Die Paras - Goldraub in der Luft

Frankreich | Italien, 1966

Originaltitel:

Objectif: 500 millions

Alternativtitel:

Obiettivo 500 milioni (ITA)

Objective 500 Million (USA)

Die Paras - Goldstaub in der Luft

Deutsche Erstaufführung:

29. Juni 1966

Kamera:

Alain Levent

Inhalt

Reichau (Bruno Cremer) wird aus dem Gefängnis entlassen, wo er wegen Untergrundaktionen im Algerienkrieg inhaftiert war. Völlig mittellos und ohne Perspektive, tut sich ihm plötzlich eine Gelegenheit auf, um an schnelles Geld zu kommen. Er wird von einer geheimnisvollen Frau angesprochen, die sich Yo (Marisa Mell) nennt, und ihn mit zum Flughafen Orly nimmt. Dort observieren die beiden eine Maschine, die gerade mit Postsäcken beladen wird. Yo berichtet, dass sich einmal pro Monat 5 Millionen Francs darin befinden. Noch bevor sie Reichau ein bedeutendes Geschäft vorschlägt, stellt sie ihm einen Bekannten vor. In ihrer Wohnung treffen sie sich mit seinem alten Kameraden Pierre (Jean-Claude Rolland), der für Reichaus Gefängnisaufenthalt verantwortlich war, weil er ihn seinerzeit verraten hatte. Der ehemalige Sträfling verliert kurz die Nerven und lehnt den Raub des Geldes daraufhin ab. Anschließend meldet er sich nicht mehr. Doch die Verlockung nach Unabhängigkeit ist so groß, dass er den Kontakt mit Yo wieder aufnimmt, und sich schließlich auf den Coup einlässt...

Autor

Prisma

Review

Pierre Schoendoerffers Karriere als Regisseur erstreckt sich zwar über einen beachtlichen Zeitraum von gut 45 Jahren, allerdings kam dabei nur eine sehr übersichtliche Filmografie von zehn Beiträgen zustande. Diese Liste wurde allerdings mit mehreren Auszeichnungen gekrönt, unter anderem erhielt er 1968 den Oscar. Der Franzose war hauptsächlich im Kriegsfilm-Genre zu Hause, und verarbeitete dort seine eigenen Erfahrungen, da er als Kameramann der französischen Armee, im Indochina-Krieg bei der Schlacht von Điện Biên Phủ, in Gefangenschaft geriet. Mit "Objectif: 500 millions" kreierte er einen eigenartig ruhigen und subtilen Thriller, dessen Bildsprache absolut überragend ist, außerdem ist der Aufbau des Films sehr beeindruckend ausgefallen, und liefert gestochen scharfe Psychogramme der tragischen Protagonisten. Als Fundament für die Geschichte rund um den ehemaligen Sträfling, der keinen Anschluss mehr an das normale Leben findet, dient ebenfalls eine unterschwellige Kriegsfolgen-Thematik, die immer wieder verhalten einschießt, und schließlich ein unmissverständliches Fazit liefert, ohne jedoch aufdringlich zu wirken. Nach der Erstansicht wirkt "Die Paras - Goldraub in der Luft" zunächst einmal so, als seien irgendwie nicht alle Kapazitäten genutzt worden. Dieser Eindruck entsteht allerdings nur, weil man vielleicht haufenweise herkömmliche, beziehungsweise reißerische Stilmittel des Thrillers erwartet, diese nach dem Verlauf aber keineswegs vermisst, da der Film einen vollkommen eigenständigen Charakter entwickelt, der nahezu destruktive Tendenzen transportieren wird. In "Die Paras - Goldraub in der Luft" ist es Marisa Mell, die zweifellos eine der interessantesten Frauenfiguren ihrer gesamten Filmkarriere darstellt, denn Yo scheint von Anfang bis Ende ein Rätsel zu sein.

 

Überhaupt bedient sich Schoendoerffer in seinem gut durchdachten Beitrag einer interessanten Abgrenzungstaktik, da die Protagonisten zwar miteinander arbeiten und auch gewisse Berührungspunkte offenbaren, aber dennoch eigenartig isoliert voneinander zurückbleiben. Yo ist ein Fotomodell, deren Werbeplakate und Banner dem Empfinden nach in der ganzen Stadt aufzuspüren sind. Es gibt Fotostrecken in Zeitungen, sie nimmt an Shootings teil, und Männer liegen ihr zu Füßen, sodass man meinen könnte, sie habe das erreicht, wovon viele nur zu träumen wagen. Dennoch strahlt sie eine eigenartige Leere und Lethargie aus, sich deswegen die auf die Suche begibt, ein höheres Level zu erreichen. Dieser Griff nach den Sternen wird im Film durch einem äußerst ruhigen Aufbau geschildert, bei dem hauptsächlich das Handeln der Beteiligten transparent erscheint. Nur in Situationen, in denen Yo und auch Reichau alleine sind, sich also unbeobachtet fühlen, kann man die inneren Abgründe erahnen und ganz kurz in sie hineinschauen. Marisa Mell setzt insgesamt nicht nur schauspielerisch, sondern erneut optisch gesehen deutliche Akzente, denn sie wirkt elegant, anziehend, geheimnisvoll, vielleicht sogar unterschwellig verdorben. Andererseits spielt sie auch mit ihrer Eitelkeit, wenn sie sich beispielsweise hochmütig selbst vor dem Spiegel fixiert, oder ihre eigenen Fotos begutachtet, die ausladend in ihrer Wohnung an der Wand hängen. Es scheint, als wolle sie sich sagen, dass dies alles bald ein Ende hat, und sie einem besseren Leben entgegen sieht, wobei besser lediglich heißt, dass es komplett auf ihre Sehnsüchte und Wünsche abgestimmt sein sollte. Überhaupt ist sie hier gestochen scharf inszeniert worden; ein Rundumpaket, das in jeder einzelnen Facette überzeugend wirkt, und angesichts der Intention der Rolle vollkommen aufgeht.

 

Durch die Garderobe, die stets wechselnden Ensembles und die ohnehin strahlende Schönheit von Yo, entstehen Bilder, die definitiv in Erinnerung bleiben werden. Pierre Schoendoerffer skizziert eine recht einfache, wenn auch durchgehend subtile Spannung, ja, und wenn man so sagen darf, eine beinahe pragmatische Komplexität. Die Dominanz der Bilder liefert die unmissverständlichen Hauptaussagen, sodass selbst die Dialoge untergeordnet wirken. Harte Schwarzweiß-Kontraste beherrschen die Szenerie sehr beachtlich, und es kommt zu einer sehr dichten Atmosphäre, da der Verlauf ohnehin besonders viele Sequenzen hat, die sich bei Nacht oder in dunkleren Sets abspielen. Die Kamera-Arbeit ist bemerkenswert, da hier ein umfangreiches Spektrum abgedeckt wird. Trotz empfundener Flexibilität macht sich eine sehr auffallende Sterilität und Lethargie bemerkbar. Immer wieder ist eine diskrete Verliebtheit zum Detail sichtbar, aber vor allem sind es Stimmungen, die sehr nachhaltig transportiert werden und manchmal ist es einem so, als könne man den böigen Wind am Flughafen, oder am Strand der Côte d’Argent deutlich spüren, den Atlantik förmlich riechen, genau wie das Aroma der unzähligen Zigaretten, oder den dichten Kneipendunst. Leider ist Pierre Schoendoerffers Film, an dem man sich einfach nicht satt sehen kann, nach wie vor ziemlich unbekannt und als außergewöhnliches Stück französischer Filmkunst leider weitgehend in Vergessenheit geraten. Außerdem handelt es sich in der Karriere von Marisa Mell um eine besondere Ausnahme-Erscheinung, da man sie gebannt auf Film-Noir-Spuren begleiten darf. Insgesamt gesehen handelt es sich bei "Die Paras - Goldraub in der Luft"  um einen nahezu eigentümlichen Volltreffer, der sich im anspruchsvolleren Unterhaltungssektor sehr wohl fühlen darf.

Autor

Prisma

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