So Sweet... So Perverse

Frankreich | Deutschland | Italien, 1969

Originaltitel:

Così dolce... così perversa

Alternativtitel:

Si douces, si perverses (FRA)

Así de dulce, así de maravillosa (ESP)

Regisseur:

Umberto Lenzi

Inhalt

Das Leben in der Welt der Reichen und Schönen ist nicht ganz einfach. Das weiß jeder DALLAS-Fan, und das wird auch hier sehr schön veranschaulicht: Der vermögende Industrielle Jean Reynaud ist mit der wunderschönen Danielle (Erika Blanc) verheiratet, besteigt nebenher die Frau eines Klubkameraden (Helga Liné – die Frau, nicht der Klubkamerad), und als in das Appartement über seinem die gutaussehende Nicole (Carroll Baker) einzieht ist er sofort elektrisiert und versucht einen Kontakt herzustellen. Ein reicher Schwerenöter, der aber, das muss man im lassen, bereit ist alles stehen und liegen zu lassen wenn er eine gutaussehende Beute wittert. Sogar seine Frau …
Jean beginnt sich in Nicole zu verlieben, doch diese Liebe steht unter keinem guten Stern. Schnell stellt sich heraus, dass Nicole von ihrem brutalen Mann Klaus (Horst Frank) geschlagen wird, und Jean, der sich dann irgendwann sogar von Helene scheiden lassen will, verspricht, sich um die Sache zu kümmern. Nun, man kann wohl davon ausgehen, dass ein Problem mit Horst Frank niemals im beidseitigen Einvernehmen gelöst werden kann …

Autor

Maulwurf

Review

Die Handlung klingt erstmal nach einem STRANGER ON A TRAIN-Szenario: Du tötest meine Frau, und ich töte Deinen Mann. Offiziell hat keiner ein Motiv und ist damit auch nicht verdächtig, so reimt der Zuschauer sich das zusammen. Knapp eine Stunde lässt sich Umberto Lenzi Zeit, um diesen Eindruck zu erwecken und den Zuschauer dahin zu führen, dass er sich in einer Neuauflage des bekannten Hitchcock-Motivs wähnt - Um dann in einer fulminanten Szene alles umzudrehen, alle Regler auf Anschlag zu stellen und die letzte halbe Stunde so richtig am Rad zu drehen. Wer da mit wem und warum und überhaupt und sowieso, das ist ziemlich Over the Top und lässt hängende Kinnladen und große staunende Augen zurück. Ist SWEET .. PERVERSE bis dahin ein hübsch anzuschauendes Gesellschaftsdrama mit der ein oder anderen nackten Frau und vielen fein anzusehenden kleinen und gemeinen Szenen, so kommt nach einer Stunde eben ein Punkt, an dem der Wahnsinn sich Bahn bricht und die bis dahin gemächlich dahinfließende Geschichte wegspült und mit etwas ersetzt, was einfach nicht zu beschreiben ist. Zum einen, weil die Ereignisse ziemlich abgedreht sind, und zum anderen um nicht zu spoilern …

 

Doch es ist unbedingt zu bemerken, dass das Ende des Films den Zuschauer im ersten Augenblick sogar unbefriedigt zurücklassen kann. Das, was unzählige Krimis am Ende inszenieren, und was schon immer als State of the Art zu jeder Kriminalerzählung dazugehört, das wird hier ganz einfach ignoriert. Weggelassen. Ersetzt durch ein offenes Ende, das hervorragend zu dieser letzten halben Stunde passt, aber eben nicht so richtig glücklich macht. Wirklich nicht? Doch, macht es. Wenn man bereit ist die arrivierten Standards des Genres zu überwinden. Und wenn man sich an stilistischen Schönheiten der ausgehenden 60er-Jahre erfreuen kann, welche die erste Stunde rückhaltlos beherrschen: Blickwinkel mit Spiegeln, wunderschöne Frauen die sich in den passendsten oder auch nicht Momenten ausziehen, ein Mann der mit einem Gewehr auf dem Rücksitz seines Cabrios durch Paris fährt, alles dargestellt in edlen und augenschmeichelnden Kulissen, und mit einer Musik von Riz Ortolani gesegnet die wie leckerster Zuckerguss wirkt.

 

Diesen stilistischen Schönheiten sollte man auch die volle Aufmerksamkeit schenken, denn wenn man mal ehrlich ist, reißt der größte Teil der Geschichte im Jahr 2020 keinen Krimikenner mehr vom Sofa, und wer mehr als ein paar Gialli gesehen hat, der ahnt den Ausgang der Geschichte und den grundlegenden Twist schon sehr früh. Gar zu konstruiert wirken Geschichte und rote Heringe, um nicht sehr schnell daraufhin zu weisen, dass an dem Grundkonstrukt etwas faul ist. Gleichzeitig ist es bemerkenswert, wie sich der ausführende Produzent Sergio Martino an der grundsätzlichen Story für seinen zwei Jahre später entstandenen DER KILLER VON WIEN bedient hat, und damit einen erheblich größeren Erfolg hatte als Lenzi. Ob das nur an Edvige Fenech lag, die halt einfach schnuckeliger und zeigefreudiger war als Caroll Baker? Ob der Zeitgeist vielleicht zugeschlagen hat, und Lenzi vielleicht einfach zu früh dran war? Sicher ist, dass Martino seine Geschichte raffinierter einfädelt als Lenzi dies tut, und die Auflösung zumindest bei der Erstsichtung im KILLER VON WIEN kaum zu erahnen ist, bei SWEET .. PERVERSE aber relativ deutlich durch die Quadrage weht.

 

Oder könnte es nicht auch sein, dass Lenzi die Zuschauer mit seinem Twist damals einfach nur ziemlich vor den Kopf gestoßen hat? Heute sind Twist und Schluss des Films natürlich Leckerbissen, und ich bin garantiert nicht der Einzige, der angesichts solcher Szenarien die Ideenlosigkeit moderner Filme lauthals beweint. Aber ob das vor mittlerweile 50 Jahren auch schon so gesehen wurde …? Ich weiß nicht, ich weiß nicht …
SWEET .. PERVERSE macht aus heutiger Sicht viel Laune, weil eben die Settings so herrlich nostalgisch sind, weil hervorragende Schauspieler sichtlich in Spiellaune sind, und weil einfach alles hervorragend zusammenpasst. Ein Spät-60er-Flair zum darin suhlen wird transportiert, und die ganze Stimmung ist angenehm dekadent und hat mehr als nur einen Hauch von gesellschaftlicher Verwesung. Das Ferkel in mir hätte den Film vorzugsweise von Max Pécas verfilmt gesehen, vor allem weil die weibliche Besetzung ja allererste Sahne ist, und ganz allgemein hätte ich vielleicht gerne auch den ein oder anderen gemeinen Seitenhieb auf die Welt der Schönen und Reichen genossen, aber man kann ja nicht alles haben. Wenn man versuchen würde alles zu bekommen, wer weiß ob es einem dann nicht so gehen würde wie Jean Reynaud …

 

Und für die Abgründe der Schönen und Reichen schaut man dann ja auch eher zu Claude Chabrol als zu Umberto Lenzi. Der hat mit SWEET .. PERVERSER keinen wirklich herausragenden Giallo geschaffen, aber Spaß auf hohem Niveau kann auf jeden Fall garantiert werden.

Autor

Maulwurf

Links

OFDb
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