Bestialità

Italien, 1976

Originaltitel:

Bestialità

Alternativtitel:

Bestialidad (SPA)

Bestiality (USA)

Beestigheden (BEL)

Il segno sotto la pelle (ITA)

Regisseur:

Peter Skerl

Inhalt

Der alternde Architekt Paul und seine Frau Yvette machen Urlaub auf einer sonnigen Mittelmeerinsel. Paul ist desinteressiert, Yvette sexuell vernachlässigt. Das ändert sich, als sie einer jungen, geheimnisvollen Frau begegnen, die stets von einem schwarzen Dobermann begleitet wird. Sowohl Paul als auch Yvette verfallen dem Mädchen. Es entwickelt sich eine Dreiecksbeziehung, die neue Lust entfacht, aber auch die Dämonen der Vergangenheit weckt. Und in einer Katastrophe endet...

Review

Der Vorspann läuft noch, als BESTIALITÀ dem unbedarften Zuschauer gleich eine handfeste Provokation vor den Latz knallt.

 

Ein Mädchen fährt Fahrrad auf der elterlichen Terrasse. Plötzlich dringen aus dem Haus komische Geräusche. Mama seufzt, stöhnt und atmet seltsam schwer. Und Satana, der Dobermann, hechelt dazu. Das Mädchen wird neugierig; dem Zuschauer, dem sowohl Titel als auch Klappentext des Films geläufig ist, schwant schon Böses. Dem Mädchen noch nicht. Als es ins Zimmer tritt und die (im Übrigen von der WIP- Ikone Franca Stoppi gespielte) Mama halb hinter dem Sofa und unter Satana (!) liegend vorfindet, bestätigen sich unsere schlimmsten Befürchtungen. Als dann noch Papa hinzukommt und Frauchen mit Hund ebenfalls in flagranti erwischt, macht er das perverse Kindheitstrauma perfekt, indem er kurzerhand das Haus abfackelt. Jedoch nicht ohne zuvor Satana drinnen an die Kette gelegt zu haben...

 

Bevor nun jemand nach dem Staatsanwalt ruft: Die Sodomie wird nur angedeutet. Dankenswerterweise schießt Regisseur Peter Skerl nicht auf solch geschmacklose Art und Weise über das Ziel hinaus wie beispielsweise Joe D'Amato mit der berüchtigten Pferdestall-Szene aus dem zeitgenössischen EMANUELLE IN AMERICA - oder noch schlimmer in EMANUELLE AROUND THE WORLD. Der Tabubruch zeigt dennoch Wirkung; die Keule sitzt. Ähnlich verstört wie das kleine Mädchen bleibt auch der Zuschauer zurück. Man fragt sich, welche abseitigen Karten dieser selten gesehene Film aus der Blütezeit des Eurosleaze sonst noch aus dem Ärmel zaubert.

 

Wer den mit Sleaze-Sequenzen vollgepackten Trailer kennt, wird überrascht sein, dass BESTIALITÀ nach dem Vorspann fast eine Stunde läuft, ohne auch nur eine Sexszene zu zeigen. Stattdessen entfaltet sich vor dem Zuschauer langsam, hypnotisch und einlullend eine Art grimmiger Urlaubsfilm direkt aus der ehelichen Vorhölle des Auseinandergelebthabens.

 

Wir folgen dem sich im reiferen Alter befindlichen Ehepaar Paul (Philippe March) und Yvette (Juliette "AUGEN OHNE GESICHT" Mayniel) auf eine idyllische Mittelmeerinsel. Rasch erkennen wir, dass selbst Sonne, Strand und Meer die eheliche Tristesse nicht beheben können. Architekt Paul fotografiert die Landschaft und verharrt in beharrlichem Desinteresse für die Bedürfnisse seiner Frau. Die wiederum liegt im Bett neben ihrem schlafenden Gatten und erleidet Höllenqualen unerfüllter Lust.

Dann während eines Bootsausflugs sehen sie eine junge Frau auf einem Felsen. Eine junge Frau mit einem schwarzen Dobermann-Rüden.

 

Wie gesagt. Fast eine Stunde lang passiert in BESTIALITÀ nicht wirklich etwas. Und doch hat die obszöne Eröffnungssequenz ihre Saat effizient gesetzt. Der gesamte Film wurde mit einer unterschwellig perversen wie mysteriösen Energie aufgeladen. Mit dem Urknall gleich zu Beginn wurde eine Atmosphäre freigesetzt, die Peter Skerls (eigentlich Virgilio Matteis) Filmdebüt zu einem auf obskure Weise faszinierenden Filmerlebnis macht. Da spielt es keine Rolle, ob die Handlung nur langsam und ohne eindeutige Höhepunkte voranschreitet. Auch nicht, dass der Film manchmal Gefahr läuft, sich irgendwo zwischen dem Meer, den Felsen und den Bungalows zu verlieren. Oder endgültig auf einer dieser bizarren, dekadenten Feierlichkeiten der ebenso merkwürdig wie maßlosen Inselbewohner versumpft.

 

Alles ist so bar jeder Liebe und Gefühle und doch brodeln unter der Oberfläche die dunkelsten Leidenschaften.

 

Um seine abseitige Wirkung zu entfalten, muss BESTIALITÀ nicht einmal allzu graphisch werden. Da reicht es schon die heimliche Sleaze-Prinzessin der 70er - nämlich die aus anderen obskuren Werken wie PENSIONE PAURA, DIE HINRICHTUNG, GIALLO A VENEZIA oder DIE ENTFESSELTEN bekannte Leonora Fani -mit einem Hund auf einen Felsen zu positionieren – und perfekt ist die schlüpfrig-düstere Stimmung. Franca Stoppi und Satana haben in den ersten zwei Filmminuten ganze (Vor-)Arbeit geleistet.

 

Auch dem Protagonisten Paul bleibt die verruchte Aura der jungen Frau mit Hund nicht verborgen. Seine Faszination für die Geheimnisvolle führt zum Erwachen seiner weggedösten Libido. Folgerichtig kommt es im letzten Filmdrittel nicht nur zur Menage-a-trois zwischen dem fremden Mädchen und dem älteren Ehepaar, sondern nun kommen auch die vielen Sexszenen des Trailers zum Einsatz. Die sind mal befremdlich bis abstoßend (vor allem wenn alte, lüsterne Menschen oder eben Hunde ins Spiel kommen); mal aber auch aufregend ungekünstelt und auf natürliche Weise erotisch.

 

Das Ende wird bitter und hält für den Zuschauer dann noch eine letzte Provokation sowie einen blutigen Schluss bereit. Schließlich bewegen wir uns hier in den abseitigeren Gefilden europäischer Erotikdramen.

 

Dabei distanziert sich BESTIALITÀ dank der sorgfältigen Regie Skerls, der prächtigen Fotografie Beradinis, der traumschwelgenden Musik Coriolano Goris und eben dieser ganz speziellen entrückten Atmosphäre fast schon vom üblichen selbstzweckhaften Sleaze der italienischen Filmindustrie jener Tage. Fast schon wird die Nähe zu kultivierter Düstererotik der Marke BLUT AN DEN LIPPEN gesucht.

 

Im Übrigen hat vor und hinter der Kamera einige (Genre-)Prominenz an diesem unbekannten wie provokanten Film mitgewirkt. Jess Franco-Regulär Paul Muller hat ebenso seine Auftritte wie die seinerzeit berühmte Pornodarstellerin und spätere Politikerin Ilona "Cicciolina" Staller. Das Mitwirken eines gestandenen Schauspielers wie Enrico Maria Salerno unterstreicht den durchaus vorhandenen Kunstanspruch des Ganzen. PS: Das Drehbuch stammt von keinem Geringeren als Luigi Montefiori (dem man in den Werken von Joe D'Amato häufig unter seinem ungleich bekannteren Pseudonym George Eastman begegnet).

 

Das ist hypnotisch (nicht langweilig), langsam (nicht quälend) und so seltsam entrückt wie ein guter Jess Franco-Jahrgang.

 

Da BESTIALITÀ zu den exzentrischeren Stilblüten der 70er Jahre-E(u)rotica rechnet, spricht der Film -vergleichbar den Werken eines Rollin oder Franco- auch seine eigene kleine Nische an. Hier sollte man definitiv wissen, worauf man sich einlässt.

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