Simon
Hallo.
Wenn ich den Film im O-Ton schauen möchte, verstehe ich es richtig, dass die Originalsprache Englisch ist, obwohl es sich um...
Women Against Women, a Tale of Sex and Violence (CAN)
Las evadidas (ESP)
Violez les otages! (FRA)
Jailbirds (GBR)
Escape from Women's Prison (USA)
Einer Gruppe verurteilter Straftäterinnen rund um die Terroristin Marina (Lilli Carratti) gelingt es, aus dem Gefängnis zu fliehen. Fortan zeichnet sich ein regelrechter Rachefeldzug ab, der auf all diejenigen abzielt, die in den Prozessen gegen die Frauen entscheidende Rollen für deren Verurteilung gespielt haben. Auf der Flucht nehmen die Ausbrecherinnen einige Geiseln und wenig später stellt sich heraus, dass eine von ihnen die Tochter des damals verantwortlichen Richters ist. In seinem Haus angekommen, stellen sie ihre Gewaltbereitschaft und Perversion unter Beweis und die Situation eskaliert nach kürzester Zeit. Wird die Polizei den Wettlauf gegen die zu allem entschlossenen Frauen verlieren..?
Ein Ausbruch aus dem Knast ebnet den Weg für den Zuschauer, dem letzten Abschaum dabei zuzusehen, in welch turbulente und womöglich tatsächlich perverse Situationen sie noch gelangen werden. Für all diejenigen die sich in Gefängnisfilmen wohlfühlen kommt es schnell zu der willkommenen Gewissheit, dass man hier auf die richtigen Pferdchen gesetzt hat, schließlich gefallen sich die Damen in wenig zimperlichen Drohgebärden und glänzen nahezu mit dem ordinärsten Gossenton. Es ist zu vermuten, dass die vier Frauen diese sprachlichen Raffinessen bereits vor ihrem Urlaub auf Staatskosten drauf hatten, aber es ist ebenso anzunehmen, dass der Wortschatz dort bedeutend verfeinert, womöglich erweitert wurde. Beim geneigten Zuschauer sorgt diese Haudrauf-Strategie des Regisseurs Giovanni Brusadori gleich von Anfang für ein großes Vergnügen und es ist wieder einmal mehr als klar, dass man derartige Filme vielleicht bedingungslos mögen muss, um sich auf höchstem, oder besser gesagt, niedrigstem Niveau unterhalten zu fühlen.
"Le evase - Storie di sesso e di violenze" legt ein gutes Tempo vor und erfreut mit charakteristischen Zutaten,. Dabei ist die Geschichte jedoch altbekannt, was aber nicht weiter tragisch ist, schließlich kommt es auf die reißerische Umsetzung an. Erste Rangeleien, und den deutschen Titel untermalende Anspielungen, sorgen für eine gute Aufmerksamkeit und es ist einem so, als wisse man genau, wo diese Reise hingehen wird. Plötzlich sind politische Untertöne zu vernehmen, die in eine handelsübliche Rache-Geschichte gehüllt sind, und darüber hinaus offenbaren sich willkommene Pointen im Rahmen von Sarkasmus und Zynismus, die die trostlos wirkende Szenerie gekonnt auflockern, beziehungsweise erschüttern. Besetzungstechnisch bekommt man es in diesem Beitrag im wahrsten Sinne des Wortes mit den üblichen Verdächtigen zu tun, deren vornehmste Aufgabe es gewesen zu sein scheint, derartige (oder ähnlich geartete) Produktionen tatkräftig und unter vollstem Körpereinsatz zu unterstützen.
Die darstellerischen Leistungen erweisen sich als angemessen und am prägnantesten sind selbstverständlich die Darbietungen der weiblichen Entflohenen, die durch gut einstudierte Choreografien in Wort und Tat für Aufsehen sorgen werden. Interessant ist, dass ein paar Damen trotz ordinärer Anstriche teilweise kultiviert wirken, im nächsten Moment jedoch wieder gerne auf die Tube drücken und somit durch - für einen derartigen Film - angemessenes Verhalten auffallen. Besonders ins Auge fallen die beiden hübschen Interpretinnen Lilli Carati aus Italien und ihre tschechische Kollegin Zora Kerova, die auch in darstellerischer Hinsicht überzeugen können. Es dauert recht lange, bis es zu ersten Veranschaulichungen im den Bereichen exzessiver Gewalt, sexueller Nötigung und Mord und Totschlag kommt, was zugunsten eines sorgsamen Aufbaus in die zweite Reihe gereicht wurde. Die dem Produktionsjahr überaus angepasst wirkende musikalische Untermalung versucht mit allen verfügbaren Mitteln, die zugegebenermaßen etwas schwächelnde Spannungskurve aufzupolieren.
Die größte Enttäuschung bei "Im Knast der perversen Mädchen" bleibt die Tatsache, dass es keine Szenen aus dem klassischen Gefängnisalltag gibt, was sich bei Genre-Kollegen immer als wichtige Zutat im Sinne eines gefügigen Verstärkers herauskristallisiert hat. Auch wenn die geflohenen Damen, für die Kavaliersdelikte offensichtlich ein Fremdwort darstellen, alles tun, Ebenbilder aus der Gosse so glaubhaft wie nur möglich darzustellen, fehlen in schwachen Momenten doch Personen aus dem Dunstkreis sadistischer Aufseher_innen, oder brutale Bandenaktivitäten, sowie das natürliche Vakuum des Gefängnisses an sich. Überdurchschnittlich gut weiß hingegen die deutsche Synchronisation mit ihren gepfefferten Wortspitzen zu gefallen, die diesen Verlauf quasi unermesslich aufwerten kann, und ihn in einem empfunden besseren Licht dastehen lässt, als es eigentlich der Fall wäre. Unterm Strich bleibt mit Giovanni Brusadoris Arbeit jedoch ein dienstbarer und letztlich produktiver Vertreter des "WiP"-Genres stehen, der vor allem kurzweilig und unterhaltsam ausgefallen ist.
Ich nehme hier mal die Blu-ray-Veröffentlichung von Severin Films in den USA zum Anlass, eine zweite Review zu Giovanni Brusadoris „Le evase - Storie di sesso e di violenze“ hinzuzufügen. Der italienische Titel, der übersetzt so ungefähr „Der Ausbruch – Eine Geschichte voller Sex und Gewalt“ bedeutet, ist deutlich passender als der deutsche Titel, welcher einen WIP-Film suggeriert, was schlicht nicht der Fall ist. Dem Genre zurechnen könnte man ihn in gewisser Weise dennoch.
Worum geht’s? Vier Frauen brechen aus dem Knast aus. Monica (Lilli Carati) ist eine berüchtigte Terroristin und hat die anderen Drei – eine Diebin, eine Prostituierte und eine Mörderin – nur mitgenommen, weil sie beim Ausbruch brauchte. Anschließend will man sich eigentlich trennen, und Monica will mit ihrem Bruder fliehen, der in einem Wagen auf sie wartet. Doch es kommt zu einer Schießerei, bei der zwei Polizisten getötet werden, so dass man doch zusammenbleibt. Monicas Bruder ist angeschossen, und man benötigt weitere Hilfe, die sich unerwartet ergibt.
Diese vier Frauen sind vom Drehbuch ganz gut charakterisiert. Monica glaubt an ihre Ideale, ist dennoch die Pragmatische. Lilli Carati spielt diese Rolle überzeugend, ihren Ruf eine gutaussehende aber schlechte Schauspielerin zu sein, straft sie jedenfalls ausreichend Lüge. Eine besonders gute Performance liefert Marina Daunia. Sie spielt Diana, eine hartherzige Lesbe, und mit ihrem prägnanten Gesicht und ihren energetischen Bewegungen in einem drahtigen Körper verleiht sie ihrem Charakter Kraft. Es scheint unverständlcih, dass diese Frau eine so einseitige und kurze Filmographie aufweist. Die Dritte im Bunde ist Ada Pometti, die ihren Charakter mit komödiantischer Lüsternheit belebt. Die etwas fülligere Artemia Terenziani ist Betty, und gerade dieser Charakter weiß mit mürrischer Bestimmtheit eine ganze Palette von Emotionen zu verkörpern. Außen hart, innen weich. Artemia Terenziani entdeckte Bruisadori selbst auf einer Bühne eines experimentellen Theaters, „Der Knast der perversen Mädchen“ blieb ihr einziger Filmauftritt. Erwähnenswert mag noch die Tatsache sein, dass Brusadoris Film eine sehr preiswerte Produktion ist, und alle Darsteller – abgesehen von Lilli Carati, die aufgrund einer gewissen Popularität etwas mehr bekam – 100.000 Lire (etwa 50 Dollar) als Tagesgage erhielten. Brusadoris Wunschdarstellerin für die Hauptrolle wäre Gloria Guida gewesen, nachdem er diese aber nicht bekommen konnte, hatte man ihm Carati vorgeschlagen. Im Nachhinein war er mit dieser Entscheidung sehr zufrieden.
Doch nun weiter mit der Flucht. Man kreuzt den Weg eines Reisebusses voller Tennisspielerinnen nebst Trainer uns Busfahrer, und es kommt zu einem Unfall. Die vier (mit dem verletzten Bruder fünf) Flüchtigen nehmen alle als Geiseln. Unter den Tennismdchen seien drei hervorgehoben, die im weiteren Verlauf wichtigere Rollen spielen. Da wäre Terry (Ines Pellegrini), welche schnurstracks eine schwere Form von Stockholm-Syndrom entwickelt und Terroristin Monicas unterstützt. Sie schlägt vor, das nahegelegene Haus eines ihr bekannten Richters (Filippo de Gara) aufzusuchen, der dann ebenfalls zur Geisel wird. Die dunkelhäutige Ines Pellegrini kennt man beispielsweise aus Pasolinis „Erotische Geschichten aus 1001 Nacht“ (Il fiore delle mille e una notte, 1974) und „Die 120 Tage von Sodom“ (Salò o le 120 giornate di Sodoma, 1975). Ebenfalls unter den Reisemädchen finden sich Zora Kerova, welche kurz zuvor durch Claudio Giorgis „American Fever“ eine gewisse Popularität erlangt hatte. Dirce Funari war Brusadori als Playboy-Playmate geläufig und wurde von ihm für die eher sensible Rolle der Claudine ausgesucht, welche sich im Folgenden um Monicas verletzten Bruder kümmert und sich gegen einen Vergewaltigungsversuch durch Diana wehren muss.
Der nicht näher benannte Richter spielt ebenfalls eine wichtige Rolle. Erst baggert er Monica an, wird dann von den anderen gezwungen sich in die Hosen zu pinkeln. Zudem hat er während eines Ausflugs in eine nahegelegene Apotheke (um Medikamente für den Verletzten zu besorgen) dem Apotheker eine Nachricht hinterlassen, durch die schließlich die Polizei den Flüchtigen auf die Spur kommt, was mit einem Showdown im Haus des Richters endet. Aber egal. Es gibt viele Nacktszenen. Es gibt jede Menge sexueller Gewalt, sowohl an Frauen als auch an Männern verübt. Brusadori lässt es in dieser Hinsicht krachen. Besonders krachen lässt es allerdings der Dialogregisseur, welcher den Film nach einer ersten, nicht so ganz zufriedenstellenden Endbearbeitung mit reichlich deftigen Texten aufwertete.
Wer ist Giovanni Brusadori? Nun, augenscheinlich ein ebenso netter wie bescheidener Mann, über den längst nicht alles gesagt oder geschrieben wurde. „Le evase - Storie di sesso e di violenze“ war seine einzige Spielfilmregie, das steht fest. Ferner hat er nach eigener Aussage noch Dokumentationen gedreht, keine davon ist leider in Filmdatenbanken zu finden. Er war bei zahlreichen Filmen als Regieassistent tätig, aber auch hier listen die Filmdatenbanken nur magere Zwei auf. Auch seine Filmographie als Nebendarsteller – immer wieder auch bei Pupi Avati – ist unvollständig, um es mal milde auszudrücken. Mit seiner einzigen Spielfilm-Regie scheint er sehr zufrieden, auch wenn es Dinge gab, die ihm nicht so gefielen. Hier benennt er etwa die Product-Placements (J&B, wer hätte das gedacht), die man ihm aufgezwungen hat, weil man mehr Budget brauchte. Die zahlreichen Nacktszenen wurden von ihm erwartet, eine kommerzielle Notwendigkeit, die er einsah, und auch den Darstellerinnen im Vorfeld als solche vermittelte. Lilli Carati bestand seinerzeit darauf, dass es nicht zu sexuellen Handlungen oder Pornografie kommen dürfe – dies änderte sich in Caratis Filmographie im Jahre 1988.
„Le evase - Storie di sesso e di violenze“ ist eine Produktion von Bruno Fonatana und Aldo Maglietti. Auf IMDb ist noch Dick Randall als Produzent angegeben, der war aber eher für den Vertrieb der kürzeren Internationalen Fassung (1984) zuständig, welcher wohl auch die deutsche Fassung zugrunde liegt. Brusadori gibt an, seine Unerfahrenheit als Regisseur nur mithilfe eines guten Teams kompensiert haben zu können, insbesondere Kameramann Nino Celeste und Pier Dante Longanesi, welcher drei verschieden Positionen in der Vorbereitung bekleidete. Gedreht wurde in der Gegend um Parma, vornehmlich in einem kleinen Hotel (im Film das Haus des Richters), in dem auch die gesamte Crew und die Darsteller untergebracht waren. Die Stimmung am Set empfand er so als sehr familiär. Lediglich Lilli Carati sei sehr zurückhaltend gewesen und schien – nach seinem persönlichen Eindruck – private Probleme gehabt zu haben, in die er aber nicht näher eindringen wollte.
Zum Schluss noch eine unschöne Anekdote. Brusadori hatte einige Vorstellungen von „Le evase - Storie di sesso e di violenze“ besucht und stieß dabei stets auf volle Kinos. Nach Aussage seines Distributors würde der Film aber gar nicht gut laufen. In einem ausverkauften Kino in Rom stieß er auf die Erklärung. Jenes Kino hatte zwei Säle, in einem – dem Ausverkauften – lief Brusadoris Film, in einem weiteren ein Film (den er nicht nennen will) eines anderen Distributors. In diesem anderen Film herrscht gähnende Leere in den Sitzreihen. Der Kinobesitzer gesteht ihm, gegen Schmiergeld die Gewinne von Brusadoris Film dem anderen angerechnet zu haben. Das scheint keine Ausnahme gewesen zu sein, sondern eine (harte) gängige Praxis im italienischen Kinogeschäft. Brusadoris Verleiher klagte gegen den anderen Verleiher, ob die Klage Erfolg hatte, ist allerdings nicht bekannt.
Die Blu-ray von Severin Films bietet den kürzeren US-Cut (83 Minuten, Englisch) in einer 4k-Abtastung der bestmöglich erhaltenen Kopie vom NY-Distributor 21st Century Film Corp. Das „bestmöglich“ sollte man wörtlich nehmen, denn eine Offenbarung wird einem hier weder bei Bild noch Ton geboten. Die Fassung ist aber trotzdem gut ansehbar.
Weiterhin liegt die italienische Originalfassung (96 Minuten) mit englischen Untertiteln vor, hier bewegt man sich im Rahmen einer guten DVD-Kopie. Als Bonus gibt es den US-trailer und ein halbstündiges Interview mit dem Regisseur.
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Frank Faltin
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