Mike Murphy 077 gegen Ypotron

Frankreich | Italien | Spanien, 1966

Originaltitel:

Agente Logan - missione Ypotron

Alternativtitel:

Mission secrète pour Lemmy Logan (FRA)

S077: Operación relámpago (ESP)

Operation 'Y' (GBR)

Ypotron - Final Countdown (USA)

Ypotron

Deutsche Erstaufführung:

23. Juni 1967

Regisseur:

Giorgio Stegani

Inhalt

Die INDRA, eine Weltraumraketenfabrik, ist vom frostigen Odem des Todes durchzogen, da ein Teil der Kollegenschaft des Geheimagenten Mike Murphy, nämlich Mary, Stone und Margret auf mysteriöse Weise ums Leben kamen. Ungeachtet dessen soll Murphy, seines Zeichens Spezialagent 077, primär den Grund eruieren, warum die INDRA ausgerechnet Professor Morrow, der Murphy einst das Leben rettete, als Forscher verpflichtet hat. Nahezu zeitgleich zu Mikes Erstkontaktaufnahme zur Professorentochter, Jeanne Morrow, wird jedoch die allerseits geschätzte Forschungskoryphäe (Professor Morrow) von Unbekannten entführt, sodass die Doppel Sieben postwendend einem kniffligen Ratespiel gegenübersteht.

Review

„Mein Deckname ist 077.“ (Mike Murphy)

 

Am bundesrepublikanischen Agentenfirmierungswirrwarr beteiligt sich auch Mike Murphy, dessen eigentlicher Agentennamen Lemmy Logan (wahrscheinlich dem fiktiven FBI-Mann Lemmy Caution geschuldet) lautet. Sein Agentenkürzel ist wiederum deckungsgleich mit dem von Jack Clifton respektive Dick Malloy, die von den Filmverleihern überaus geschätzte 077. Ich könnte den Faden nun weiterspinnen, behalte mir dieses allerdings für weitere Eurospy-Besprechungen vor, sodass die Entwirrung peu à peu und am Beispiel des jeweils agierenden Agenten erfolgen wird, also:

 

„Auf Wiedersehen, Freunde, olé!.“

 

Trällert G. G.Hoffman, die deutsche Stimme des Universalagenten (Mike Murphy), und weist mehr oder minder dezent darauf hin, dass er sich seit zwei Minuten im Urlaubsmodus befindet und gedanklich bereits per Motorschiff (die tosenden Wellen durchpflügend) über blaues Gewässer rast und dabei die feurigen Küsse seiner drei Begleiterinnen sowie die emporwirbelnden und erfrischenden Tropfen des Kielwasser genießt. Eine (imaginierte oder reale?) Urlaubsszenerie, die von den hübschen musikalischen Klängen eines Nico Fidenco umschlossen wird. Diese auf den Namen „Ypotron“ getaufte Musikkomposition erfüllt meines Erachtens nicht ungedingt die Erwartungen, die man an das Leitmotiv eines Eurospy-Vehikels stellt, da die Tondichtung dezente Linien zu Fidencos späteren Klangschöpfungen, welche diverse (mit Laura Gemser besetzte) Sexploitation-Filme aufhübschte, erlauschen lässt.

 

Da das Agentenleben bekanntlich kein Lotterleben ist, wird die Rücksichtnahme - sofern die Pflicht ruft - augenblicklich ad acta gelegt und Mike prompt aus der (imaginierten oder realen?) Urlaubswelt sowie aus den Armen seiner Mädels und den einhergehenden mit Sexploitation kompatiblen Bild- und Klangkompositionen herausgerissen, um anschließend seinen neuen Auftrag, der ihn nach Spanien führen wird, in Empfang zu nehmen. Nachfolgend definiert der Film die Suche (also die Fahndung nach Professor Morrow und dessen Ambitionen sowie die Fahndung nach seinen Entführern und dem Grund für die Menschenverschleppung) als (s)eine fortwährende Bewegung, welche jedoch nicht mit einer topografischen Bewegung einhergeht, da der Film auf ein (im Agentenfilm gern praktiziertes) Chargieren zwischen den Kontinenten verzichtet.

 

„Ypotron wird das Weltall beherrschen.“ (Professor Morrow)

 

„Mike Murphy gegen Ypotron“ zieht sein Sujet freilich aus dem Standartthema Kalter Krieg, allerdings mit der Prämisse, dass nicht allein der der Wettkampf um eine Waffe, sondern die Fähigkeiten einer bestimmten Person und die damit verbundene Ambition, die Kontrolle über den Weltraum zu gewinnen, eine gewichtige Rolle spielt. Das „closing of the frontiers“, welches den Abschluss von Eroberung sowie einhergehender Besiedlung und Zivilisierung des westlichen Kontinents dokumentiert, provoziert diesmal die Reise zu einem unerforschten Terrain, das Weltall, welches den terroristischen Pionieren den gesuchten Spielraum für Eroberung, Inbesitznahme und Totalitarismus offeriert. Auch wenn schlussendlich eine Rakete gestartet wird, sollten Sie (um keiner falschen Erwartungshaltung zu erliegen) beachten, dass sich das im vorangegangenen Satz beschriebene Szenario einzig auf der Metaebene anspielt!

 

Mit den umrissenen Ingredienzien spielt allerdings wesentlich deutlicher „Moonraker - Streng  geheim“, da der Regisseur (Lewis Gilbert) den Agentenfilm mit den Bestandteilen einer Space Opera kombiniert. Bond-Gegenspieler Hugo Drax hat eine geheime Weltraumstation errichtet und beabsichtigt die Menschheit zu vernichten, um anschließend - von Megalomanie und Nietzsches Übermensch-Theorie inspiriert - die Erde unter seiner Führung mit von ihm ausgewählten Metamenschen neu zu besiedeln. Die Bedrohung wurde demnach ausgelagert, denn die Invasion (mit dem  Ziel alles auf Null zu stellen) soll nicht aus dem Inneren, sondern aus dem Weltraum erfolgen. Demzufolge trat an die Stelle des berühmt-berüchtigten Außerirdischen, ein anderes, ein altbekanntes und fortwährend gefürchtetes irdisches Gefahrenbild, welches sich - je nach Auslegung - als die allegorische rote beziehungsweise braune Gefahr illustrieren ließ und lässt. 

 

Die Figuren und Charaktere die Giorgio Stegani (unsere Freunde von Forgotten Film Entertainment werden in 2020 Steganis Coming-of-Age Film „Ein Sommer voller Zärtlichkeit“ in HD veröffentlichen) ins Rennen schickt, orientieren sich freilich an denen der Bond-Filme. Mike Murphy, der zentrale Charakter, führt seinen Auftrag jedoch weniger aus Überzeugung und somit im Stile eines Privatdetektivs aus, denn das Agentendasein ist für ihn lediglich ein Job. Er ist kein Patriot und profitiert bevorzugt von den Vergünstigungen beziehungsweise den Lizenzen, die ihm in seiner Position (als Agent) zugestanden werden. Seine Gemeinsamkeiten mit Bond sind sein Selbstbewusstsein, sein Durst nach Luxus und seine Schwäche für attraktive Frauen. Als seinen zuverlässigsten Partner stellt er sich selbst vor, eine Selbsteinschätzung die der Film mit wachsender Spielzeit als eine Selbstüberschätzung entlarvt, denn Mike ist sehr wohl auf externe Unterstützung angewiesen, da seine Selbstherrlichkeit gleichbedeutend mit seiner Achillesferse ist. Während seines (Mike Murphys) Auftrags erlangt zudem die (in einem Nebenhandlungstrang angesprochene) Vergangenheit des Agenten eine Relevanz. Deren Fäden (die der Vergangenheit) sich innert des Finales mit den Fäden der Gegenwart kreuzen, sodass dem Zuschauer in letzter Konsequenz eine plausible Aufklärung geliefert wird.   

 

Fazit: Rauchen war in den 1960ern noch schick, sodass während der „Mission Ypotron“ Zigaretten und Zigarren in Händen und Mundwinkeln derart um die Wette dampfen, als ginge es den Protagonisten darum, dem seinerzeit geliebten Marlboro-Cowboy den Job streitig zu machen. Unsere Köpfe bleiben erwartungsgemäß vom Rauch befreit, denn Giorgio Stegani stellt wahrlich keine Ansprüche an die Kombinationsgabe seiner Zuschauer und liefert eine simple Marschroute, mit der man sich allerdings gut arrangieren kann.

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