Ben und Charlie

Frankreich | Italien, 1972

Originaltitel:

Amico, stammi lontano almeno un palmo

Alternativtitel:

Les llamaban y les llaman dos sinvergüenzas (ESP)

Fais attention Ben, Charlie arrive (FRA)

Amigo, Stay Away (USA)

Humpty Dumpty Gang (USA)

Ballad of Ben and Charlie

Ben and Charlie

Zwei linke Hände in der rechten Tasche

Zwei Himmelhunde im Wilden Westen

Deutsche Erstaufführung:

28. April 1972

Regisseur:

Michele Lupo

Kamera:

Joe D'Amato

Inhalt

Der raffinierte Gelegenheitsdieb Ben (Guiliano Gemma) kommt nach drei langen Jahren wieder aus dem Gefängnis frei. Dort wird er bereits von seinem Kumpanen Charlie (Gerorge Eastman) erwartet, der noch eine alte Rechnung mit ihm zu begleichen hat, da dieser in der Zwischenzeit die gemeinsamen Schulden wegen einer von Ben vermasselten Aktion abarbeiten musste. Nach einer derben Prügelei trennen sich ihre Wege jedoch wieder, denn Charlie hat endgültig genug von seinem Schatten. Er möchte eigene Wege gehen und sesshaft werden. Doch der Wilde Westen scheint zu klein für die beiden Halunken zu sein. Wie es das Schicksal will, treffen Ben und Charlie immer wieder aufeinander und merken schnell, dass sie einander brauchen. Einer hilft dem Anderen immer wieder aus der Klemme, wenn es um Prügeleien, Betrug beim Glücksspiel oder darum geht, eine Bank auszuplündern und Verfolgern zu entkommen. Unfreiwillig aber schnell, avancieren sie schon bald zu den meist gesuchten Räubern weit und breit...

Autor

Prisma

Review

"Ben und Charlie" ist eine von vielen Italowestern-Parodien und diesen Versuch von Regisseur Michele Lupo kann man zweifellos als sehr gelungen bezeichnen. Es ist natürlich mehr als schwierig, sich innerhalb des Genres mit seinen unzähligen Konkurrenten abzuheben; hier und da wird dieser Produktion mit Konkurrenz-Absichten mangelndes Profil unterstellt, was man an Klassikern gemessen aber relativ sehen sollte. "Ben & Charlie" offenbart einen ganz eigenen und sehr angenehmen Charme, darüber hinaus entfaltet sich ein hoher, sehr sorgsam aufgebauter Unterhaltungswert. Die Story um die beiden Galgenvögel ist vielleicht nicht außergewöhnlich, dennoch funktioniert die Inszenierung aufgrund ihrer Leichtigkeit tadellos. Die Protagonisten erscheinen sehr sympathisch, das Szenario bietet sehr vielfältige, richtig amüsante Inhalte, wie Prügeleien, die wie ausgefeilte Choreografien wirken und richtig Laune machen. Mehrere humorvolle Einlagen sind an der Tagesordnung und überzeugen durch eine präzise Dosierung. Brutalität und harte Gewalt wird man in der ersten Stunde vergeblich suchen, das letzte Drittel des Films dreht dann aber noch einmal auf. Trotz Längen und anscheinender Unentschlossenheit rutscht "Ben & Charlie" nicht in die einschlägig bekannte Klamauk-Ecke ab, da schon eine in Phasen ernste Abhandlung stattfindet, allerdings hauptsächlich mit einem breiten Augenzwinkern.

 

Der komplette Film kommt mit seinen nahezu 110 Minuten fast ausschließlich mit seinen beiden Hauptdarstellern aus, die Geschichte wurde vollkommen um die Protagonisten Ben & Charlie konstruiert. Giuliano Gemma zeigt sich in glänzender Spiellaune, er verleiht seiner Figur einen schalkischen, unbekümmerten, manchmal weichen Charakter und hat damit gleich zu Beginn die Sympathien auf seiner Seite. Ben nimmt das harte Leben eher mit Humor und versucht das Beste daraus zu machen. Seine Sprüche lockern das Geschehen nicht nur auf, die meisten Pointen treffen auch noch ins Schwarze und der Zuschauer bekommt eine angenehme, nicht platte und überladene Vielzahl an Kalauern zu hören, die teils richtig amüsant wirken. Sein Partner George Eastman stellt sich als perfekter Antagonist heraus. Mit seiner großen, dominanten Erscheinung, einem Hauch Zynismus ausgestattet, seiner buchstäblichen Schlagfertigkeit und der rabiaten Art, entsteht eine interessante Konstellation, die immer wieder zwangsläufig zu Stande kommen muss und notgedrungen auf gegenseitige Kompromissbereitschaft und Hilfe angewiesen sein wird. Das alles erinnert unweigerlich an ein anderes bekanntes Gespann namens Bud Spencer und Terence Hill, die im Vergleich allerdings deutliche Vorteile haben, falls man diesen Vergleich überhaupt bemühen will.

 

Gaststar Marisa Mell übernahm in diesem Film die einzige Frauenrolle und spielt die Dirne Sarah, die einst mit Ben schon vor dem Traualtar gestanden hatte, bis er kalte Füße bekam. Marisa Mell kommt nicht über einen gut fünf minütigen Auftritt hinaus, der aber ungeheuer präsent im Gedächtnis bleiben wird. Sie sieht hier einfach atemberaubend schön, stolz und begehrenswert aus und hat ein paar nette, aufschlussreiche Dialoge mit Giuliano Gemma. Es scheint, als sei die Rolle für das Geschehen eigentlich irrelevant, doch sie durchleuchtet ein wenig Bens Charakter und man wird als Zuschauer eine Stunde lang darauf warten, ob es tatsächlich ein ersehntes Wiedersehen der beiden geben wird. Man kann Sarah einfach nicht vergessen. Insgesamt macht sie eine feine Sache aus dieser kurzen Rolle, die mit diversen Großeinstellungen dieses makellosen Gesichts unterstrichen wird und Marisa Mell zeigt hier eindrucksvoll, dass sie den unterschiedlichsten Rollen mühelos ein aussagekräftiges Profil verleihen konnte. Vor allem rein optisch gesehen, sieht man eine leider nur selten zustande gekommene Idealbesetzung im Spektrum des weitläufigen Western-Genres, welche wenig später noch einmal mit einer Hauptrolle in "Fünf Klumpen Gold" perfekt sein sollte. Ihr Debüt hatte sie bereits 1964 in Rolf Olsens "Der letzte Ritt nach Santa Cruz".

 

"Amico, stammi lontano almeno un palmo" besticht durch die hervorragende, am Detail orientierte Kamera-Arbeit von Arristide Massaccesi, die in vielen, ausgefallenen und elegant wirkenden Einstellungen punktet, die alleine schon eine Sichtung rechtfertigen. Auch das Musikthema wirkt unterstützend und eingängig. Insgesamt teilt sich der Film über seine lange Spieldauer in einige Etappen auf, die nicht immer geschickt ineinander überfließen. So befindet man sich als Zuschauer in einer Parodie, einer Komödie, in einem ernsthaften Western; quasi mehreren Filme in einem. Dass man sich sein Profil schließlich selbst aussuchen kann, erscheint ein wenig irritierend, denn aus anfänglicher Leichtigkeit wird die empfundene Mühe, eine Kehrtwendung zu erreichen, was aber im versöhnlichen Ausmaß gelingen wird und nicht zuletzt Giuliano Gemma und insbesondere George Eastman zu verdanken ist, der den stärkeren Part interpretiert. Man hat es mit einem Film zu tun, der darum bemüht ist, es seinen großen Vorbildern gleichzutun, sich aber in der Reihe der Plagiate, wenn auch des gehobenen Standards wiederfindet. Michele Lupos Beitrag hinterlässt letztlich einen leichtfüßigen und überzeugenden Eindruck, der gleichermaßen amüsante und ernste Phasen offenbart und insbesondere wegen der überdurchschnittlichen Bearbeitung in Erinnerung bleibt.

Autor

Prisma

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