Ohne Dollar keinen Sarg

Italien | Spanien, 1966

Originaltitel:

El precio de un hombre: The Bounty Killer

Alternativtitel:

Bounty Killer, O Pistoleiro Mercenário (BRA)

O Preço de um Homem (BRA)

Der keine Gnade kennt (BRD)

Der Kopfgeldjäger (BRD)

Särge ohne Leichen (BRD)

Les Tueurs de l'Ouest (FRA)

La morte ti segue... ma non ha fretta (ITA)

The Bounty Killer (ITA)

Vingança ao Amanhecer (PRT)

The Ugly Ones (USA)

The Bounty Killer

The Price of a Man

Deutsche Erstaufführung:

9. Februar 1967

Regisseur:

Eugenio Martín

Kamera:

Enzo Barboni

Inhalt

José Gómez gelingt während seiner Überführung zur Haftanstalt in Yuma die Flucht, welche ihn nach New Charcos, ein von wenigen Menschenseelen bewohntes Städtchen nahe der mexikanischen Grenze, führen wird. In jener beschaulichen Ortschaft liegt bereits Luke Chilson, ein gefürchteter Bounty Hunter, der die 3.000 Dollar-Prämie, die für die Ergreifung des Outlaws ausgeschrieben sind, so schnell wie möglich einstreichen will, auf der Lauer, um Gómez abzupassen. Damit zieht der Kopfgeldjäger wider Erwarten den Zorn der Einwohner auf sich. Die braven Bürger kennen José Gómez nämlich seit dessen Geburt und halten ihn für einen guten Jungen, der zu seinen Straftaten gezwungen wurde. Folglich machen sie Luke Chilson das Leben schwer und sorgen dafür, dass José Oberwasser behält und der Bounty Hunter zu seinem Gefangenen wird. Doch der schöne Schein vom romantischen Banditen verblasst zusehends, denn Gómez und seine Bande lassen fortan Gewalt und Brutalität (gegen sich) sprechen. Die Einwohner von New Charcos haben auf die falsche Karte gesetzt, und wer zu hoch pokert, der kann bekanntlich nicht nur Haus und Hof, sondern auch sein Leben verlieren.

Review

OHNE DOLLAR KEINEN SARG ist eine italienisch/spanische Co-Produktion unter der Regie von Eugenio Martin. Der vornehmlich von Enzo Barboni (der u. a. für die Fotografie von DJANGO wie DJANGO - DER RÄCHER verantwortlich zeichnet) fotografierte Film genießt im italienischen Western-Kosmos sowie innert der Vita von Tomas Milian keinen wirklich hohen Bekanntheitsgrad wie Stellenwert. Nach meinem Ermessen ist der Film allerdings deutlich interessanter, als es ihm gemeinhin nachgesagt wird. So reduzieren die üblichen Verdächtigen (mittels ihrer gewohnt fragmentarischen Inspektionen) den Film auf seine sehr wohl vorhandene, aber halt nicht omnipräsente Ruppigkeit wie Brutalität. Wer sich den Film genau anschaut, der wird bedeutend mehr entdecken, denn OHNE DOLLAR KEINEN SARG speist vornehmlich von Themen wie Täuschung und Enttäuschung, Fehlinterpretation und Voreingenommenheit, was dem Ganzen eine psychoanalytische Färbung verabreicht.

 

„Er war ein sehr lieber und braver Junge.“

 

So lautet das Urteil eines Einwohners von New Charcos, als er in ein Gespräch über den Gesetzlosen José Gómez involviert wird. Ein ähnliches Urteil lässt sich in den Analen der amerikanischen Historie über Billy the Kid finden, der dito als ein beliebter, freundlicher und hilfsbereiter Knabe beschrieben wird.

 

Das José Gómez´ Vita diverse Straftaten inkludiert ist seinen Befürwortern bekannt. Seine Fürsprecher sind jedoch der Meinung, dass sich José in einer verzweifelten Lage befand und quasi zu seinen Verbrechen getrieben wurde. Schlussendlich soll ein betrunkener Yankee die Schuld an Josés Verrohung tragen.

 

Hier offenbart sich ein Bezug zu Jesse James, im Speziellen zu dessen Aussage „They drove us to it“, „Sie trieben uns dazu“. Jesse begründete seine Taten bevorzugt mit der Niederlage des Südens und die folgende Unterdrückung durch die siegreichen Yankees. Nachdem der erste Film über Jesse James in einem amerikanischen Lichtspielhaus seine Premiere feierte, behauptete übrigens eine der Besucherinnen: „Der Mann auf der Leinwand ritt auf einem Pferd und wurde Jesse James genannt. Das waren wohl die einzigen Ähnlichkeiten mit meinem Großvater“.

 

Kraft dieser historisch belegten Fakten werden Sie definitiv erfassen, worauf ich eigentlich hinaus will. Einerseits kann nicht sein, was nicht sein darf. Andererseits benötigt ein Volk seine Helden. Heroen deren Taten von Werten geprägt sind und somit den Eigennutz komplett ausblenden. Jesse und Billy wurden dank der Dime Novels und diverser Zeitungsartikel bereits zu Lebzeiten zu Legenden. Doch waren sie tatsächlich jene romantischen Helden, wie man sie hauptsächlich im Osten des Landes sah? Hans C. Blumenberg verneint dieses entschieden: […] „Kein amerikanischer Robin Hood, kein Schinderhannes des Westens, kein Rächer der Enterbten, kein Freund der Witwen und Waisen war dabei: Es waren kaltblütige Banditen, neurotische Killer“ […]

 

Und eben diese zwischen romantisierten Wunschdenken und brutaler Realität schwingende Konstellation bringt Eugenio Martin anhand des Filmcharakters José Gómez unmissverständlich rüber. Ein auf den ersten Blick pfiffiger Desperado, der sich sukzessive als blutrünstige Bestie zu erkennen gibt. Ein radikaler Wandel, der manch gutgläubigem Zeitgenossen das Leben kosten wird.

 

Jener José Gómez (den sich die Bewohner von New Charcos in ihren romantischen Wunschvorstellungen zusammengebastelt haben) erinnert in groben Zügen an den Mexikaner Joaquin Murieta, dessen Frau von Goldsuchern vergewaltigt und ermordet wurde und der alsdann zum blutrünstigen Rächer sowie, so will es jedenfalls die Legende, zum Robin Hood von El Dorado reifte. Dazu aber bei nächster Gelegenheit mehr.

 

Josés Gegenspieler, Luke Chilson, evoziert mit seinem Eintreffen in New Charcos umgehend die Antipathie der Einwohner. Für sie ist Chilson ein Judas, ein Verräter. Für uns (Zuschauer) vielleicht eine Art Pat Garrett. Chilson ist kein Draufgänger, kein Hallodri, der von einer lebensbedrohlichen Situation in die nächste tappt. Er ist ein Taktiker, der nur ein Ziel hat, nämlich auf möglichst sichere Weise das Kopfgeld für José Gómez einzustreichen. Die finanzielle Bereicherung ist das Einzige, was für ihn zählt.

 

Es treffen zwei gleichwertige Gegner aufeinander, deren Rollen sich über die des Jägers und die des Gejagten definieren, wobei die jeweilige Rolle stets chargieren kann. En passant ist das möglich Gute, das man einer der Personen kraft der altbewährten Konstellation zusprechen könnte, inexistent. Es ist bewiesenermaßen eh schwierig, das Wort „Gut“ in einem Italo-Western zu platzieren bzw. mit einer bestimmten Person zu assoziieren. Interessant klingt in diesem Kontext die Originalfirmierung von Leones ZWEI GLORREICHE HALUNKEN: IL BUONO, IL BRUTTO, IL CATTIVO, denn den Guten werden auch zukünftige IW-Fan-Generationen vergeblich suchen.

 

Neben den üblichen Bestandteilen (Zooms wie Montage innerhalb der Schießereien) des Italo-Westerns und den begleitenden psychoanalytischen Spielereien kann man OHNE DOLLAR KEINEN SARG die Ingredienzien eines Film Noir sowie eines Gangsterfilms zugestehen. Wenn man davon absieht, dass der Gesetzlose José Gómez von den Bewohnern mit offenen Armen empfangen wird, lassen sich Linien zum Genreklassiker AN EINEM TAG WIE JEDER ANDERE ausmachen. Der dort zentralisierte Einfall von Gangstern in eine bürgerliche Familie und der sich herauskristallisierende Belagerungszustand. Abläufe wie man sie in den folgenden Jahrzehnten innerhalb der Vertreter des Terrorkinos, freilich in deutlich härterer Gangart, entdecken wie inspizieren konnte wie kann.

 

Das erwähnte Katz und Maus Spiel zwischen Luke Chilson und José Gómez wird stets von einem unheimlichen Lüftchen umweht. Es ist fortwährend etwas Undefinierbares in der Schwebe, dass jederzeit zum Ausbruch kommen kann. Aus diesem - nennen wir es: Schwebezustand zieht OHNE DOLLAR KEINEN SARG einen Großteil seiner Kraft, die mich mit Ungewissheit belieferte und infolgedessen erfolgreich in das Geschehen involvierte, ergo erfolgreich in den Film hineinzog.

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