea de Santis” (“SOLO-KONZERT FÜR EINE PISTOLE”, “LIEBE UND TOD IM GARTEN DER GÖTTER”, “DER TEUFEL KOMMT NACHTS”) als seine bereitwillige Sekretärin Shirley oder “Silvia Solar” (“MIKE MORRIS JAGT AGENTEN IN DIE HÖLLE”, “MAN STIRBT NUR EINMAL”, “DAS LABYRINTH DES SCHRECKENS”) als dubiose Lebensberaterin bestaunt werden.

 

Der wundersame Score von Marcello Giombini ist sehr nett anzuhören und wartet zudem mit recht kuriosen Soundkonstrukten auf, deren Ursprung eine Bontempi Orgel des Modells „Psychedelica 500“ vermuten lässt. Neben einem feierlichen Auftakt werden auch zahlreiche Kompositionen mit leichten Funk- oder Jazzanleihen dargeboten, denen zudem der unnachahmliche „Wah Wah-Effekt“ auferlegt wurde. Absolut kultverdächtig!

 

Abschließend folgt noch ein kurzer Hinweis zur deutschen Synchro, die in diesem Fall recht ordentlich ausgefallen ist und oftmals für gute Laune sorgt.

 

Fazit: Ein sehr charmantes Genre-Kleinod, dem zukünftig auch sehr gerne mal eine Veröffentlichung zuteil werden darf.

Links

OFDb

IMDb

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