Midnight Killer

Italien, 1986

Originaltitel:

Morirai a mezzanotte

Alternativtitel:

Midnight Horror (FRA)

Terror à Meia-Noite (POR)

Carol Will Die at Midnight

You'll Die at Midnight

Der Mitternachts Killer

Midnight Ripper

Regisseur:

Lamberto Bava

Inhalt

Kriminalkommissar Piero Terzi glaubt zunächst nicht an die Theorie der Polizeipsychologin Anna Berardi, dass die jüngsten Frauenmorde auf das Konto des berüchtigten Franco Tribbo gehen. Dieser kam vier Jahre nach seiner Inhaftierung bei einem Brand in der psychiatrischen Abteilung des Gefängnisses ums Leben. Dennoch wird er von mehreren Zeugen in der Nähe der Tatorte gesehen. Konnte Tribbo, der das Feuer damals selbst legte, entkommen? Oder hat jemand sein Erbe angetreten und begibt sich nun auf einen mörderischen Rachefeldzug?

Review

Die Zutaten für einen gelungenen Giallo kennt Lamberto Bava aus dem filmischen Werk seines Vaters. Die Ungewissheit, die Verunsicherung und die Demütigung durch Angst sind dabei von essentieller Bedeutung. Die Atmosphäre einer permanenten Bedrohung legt den Grundstein für das Gelingen des Films, der nach "A Blade in the Dark" erneut auf ein zurückliegendes Trauma baut und die tödlichen Folgen eines nicht aufgearbeiteten Verbrechens aufzeigt. Die Faszination, welche rätselhafte Serienmorde transportieren, entsteht in regelmäßigen Abständen immer wieder neu, besonders, wenn Daten unter Verschluss gehalten werden oder das Thema aufgrund neuer Fälle wieder aktuell wird. Dabei sieht es zu Anfang noch nach einem klassischen Fall von Eifersucht aus, der häusliche Gewalt provoziert und deren blutiger Verlauf den Ehemann zum Tatverdächtigen Nummer Eins werden lässt. Die Tatsache, dass es sich dabei um einen Polizeibeamten handelt, wird nicht übermäßig betont, obwohl in vielen Gialli ein negatives Bild der Ordnungskräfte gezeichnet wird. Paolo Malco gibt als Hauptermittler einen besonnenen Mann, der sich der aufkommenden Hysterie um die Rückkehr des Mörders Franco Tribbo verschließt und wissenschaftliche Ergebnisse höher bewertet als Spekulationen über ein Phantom. Eine besondere Note erhält die Handlung durch Terzis Tochter Carol, die von Lara Wendel mit sympathischer Ausgewogenheit dargestellt wird. Sie recherchiert den archivierten Fall Tribbo als Studentin der Kriminalpsychologie und zieht ihre eigenen Schlüsse. Des Weiteren bewahrt sie die Nerven, als sie selbst in Gefahr gerät und sich die Schlinge immer fester um ihr Umfeld zusammenzieht. In diesem Zusammenhang gibt es erneut eine Referenz an "A Blade in the Dark", als eines der Mädchen einen Roman mit dem Titel "Blood" liest, dessen Titelbild ein Messer zeigt, das durch eine Hand sticht. Ebenso erinnern die weitläufigen Gänge des geschlossenen Hotels an die Abgeschiedenheit des "Hauses mit dem dunklen Keller". Lamberto Bava bleibt seinen stilsicheren, aber dennoch gewaltintensiven Werken treu, wobei er präzise und schlüssig vorgeht. Die Handlungen des Täters greifen auf bewährte Muster zurück und verbreiten dadurch Angst und Schrecken. Die Gewissheit, dass er so lange töten wird, bis sich das Reservoir an Opfern erschöpft, hält die Spannung aufrecht.

 

Valeria d'Obici als Anna Berardi gibt in der Spurensuche nach dem Phantom mit dem Eispickel die Richtung vor. Ihr Beruf verlangt nach distanzierter Analyse, doch nun vermischen sich Dienstliches und Privates und ein guter Freund von ihr steht unter dem Verdacht, ein Mörder zu sein. D'Obici zeigt ihre Anna als pragmatische Frau, die man nicht so leicht erschrecken kann und sie scheint trotz der Gedanken, die sie sich um die neue Mordserie macht, sehr gefasst. Dennoch hat der Fall Tribbo, der bereits über zehn Jahre zurückliegt, Eindruck auf sie gemacht und beschäftigt sie auch außerhalb der Arbeitszeiten. Wie sehr sich der Frauenmörder bereits in ihrem Gedächtnis eingenistet hat, zeigt sich, als sie sein Gesicht plötzlich im Spiegel ihres Wohnungsflurs sieht. Zum ersten Mal verliert sie ihre Beherrschung, doch da sie bald wieder sachlich über den Fall diskutiert, wird der kurze Augenblick ihrer Agonie wieder vergessen. Anna ist der Ruhepol im aufgeregten Umfeld ihrer Studenten und Berufskollegen, weshalb der Zuschauer zunächst gar nicht merkt, dass sich die Identifikation von Anna auf Carol verlagert. Der Schauplatzwechsel in das einsame "Hotel Progresso" sorgt dafür, dass die Spannungsschraube noch einmal fester gezurrt wird und die jungen Mädchen dem gestörten Killer sozusagen auf dem Präsentierteller angerichtet werden. Er kann nun seelenruhig eine nach der anderen töten, ohne Konsequenzen fürchten zu müssen, da die Abgeschiedenheit des geschlossenen Raums ihm Schutz vor Strafverfolgung bietet. Er hat von nun an keinen anderen Gegner zu fürchten als sich selbst. Dennoch lässt die Anspannung nicht nach, weil die Heldin des Films generell unter dem sprichwörtlichen Schutz des Zuschauers steht, der um sie bangt. "Midnight Killer" scheint den Weg allerdings bis zum Ende gehen zu wollen und obwohl die Morde im Vergleich mit anderen Genrevertretern nicht übermäßig brutal ablaufen, sorgen die gelungenen Kameraeinstellungen für gleichbleibenden Nervenkitzel. Das Präludium für die Morde äußert sich in einem Zurückweichen des Objektivs, das in schwindelnde Höhen klettert, um dann unvermittelt jene eruptive Gewalt zu zeigen, die aus dem Nichts zu kommen scheint, jedoch auf kaltblütiger Planung beruht und in den Taten ein Ventil sucht, der Vergangenheit ausweichen und sie besiegen zu können. Der Kreislauf schließt sich deshalb fortnehmend schneller, was den Angstpegel in die Höhe schnellen lässt.

 

Die Frage, ob es sich der Giallo zur Aufgabe gemacht hat, den Zuseher auf unkonventionelle Weise zu unterhalten oder ob er auch eine sozialkritische Funktion erfüllt, kann im vorliegenden Fall nicht eindeutig beantwortet werden. Die tödlichen Messerattacken gelten ausschließlich Frauen, was bereits als klassisches Muster des Genres gesehen werden kann. Der Ursprung der Taten fußt in der Vergangenheit, was für eine psychologisch anspruchsvolle Geschichte spricht, die mehr zu bieten hat als die sexuell motivierte Raserei eines Serienmörders. Neben der traditionellen Arbeit der Polizei befasst sich auch eine Gruppe von Studentinnen mit dem archivierten Fall und beleuchtet die neuen Taten mit wissenschaftlichem Interesse. Die Hintergründe der neuen Mordserie deuten auf die oft geäußerte Theorie hin, dass sich ein Opfer aus seiner passiven Rolle befreien will, indem es selbst zum Täter wird, wobei der Fall hier ein wenig komplizierter liegt. Das Kräftemessen mit der Polizei stellt für den Täter eine sportliche Herausforderung dar und erhöht für ihn den Reiz, sich ein fürs andere Mal dem Zugriff der Ordnungshüter zu entwinden. Letztendlich ist es jedoch nicht der Kriminalkommissar, der sich im finalen Kampf mit dem Täter bewähren muss, sondern dessen Tochter, welche einen neuen Frauentyp verkörpert, der sich aus den Geschlechterklischees befreit und sich der Gefahr klug und mutig in den Weg stellt. Die Frage, inwiefern Lamberto Bava hier ein Exempel statuieren möchte und vom eingefahrenen Muster des typischen Giallos abweicht, kann erst beantwortet werden, wenn der Vorhang gefallen ist und alle Identitäten offengelegt worden sind. Dann zeigen sich Ursache und Wirkung, die einiges begreifbar machen und dem Film - ähnlich wie bereits in "A Blade in the Dark" - Tiefe verleihen. Der Schrecken erfährt ein langes Echo und jagt dem Publikum nachträglich Schauer über den Rücken, wenn es sich vor Augen führt, dass es viele solcher wandelnder Zeitbomben gibt, die mitten in der Gesellschaft jederzeit hochgehen können. Lamberto Bava versteht sein Handwerk jedenfalls mindestens so gut wie sein berühmter Vater und fügt dem Genre moderne Nuancen hinzu, die dem Wandel der Zeit entsprechen und gleichzeitig auf bewährte Weise zu unterhalten wissen. Das Zusammenspiel der optischen und akustischen Elemente darf als überaus gelungen bezeichnet werden und macht diesen Film zu einem würdigen Vertreter des Genres.

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