Ein Amerikaner in Rom

Italien, 1954

Originaltitel:

Un americano a Roma

Alternativtitel:

Un americano... de Roma (ESP)

An American in Rome (USA)

Deutsche Erstaufführung:

31. Mai 1957

Regisseur:

Steno

Inhalt

Ferdinando „Nando“ Moriconi ist besessen vom amerikanischen Lebensstil und träumt davon, in den USA Karriere zu machen. Damit treibt er nicht nur seine Eltern an den Rand der Verzweiflung. Schließlich will er die Erfüllung seines Traums erzwingen. Auf der höchsten Mauer des Colosseums droht er hinabzuspringen, wenn man ihm keine Passage nach Amerika ermöglicht.

Review

Die Figur des Nando Moriconi ist eine Erfindung von Co-Autor Lucio Fulci und hatte erstmals ein Cameo in DREI SÜNDERINNEN (Un giorno in pretura, 1953), bei dem ebenfalls Steno alias Stefano Vanzina Regie führte. Aus dem Erfolg dieser Figur, die von Alberto Sordi dargestellt wurde, entstand nun EIN AMERIKANER IN ROM, der zu den "100 Film Italiani di Salvare" (100 zu Bewahrende italienische Filme) gehört.

 

Oberflächlich betrachtet beschreiben die meisten Rezensenten den Film als Persiflage auf den amerikanischen Lebensstil, doch das trifft es nicht. Denn in erster Linie macht sich Alberto Sordi über die nach dem 2. Weltkrieg entstandene Verehrung der Italiener gegenüber den Amerikanern lustig und vergisst dabei in keiner Weise, sich über italienische Eigenheiten zu amüsieren, denn genau das ist Sordis Spezialität. Hinter all dem verbirgt sich auch eine gewisse Tragik – denn unzweifelhaft ist Moriconi mehr als nur überspannt. Er ist verrückt, wie im Laufe des Films immer deutlicher wird.

 

Ich hoffe, es gelingt mir, all die Gründe aufzuzählen, warum man EIN AMERIKANER IN ROM unbedingt gesehen haben sollte. Zur Komik – der Film ist ein Brüller. Die Figur des Nando Moriconi lebt von der Perfektion, mit der Alberto Sordi diese Figur belebt. Seine Vorstellung, wie er als künftiger (?) Amerikaner zu sein habe, ist durchwachsen von Klischees, die er aus Filmen und Zeitschriften bezieht, ebenso wie sein Englisch, das für Muttersprachler unverständlich ist, da es sich nur um Kauderwelsch handelt, in das jedoch raffinierter Wortwitz eingebaut wurde, der schwer zu übersetzen/synchronisieren sein dürfte. In die Quere kommen ihm dabei zudem typische italienische Verhaltensweisen, die er einfach nicht ablegen kann, da sie ihm – nach Filmlogik – als Italiener unauslöschlich im Blut liegen.

 

Da Moriconi einen großen Teil seines Wissens über Amerikaner aus Filmen bezieht, spielen diese in EIN AMERIKANER IN ROM auch eine große Rolle. Er tanzt wie Gene Kelly, singt dazu schrecklich, geht wie John Wayne und kleidet sich in einen Mix aus Marlon Brandos DER WILDE (The Wild One, 1953) und einem Sheriff aus Kansas City. Als Letzteren gibt er sich nicht selten gar aus. Er verbringt viel Zeit im Kino, und die Idee, sich vom Colosseum zu stürzen, wenn man ihm seinen Wunsch (nach Amerika zu gehen) nicht erfüllt, hat er aus Henry Hathaways VIERZEHN STUNDEN (Fourteen Hours, 1951). Weiterhin gibt es Referenzen an Vincente Minellis EIN AMERIKANER IN PARIS (An American in Paris, 1951) und Billy Wilders REPORTER DES SATANS (Ace in the Hole, 1951). Der Film, den Moriconi zu Anfang im Kino sieht, ist Joseph Kanes DER TIGER VON UTAH (Ride the Man Down, 1952), der in Italien als LA VALLE DEI BRUTI lief.

 

Während Moriconi auf der höchsten Mauer des Colosseums mit Selbstmord droht, erfahren wir in Rückblenden von der Intensität seiner Besessenheit, ohne eine wirkliche Erklärung für selbige zu bekommen. Doch wir beginnen zu ahnen, dass seine Besessenheit pathologisch ist. Er selbst hat bereits eine zweite, natürlich amerikanische, Persönlichkeit, die er aus dem Wunschpseudonym Santi Bailor entwickelt hat. Seine tatsächlichen Begegnungen mit echten Amerikanern, etwa im 2. Weltkrieg und auch danach, verlaufen ohne Ausnahme unerfreulich. Doch wann immer Nando Moriconi mit der Realität konfrontiert wird, verwandelt er sich endgültig in Santi Bailor, und seine Besessenheit nimmt Ausmaße an, die gerade den Idolen seines Wahnes schaden. Jene Rückblenden sind urkomisch, satirisch, mitunter tragisch und Klamauk zugleich.

 

Die Perfektion von EIN AMERIKANER IN ROM zeigt sich nicht nur in berühmten Momenten wie der Spaghetti-Szene, sondern auch in kleinen Einzelheiten. Ein seinerzeit bekannter und in den USA geborener Fernsehmoderator namens Mike Bongiorno wird hier als Fred Buonanotte persifliert. Die in Italien sehr skandalträchtige Affäre zwischen Roberto Rossellini und Ingrid Bergman spiegelt sich in einer Szene mit Ignazio Leone als „Verdolini“ und einer sehr jungen Ursula Andress als „Astrid Sjoström“ wider, die dem TV-Publikum ihr Baby vorstellen, ohne den gleichen Nachnamen zu haben. Man darf Ausschau nach einem Cameo von Lucio Fulci halten. Sehr attraktiv: Ilse Peterson und Ivy Nicholson als amerikanische Aktmalerinnen, die Moriconi als Caligula-Modell nutzen wollen, während er von einer Hochzeit mit einer der beiden träumt. Eine äußerst amüsante Sequenz, in der auch Charles Fawcett zu sehen ist.

 

Nach den ersten zwei sehr erfolgreichen Filmauftritten der Figur des Nando Moriconi sollte lange Zeit bis zu einem Comeback vergehen. Er taucht nochmals in Sergio Corbuccis Episoden-Komödie DI CHE SEGNO SEI? (1975) auf, natürlich wieder gespielt von Alberto Sordi.

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