Für Dollars ins Jenseits

Italien, 1966

Originaltitel:

Degueyo

Alternativtitel:

Deguello (ESP)

Deguejo (FRA)

Deutsche Erstaufführung:

28. April 1967

Regisseur:

Giuseppe Vari

Inhalt

Nachdem Norman Sandells Vater, Davis Sardell, von Unbekannten (die Norman nach der Tat kraft seines Schießeisens ins Jenseits beförderte) erschossen wurde, macht sich der junge Mann gemeinsam mit Logan und Frank auf die Suche nach dem Grund der Ermordung. Nachdem sie unterwegs einen reisenden Kaufmann aufgabeln, landet das Fahndungsquartett in Danger City. Eine Ortschaft, welche ausschließlich von Frauen bewohnt wird. Ihre Männer befinden sich in der Gewalt von Ramon und seinen Desperados, die als Gegenleistung für die Freilassung das irgendwo in Danger City versteckte Geld des Colonel Cook fordern. Die vier Westerner stellen sich auf die Seite der schutzbedürftigen Frauen und somit gegen eine Übermacht von heimtückischen Banditen.

 

Review

Eine dramatisch wie melancholisch mutende, von mexikanischen Trompeten vorgetragene Melodie eskortiert unseren Eintritt in ein von Giuseppe Vari inszeniertes Western-Vehikel, das, um es gleich klarzustellen, eine ganze Menge Feuer unter der Haube hat. Einhergehend zur grob umrissenen Eintrittsmusik leitet die Kameraführung unseren Blick durch eine karge Landschaft und heftet sich an die Fersen eines Reiters, Norman Sardell, der fortan als Reflektorfigur, da seine Wahrnehmungen unseren Wissensstand füttern und mit Blick auf die Narrative eine bedeutende Rolle spielen, fungieren wird.

 

Eine nachfolgende Verfolgungsjagd (zwei Jäger, ein Gejagter) endet an einer spartanisch konstruierten Holzhütte, die Norman gemeinsam mit seinem Vater bewohnt. Der Gejagte fällt tot vom Pferd, die Jäger liefern sich ein Gefecht mit den Sandells, aus dem Norman als einziger Überlebender hervorgeht. Warum beschreibe ich eigentlich so ausführlich das, was Sie eh selbst sehen? Weil an eben dieser Stelle nicht der IW-übliche Rachfeldzug (Norman hat die Mörder seines Vaters bereits getötet) aktiviert wird, sondern die Suche nach dem Grund der Verfolgung sowie die Aufhellung der letzten Worte des Gejagten, ein gewisser Sam Fletcher, dessen Vergangenheit eine Verbindung zu Normans Vater inkludiert.

 

Die sich anschließende Suche führt Norman (mit drei Begleitern) in eine nur von Frauen bewohnte Stadt. Ein Provinznest, Danger City, welches - auch geachtet seiner femininen Bewohnerinnen - das Flair einer Geisterstadt versprüht. Spärliche Kulissen wie Requisiten sind die Partner einer sich mehr und mehr ausbreitenden bedrohlichen Atmosphäre, die sich bestens mit einer immerzu zirkulierenden Ungewissheit arrangieren kann. Über Danger City hat sich der Himmel in ein tiefes Schwarz verfärbt. Und hinter dem düsteren Firmament lauern Blitz und Donner als die allegorischen Kuriere des Schnitters, der bereits emsig seine Sense schärft, um sie unvermittelt kreisen zu lassen.

 

Die fortwährende Furcht, deren mächtige Schwingen die anwesenden Frauen unnachgiebig ummantelt und ihnen keine Fluchtmöglichkeit offeriert, ist Ramon und seinen Desperados geschuldet. Nur zaghaft und unsicheren Schritts bewegen sich die Frauen durch die die staubigen Straßen und es scheint, als würden sie jedes unnötige Wort vermeiden, um die Wurzel allen Übels nicht unnötig zu düngen und die giftigen Stachel seiner Ausläufer zu aktivieren. Kraft dieser bedrohlichen Atmosphäre gelingt es dem Regisseur uns Zuschauer in eine Art Schwebezustand (der Handlungsablauf ist halt nicht unbedingt absehbar) zu versetzen, der uns zu voreiligen und falschen Schlüssen verführen und demgemäß der Erwartungshaltung einen Streich spielen kann. So verwandeln sich beispielsweise (nein, ich verrate damit nicht zu viel) die verängstigten Frauen mit dem Eintreffen von Ramons ehemaliger Freundin urplötzlich in biestige Puritanerinnen, die sich kollektiv auf die zu Unrecht als Feindin auserkorene junge Frau stürzen.

 

Wer sich für abnormale Stadtbewohner innert der italienischen Westernlichtspiele begeistern kann, der sollte sich unbedingt TÖTE, DJANGO geben, denn dort läuft eine ganze Armada von Psychopathen auf. Etwas gesitteter, aber nicht minder exzentrisch geht es in DIE SICH IN FETZEN SCHIESSEN und dessen Remake WILLKOMMEN IN DER HÖLLE zu. Da beide Filme innerhalb eines verlassenen Westernkaffs spielen, möchte ich diese im Kontext der Geisterstadt-Western-Lichtspiele, an Ihr finsteres Herz legen. Und um die Ghost-Town-Revue effektiv abzuschließen, könnten Sie, fidel und flexibel wie Sie nun mal sind, ganz fix über den großen Teich nach QUANTEZ hüpfen und eben jene mit Dorothy Malone und dem Tausendsassa Fred MacMurray beseelte TOTE STADT besuchen sowie simultan einen überaus sehenswerten amerikanischen Western konsumieren.

 

Bei eben genannten Filmen handelt es sich, FÜR DOLLARS INS JENSEITS eingeschlossen, um so genannte B-Filme. Eine Bezeichnung mit der ich mich nicht wirklich arrangieren und schon gar nicht anfreunden kann wie mag. Die Filme wurden halt kostengünstig inszeniert, um im Zuge ihrer Kinoeinsätze zumindest einen kleinen Gewinn einzufahren. Nebst dem erfüll(t)en sie die Erwartungen eines ganz bestimmten Publikums und hielten sich dementsprechend auch an bestimmte Regeln wie Formeln, was sie schlussendlich zu kostengünstig inszenierten Genrefilmen, eine Bezeichnung, die nach meinem Dafürhalten deutlich respektvoller klingt, macht(e). Um es etwas deutlicher zu sagen: Die Ramones haben zwar keine Gitarrensolis gespielt, aber - und da werden mir diejenigen, die grundehrlichen Rock´n´Roll zu schätzen wissen, auch beipflichten - trotzdem oder gerade deshalb (!) überaus starke, wenn auch simpel konstruierte, Songs komponiert.

 

FÜR DOLLARS INS JENSEITS lässt sich definitiv als Giuseppe Varis beste Westernregiearbeit ausbuchstabieren. Ein fortwährend fesselnder Film, der das Geheimnis um Mord und einem Geldschatz mit der „The South will rise again-Thematik“ verwebt. Währenddessen nutzen der Regisseur wie sein Drehbuchautor die Kraft von überraschenden Wendungen, um den Zuschauer tief in ihren Film hineinzuziehen. Freilich ist dieses rundum gelungene Werk auch mit einigen Grausamkeiten ausgestattet, aus denen sich notabene kein Selbstzweck lesen lässt, sodass diesem durch und durch geilen Film keine Gewaltverherrlichung nachgesagt werden kann, was dem vom Filmdienstler gern eingesetztem Verrissinstrument auch ganz fix die Kräfte raubt.

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