Die tollen Hunde der karibischen See

Italien, 1962

Originaltitel:

Lo sparviero dei Caraibi

Alternativtitel:

Caribbean Hawk (USA)

Die tollen Hunde der Karibik (DEU)

El halcón del Caribe (ESP)

Hawk of the Caribbean (USA)

Karibianmeren haukat (FIN)

L'Épervier des Caraïbes (FRA)

Piraterna vid Santa Cruz (SWE)

Deutsche Erstaufführung:

12. März 1975

Regisseur:

Piero Regnoli

Kamera:

Aldo Greci

Musik:

Aldo Piga

Drehbuch:

Piero Regnoli

Inhalt

Auf dem Seeweg zu einer Strafkolonie in der Karibischen See gerät ein mit Sträflingen gefülltes Schiff in Seenot und kentert. Die Strafgefangenen nutzen die Gunst der Stunde, um sich auf die nächstliegende Insel, auf der sich das angesteuerte Straflager befindet, zu retten. Unter der Führung von Juan Olivares gelingt es den Schiffbrüchigen die stationierten Soldaten zu überwältigen, sich einhergehend von ihren Ketten zu befreien und anschließend ein spanisches Schiff zu entern. Fortan segeln Olivares und seine tollen Hunde als Piraten über die Karibische See. Spaniens Führungsriege beobachtet das Treiben mit großer Sorge. Doch da der Seekrieg gegen England auf Hochtouren läuft, will man aus der Not eine Tugend machen und offeriert Juan Olivares das Angebot, von Stund an unter der Ägide der spanischen Krone als Freibeuter zu agieren. Wird sich Olivares auf den zweifelhaften Deal einlassen? 

Review

Piero Regnoli verfasste eine Vielzahl von Drehbüchern für das italienische Genrekino. Von AN SEINEN STIEFELN KLEBTE BLUT und DREI PISTOLEN GEGEN CESARE über DIE RACHE DES PATEN und 7 VOR MARSAH MATRUH bis hin zu DIE RÜCKKEHR DER ZOMBIES und GROSSANGRIFF DER ZOMBIES – Regnoli hat sich in nahezu allen italienischen Filmgenres als „Schreiber“ verewigt. 

 

Sein Regiewerk ist dementgegen leicht überschaubar. Eine dieser wenigen Arbeiten firmiert in Italien als LO SPARVIERO DIE CARAIBI. Der bundesdeutsche Verleih verzichtete auf den im Originaltitel enthaltenen Greifvogel und ersetzte den Piepmatz durch hundswütige Vierbeiner, was dem bundesdeutschen Kinopublikum den hübschen Titel DIE TOLLEN HUNDE DER KARIBISCHEN SEE bescherte. 

 

Toll im bestialischen wie toll im gar wunderprächtigen Sinne klingt die Eröffnungsmusik aus der kreativen Feder von Aldo Piga (der auch den Soundtrack zu Regnolis DAS UNGEHEUER VON SCHLOSS BANTRY lieferte) nun wirklich nicht. Pigas Klänge (zur Regnolischen Piratenfregatte) konnten mich zu keiner Zeit packen. Zu uneingängig sind seine Klangkonstrukte. Es fehlt die besondere Energie, die den Hörer kraft inniger Fanfaren aufrüttelt, ergo erfolgreich in den Film einführt und in dessen weiteren Verlauf souverän wie siegessicher begleitet. 

 

Visuell startet der Film mit dem Stranden einer Sträflingsgruppe, die ein Seeunglück überlebt hat und nun auf einer Insel jenes Straflager, welches ihr neues zuhause werden sollte, attackiert, die spanischen Wachsoldaten niedermetzelt und hernach eine Handvoll inhaftierter Unholde befreit. Es folgt das Kapern eines Schiffes, das den Grundstein für ihr zukünftiges Piratenleben legen wird. Zum Oberhaupt der Piraten wird Juan Olivares gewählt. Ein Zeitgenosse, der sich kognitiv von seinen ehemaligen Mitgefangenen und jetzigen Seeräubern abhebt. Doch Vorsicht: Olivares ist kein zivilisierter Pirat wie der immer gern genannte Peter Blood, der zu Unrecht zum Sklaven und später aus der Not heraus zum Piratenführer wird. Denn auch wenn wir nichts Genaues über Olivares Vergangenheit erfahren (zumindest nicht in der bundesdeutschen Schnittfassung), ist uns klar, dass in Olivares allegorischem Keller manch symbolische Leiche lagert. 

 

Olivares ist ein Typ, der uns im Prinzip das vorlebt, was schon bald zu einem festen Bestandteil des Italo-Western gedeihen sollte. Denn wie ein Groß der IW-Antihelden neigt er zu Brutalität und Rücksichtslosigkeit. Er hebt sich halt nicht durch das was er tut, sondern durch das was er unterlässt vom gesinnungslosen Pöbel ab. Und wie die IW-Antihelden besitzt er keine Wurzeln, was ihm die Rückkehr in eine intakte Gesellschaft versagt. Er ist ein Ausgestoßener, der zum Führer von Ausgestoßenen wird und später gemeinsam mit diesen, seinen „tollen (Lumpen-)Hunden“ in den Englisch-Spanischen-Seekrieg eingreift. 

 

Wie bereits gesagt, fällt Olivares nicht durch positive Taten auf, sondern dadurch das er diverse Untaten unterlässt und diese, kraft seiner Anführerrolle, auch zu unterbinden weiß. So verhindert er nach der Eroberung des Schiffes von Kapitän Pinto (ein enorm unsympathischer Zeitgenosse, der gegenwärtig vermutlich in der FDP gut aufgehoben wäre) eine Flut von Vergewaltigungen, indem er den Frauen die Option nahe legt, einen seiner Männer als festen Liebhaber auszuwählen. Trotz seiner eifrigen Bemühungen, dass Schlimmste zu verhindern, besitzt Olivares (dessen Frisur etwas an Toecutter aus MAD MAX 1 erinnert) keinerlei Potential, das ihn zur Identifikationsfigur küren könnte. Damit steht Olivares allerdings nicht allein da, denn der gesamte Cast bietet nicht eine Figur, mit der ich zumindest ansatzweise hätte sympathisieren können. Eine Erkenntnis respektive Tatsache, die ich dem Film jedoch nicht negativ ankreide, denn die zahlreichen unsympathischen Filmfiguren verabreichen dem Piratendinner die notwendige Speisewürze. So agiert beispielsweise Piero Lulli in der Rolle von Olivares Gegenspieler, Manuel, so wie ich es von dem Burschen erwartete - feige, fies und hinterhältig.

 

Die im Film aktiven Frauenzimmer sind in zwei Gruppen unterteilt: Adels- und Unterschicht. Einerseits feine Ladies, andererseits Zwangsprostituierte. Das nicht nur in den italienischen Piratenfilmen präsente und von zwei Männern umworbene love interest lässt sich innerhalb dieser Gruppierungen als auch darüber hinaus nicht ausmachen. Ergo gibt es zum Thema Herzscherz auch nichts zu sagen. Stattdessen wirkt und werkt allerdings die obligatorische Schlampe - eine hinterhältige Giftschlange mit Namen Corinna. Corinnas Ambitionen sind rein materealistischer Natur und sie kann den dito hinterhältigen Manuel erfolgreich benutzen, um ihren Zielen näher zu kommen. Da 90% der anwesenden Tanten nicht mehr als die Ambition zur Tilgung maskuliner Triebe aufrufen kann, überrascht es, dass Corinna, die einzige Frau auf der zu Beginn thematisierten Strafgefangeneninsel, nicht einer Massenvergewaltigung zum Opfer fällt und stattdessen mittels ihres losen Mundwerks die (Sex)ausgehungerten Kettensträflinge schwuppdiwupp stramm stehen (eieiei, Doppeldeutelei) lässt. 

 

DIE TOLLEN HUNDE DER KARIBISCHEN SEE wurde von der zeitgenössischen Kritik als unterdurchschnittlich in Inszenierung und Darstellung etikettiert. Es lassen sich auch Worte finden, die den Film als zu gewalttätig einstufen. Gemessen am Produktionsjahr (1963) und am klassischen Piratenstoff der 1930er, 1940er und 1950er kann ich den Kritikern (Thema Gewalt) beipflichten, denn es lässt sich eine fortwährende Menschverachtung ausmachen, die von einigen Sadismen als auch etwas Folter begleitet wird¹. Auch wenn diese Momente nicht ausgespielt werden und auf der Metaebene ablaufen, lässt sich simpel enkodieren, dass die Verantwortlichen auf Teufel komm raus ein hartes und depressiveres Gesamtbild erzeugen wollten, um sich im Zuge dessen vom eingefahrenen und aus der Mode geratenen Schema eines klassischen Piratenfilms zu lösen und ein neues Publikum für sich zu gewinnen. 

 

Mich konnte der Film notabene nicht mit Haut und Haaren gewinnen und somit nicht tief in seine seeräuberische Spielwelt hineinziehen. Was für Sie negativ klingen wird, ist allerdings gar nicht so gemeint, da ich mich in meiner Rolle als stiller Beobachter, dem kein erfolgreiches Identifikationsangebot unterbreitet wurde, niemals unwohl fühlte. Dafür sorgten Intrigen, hübsche Kulissen, viele bekannte Gesichter und eine tolle deutsche Kinosynchronisation (Manfred Schott, Christian Marschall, Klaus Kindler, etc.). 

 

 

Fußnoten:

 

¹ Die im Zuge der deutschen DVD-Veröffentlichung verfassten und im www veröffentlichten Kurzrezensionen reflektieren übrigens das Gegenteil meiner Einschätzung. Hierbei gilt es zu beachten, dass die Verfasser mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit das Produktionsjahr des Films und die Sehgewohnheiten des damaligen Kinopublikums außer Acht ließen und sich bevorzugt an gegenwärtigen Bewertungsaßstäben orientierten. 

Veröffentlichungen

Die deutsche Version (DVD von Savoy) ist um ca. 14 Minuten gekürzt. Die entfernten und für das Filmverständnis nicht unbedeutenden Szenen können innerhalb der Extras aufgerufen und gesichtet werden. Warum die Szenen (italienischer Ton) nicht in den Film integriert oder zumindest deutsch untertitelt wurden, kann ich nicht nachvollziehen, denn die ca. 50 Euro Ausgabe für einen Übersetzer hätten wohl kaum für einen wirtschaftlichen Ruin gesorgt. Die Bildqualität ist übrigens gut. 

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