SS Hell Camp

Italien, 1977

Originaltitel:

La bestia in calore

Alternativtitel:

La bestia en calor (ESP)

Quand explose la dernière grenade (FRA)

The Beast in Heat (USA)

Regisseur:

Luigi Batzella

Kamera:

Ugo Brunelli

Inhalt

Der zweite Weltkrieg neigt sich dem Ende, doch Dr. Ellen Kratsch lässt sich nicht unterkriegen und experimentiert weiterhin emsig für den Führer. Um den perfekten Menschen für das Dritte Reich zu schaffen, züchtete der weibliche Mengele eine Kreatur halb Mensch/halb Tier. Ihre (Frau Dr. Kratschs) Folgeforschungen beschränken sich nun darauf, den Affenmenschen mit Drogen voll zu pumpen, um dessen Sexualtrieb zu steigern. Als Gespielinnen führt man dem Monster die weiblichen Gefangenen des Konzentrationslagers zu… …und wer diese unsagbar stumpfsinnige sowie extrem geschmacklose Idee überbieten kann, der darf im Bundestagsgebäude gemeinsam mit Fips Asmussen „Dirty deeds done dirt cheap" singen.

Review

Die gesamte Nazi(s)ploitation als einen geschmacklosen und hirnverbrannten Distrikt abzuhandeln, wird dem Genre mit Sicherheit nicht gerecht. Natürlich ist es verständlich, dass dieses subkulturelle Areal bei einigen Filmkonsumenten diverse Berührungsängste auslöst, was sie allerdings nicht berechtigt, ein Genre abzuwerten, welches ihnen vollkommen unbekannt ist. Ungeachtet dessen macht sich bei einigen Rezipienten gar ein verpeilter Blick bemerkbar (was den Regisseuren der entsprechenden Vehikel geschuldet ist), der Film und historische Wahrheit gewaltig durcheinander wirbelt und zweifelhafte Interpretationen beziehungsweise Résumés resultieren lässt.

 

Das innert dieser Filme oftmals präsentierte Verkehren von SS-Leuten mit weiblichen jüdischen Gefangenen ist nicht mehr als eine exploitative Legende, die absolut nichts mit der Realität zu tun hat. Robert Sommer behandelt diese Materie ausführlich in seinem Buch „Das KZ-Bordell“ und offeriert dem Interessenten ein reales Geschichtsbild, das dem Leser und Filmkonsumenten hilfreich zur Seite steht, um seinen Blick zu korrigieren respektive zu schärfen. Den SS-Mann, wie er in diversen SadicoNazista-Vehikeln dargestellt wird, hat es allein wegen der Nationalsozialistischen Rassenideologie niemals gegeben. Infolgedessen möchte ich den cineatischen Faden auch auf die richtige Spule verfrachten und behaupte, dass an die Stelle der Psychopathen und Sadisten des Exploitationfilms schwarz uniformierte SS-Leute des Zweiten Weltkrieges getreten sind, welche das Konzentrationslager als Bühne für Terror und Perversion nutzen und sich von der historischen Wahrheit deutlich entfernen.

 

Das Filme wie „SS Hell Camp“, „SS Experiment Love Camp“ und „SS Camp: Women's Hell“ keine Chance besitzen den deutschen Markt zu erreichen, konfrontiert mich zudem mit einem Rätsel, denn das Gezeigte ist ungeachtet seiner exploitativen Ambitionen und seines Selbstzwecks fortwährend abschreckend. Den Filmkonsumenten wird somit die bestialische Vorgangsweise von SS-Leuten vorenthalten, was einhergehend die zuvor erwähnte Abschreckung durch das Abjekte verschenkt. Im Prinzip spielt man anhand dieser Vorenthaltung gar dem Lieblingsmotiv innert neonazistischer Distrikte, dem Leugnen des Holocaust, in die Karten.  

 

Nazi(s)politation hatte seine Blütezeit in den späten 1960ern und den 1970er Jahren. Lee Frosts „Love Camp 7“ sowie Don Edmonds „Ilsa: She Wolf of the SS” zeigen sich als (ge)wichtige Paten für die italienische SadicoNazista. Gerade Zweitgenannter versorgte die italienischen Filmemacher mit einem guten Nährboden, um mindestens gleichermaßen geschmacklos zuwerke zu gehen. Dabei gilt es zu beachten, dass die dargestellten Nazibösewichte meist einer karikaturhaften Färbung unterzogen wurden. Richtig derbe Nazis offeriert „Gestapos last Orgy“, da dieser Film wirklich keine Gefangenen macht, auf eine Überspitzung seiner Figuren beziehungsweise Charaktere verzichtet und diese als extrem bösartige Individuen transportiert, die den Zuschauer - ähnlich wie es die Faschisten in „Salò“ erreichen - mit Unbehagen, Angst und Ekel befallen.

 

Doch bevor ich nun zu weit vom Thema abweiche, zurück zu „SS Hell Camp“, dessen Regisseur, Luigi Batzella, der amerikanischen „Ilsa“ folgend, eine weibliche Figur in den Fokus rückt. Die lesbisch veranlagte KZ-Ärztin, Dr. Ellen Kratsch, die sich an den Liebesspielen ihres gezüchteten Affenmenschen aufgeilt, was dem Zuschauer anhand von widerwärtigen Kameranahaufnahmen serviert wird. Man darf deren Darstellerin, Macha Magall, übrigens mit einem ordentlichen Zeugnis bewerten, denn ihr strenges Erscheinungsbild passt bestens ins exploitative Hitlerdeutschland. Im selben Jahr (1977) agierte Magall übrigens als Madame Eva in Bruno Matteis „Private House of the SS Girls“.  Die Rolle des Affenmenschen ist mit Salvatore Baccaro ebenfalls gut besetzt, denn Baccaros Spiel ist einfach nur - und das ist nicht nur ein blöder Spruch - extrem ekelhaft.

 

Die Story, die uns Batzella mit „SS Hell Camp” lanciert, ist hauchdünn und Genretypisch. Mehrere KZ-Insassen werden gefoltert sowie erniedrigt und hoffen auf den Einmarsch der Befreier. Bis es soweit ist, muss sich das Publikum allerdings einigen Leerlauf gefallen lassen. Zudem zeigt sich das verwendete Archivmaterial als - ich sage mal - unglücklich gewählt. Was jedoch im letzten Drittel an Sadismen geboten wird, ist nicht einfach zu durchleben und hinterlässt ein äußerst mulmiges Gefühl in der Magengegend, denn der Aufenthalt im Folterlabor demonstriert sich (auch wenn nicht alle Sadismen deutlich ausgespielt werden) als ausgesprochen heftig.

 

Fazit: „SS Hell Camp” ist absolut nicht für jeden Filmfan geeignet, folglich sollte man bezüglich der Risiken und Nebenwirkungen den Klappentext lesen und gegebenenfalls vor (!) der Sichtung den Psychiater oder Psychotherapeuten checken lassen, ob sich eine Sichtung mit der seelischen Verfassung arrangieren lässt. Also „genießen“ Sie dieses Vehikel mit äußerster Vorsicht, denn die Folgen können ein unangenehmes Ausmaß annehmen.

Review

Angesichts der Blu-ray Veröffentlichung von Severin Films in den USA - unter dem Titel „The Beast in Heat“ - habe ich mir Luigi Batzellas cineastisches Potpourri noch mal angesehen und mithilfe des Bonusmaterials aus dem genannten Release bekommt man doch einiges aufgedröselt.

Die kurze Ära der Nazisploitation-Filme neigte sich dem Ende, und Luigi Batzella wurde gebeten, ob er nicht noch einen Beitrag zum Genre leisten könne. Beginnen wir mit der Produktion. Als Herstellungsland ist Italien genannt, das Geld kam allerdings ausschließlich aus Spanien. Auch die von Severin Films in 2k abgetastete 35mm-Kopie stammt aus Spanien, beim Sound steuert Severin aber ausschließlich die englische Tonspur bei. Da Batzella Italiener ist, bei Guidonia Montecelio in der Region Latium gedreht wurde und die Distribution über Italien erfolgte, sagen wir mal trotzdem, es ist ein italienischer Film.

Doch was wurde gedreht? Hier wird es spannend. Die Handlung um die italienischen Partisanen entstammt dem 1970 von Batzella gedrehten Film „Campana“ (Quando suona la campana, 1970) mit Brad Harris, Alfredo Rizzo und Brigitte Skay. So kommen diese zu unfreiwilligen Auftritten in „The Beast in Heat“. Weiterhin wurde Material aus Alfredo Rizzos „Himmelfahrtskommando in die Hölle“ (I giardini del diavolo, 1971) eingefügt. Neu gedreht wurde lediglich die Story um Dr. Ellen Krasch (Macha Magall), welche im Auftrag des Reiches aus den Frauen des Dorfes die Verstecke der Partisanen rauspressen will, unter Zuhilfenahme von Folter und der mit potenzsteigernden Tranquilizern vollgepumpten Fick-Bestie.

Dieses neugedrehte Material ist der Hammer. Man weiß nicht, ob man lachen, weinen oder entsetzt sein soll, auf jeden Fall ist man sprachlos. Macha Magall – und es ist jammerschade, dass diese gutaussehende, talentierte und so offensichtlich mit Spaß an der Sache agierende Darstellerin nie eine wirkliche Hauptrolle hatte – gibt einen weiblichen Bösewicht, der ganz im Geist italienischer Sado- und Horror-Comics agiert. Pate stand hier eindeutig die Serie „Hessa“, welche von 1970 bis 1972 vom Schöpfer Nevio Zeccara in 47 Bänden beim Verlag ErreGi erschien. Macha Magalls Spiel wird durch das englische Dubbing mit ein paar himmelschreienden Dialogen umspielt, die einen ebenso sprachlos machen wie das Gesehene. Ein Beispiel: nachdem sie einen Gefangenen kastriert hat, sagt sie, „this is just a little thing, there is more to come.“ Oder sowas wie „Deutsche Soldaten haben nicht erregt zu sein, in keiner Situation.“ Oder wenn einer Gefangenen die Fingernägel ausgerissen werden, sagt diese sowas wie „ouch, that hurt!“ Die Dialoge sind unglaublich. Doch trotz komischer Momente ist natürlich nichts davon für zartbesaitete Gemüter. Vergewaltigungen, Nekrophilie, Folter, ein Schuss in eine Vagina. Nicht nett. Oh, und ein paar schwarz angemalte Meerschweinchen, die als Ratten herhalten müssen, das hat Batzella wohl von Antonio Boccaccis „Die Bestie von Schloss Monte Christo“ (Metempsyco, 1963) abgeschaut.

Kommen wir zur Bestie. Eigentlich fällt ein entsprechender Dialogsatz ja nur der Dame des Hauses geltend, welche von einem Gefangenen als „Bitch in Heat“ bezeichnet wird. Doch die eigentliche Bestie, obwohl diese kaum Verstand besitzt und von Dr. Krasch geschaffen wurde, wird gespielt von Salvatore Baccaro. Der an Akromegalie leidende Blumenverkäufer vor den de Paolis Studios wurde erstmals 1970 von Damiano Damiani für „Recht und Leidenschaft“ (La moglie più bella, 1970) gecastet. Neben zahlreichen Komödien war er außerdem in „Die Leichenfabrik des Dr. Frankenstein“ (Terror! Il castello delle donne maledette, 1974) oder „Salon Kitty“ (1976) zu sehen. Sehenswert ist das scheinbar völlig von Selbstreflektion losgelöste Spiel Baccaros als Bestie. Es muss schwer gewesen sein, in dieser Rolle ernst zu bleiben. Und Macha Magall thront über all dem Treiben mit einem diabolischen Lachen, über dem wunderschön blitzende Augen den Spaß am Absurden verraten. Aufgrund der Tatsache, dass es sich aber nun mal um einen mit neuen Szenen versetzten „alten“ Film handelt, wurde ein Pseudonym für den Regiecredit verwendet, Ivan Kathansky. Diesen Namen hatte er bereits für „Wüstenfüchse kennen kein Erbarmen“ (Kaput Lager - Gli ultimi giorni delle SS, 1977) verwendet. Als Editor wird das bereits von Batzella bekannte Pseudonym Paolo Solvay verwendet.

Severin Films präsentiert den Film in 2k-Abtastung mit englischem Ton. Im Bonusmaterial findet man ein 30-minütiges Interview mit Autor Stephen Thrower zum Film. Weiterhin die neue 90-minütige Doku „Fascism On A Thread – The Strange Story of Nazisploitation Cinema“, in der neben zahlreichen Filmkritikern Darsteller wie Dyanne Thorne und Malisa Longo, sowie Regisseure wie Sergio Garrone, Mariano Caiano, Rino Di Silvestro, Liliana Cavani, Bruno Mattei, Daniel Lesouer und natürlich Luigi Batzella zu Wort kommen. Sehr sehenswert.

Nachtrag: soeben ist mir die Info ins Haus geflattert, dass „Ivan Kathansky“ ein Pseudonym sei, dass Eurociné Batzella verpasst hat. Was die interessante Frage aufwirft, wer nun wirklich Distributor von „The Beast in Heat“ war. Ein Film, zusammengeschustert aus zwei alten und ein paar neu gedrehten Szenen? Das kommt einem bekannt vor…

Veröffentlichungen

Der Film wurde (auf europäischer Ebene) einzig in Schweden und Dänemark auf DVD veröffentlicht. Die dänische DVD ist um ca. 15 Sekunden (Dialog) gekürzt. Beide Auswertungen enthalten den italienischen sowie den englischen (teils asynchronen) Ton.

 

Die Screenshots wurden von der dänischen DVD erstellt. 

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