Inferno unter heißer Sonne

Italien, 1972

Originaltitel:

Al tropico del cancro

Alternativtitel:

Trópico de Cáncer (ESP)

Tropique du cancer (FRA)

Death in Haiti

Peacock's Place

Tropic of Cancer

Inhalt

Doktor Williams (Anthony Steffen) ist ein aufrichtiger Mediziner, der sich nicht nur Tag für Tag aufopferungsvoll um die Bedürftigen Haitis kümmert, sondern auch noch so ganz nebenbei ein sagenumwobenes Serum entwickelt hat, für welches er nun plötzlich von mehreren zwielichtigen Interessensverbünden heftigst umworben wird. Aber Williams denkt überhaupt nicht daran, die geheimnisvolle Formel seiner Entdeckung in fremde Hände zu geben, was er dann auch wiederum den jeweiligen Interessenten unmissverständlich zu verstehen gibt. Was folgt, ist zunächst das Verschwinden seiner beiden engsten Mitarbeiter, wobei einer von ihnen bereits nach kürzester Zeit als blutleere Leiche tot aufgefunden wird. Der zweite Assistent befindet sich darüber hinaus nicht nur weiterhin auf der Flucht, sondern auch im Besitz des Serums, welches er sich gerade erst kurz zuvor widerrechtlich angeeignet hatte. Und zu allem Überfluss erscheinen dann auch noch völlig unvorangekündigt Williams amerikanischer Freund Fred Wrigt (Gabriele Tinti) mit seiner liebreizenden Noch-Ehefrau Grace (Anita Strindberg) auf der Bildfläche, da beide vor ihrer bereits beschlossenen Scheidung zumindest noch einen gemeinsamen Urlaub in Port-au-Prince miteinander verbringen möchten. Aber anstatt eines beschaulichen Urlaubs erwarten die drei Freunde weitere grausame Morde an den verbliebenen Interessensvertretern, die ungeachtet dessen auch weiterhin alles daran setzen, um irgdendwie doch noch in den Besitz der geheimnisvollen Formel zu gelangen. Bleibt nur noch die Frage, ob es ihnen letztendlich auch gelingen wird...

Review

Bei INFERNO UNTER HEISSER SONNE handelt es sich um einen recht exotischen Vertreter des gelbsüchtigmachenden Thrillergenres, welcher dann nicht nur auf der Karibikinsel Haiti -genauer gesagt in der geschichtsträchtigen Hauptstadt Port-au-Prince- abgedreht wurde, sondern neben den wichtigsten Bestandteilen des Giallos auch noch Elemente des pseudodokumentarischen Mondo- als auch des erotischen Exotikfilms beinhaltet. Angesichts des bisherigen Werdegangs des maßgeblichen Projektinitiators und Teilzeitregisseurs Giampaolo Lomi ist diese recht ungewöhnliche Genremixtur aber kaum verwunderlich, denn neben einer handvoll Dokumentarfilme für das brasilianische TV zeichnete sich Lomi auch als Produktionsleiter für Gualtiero Jacopettis und Franco Prosperis Skandalmondo ADDIO ONKEL TOM aus. Laut einem Interiew mit dem Regisseur, welches sich übrigens auch auf der hervorragenden DVD von Camera Obscura befindet, packte diesen nach der Rückkehr von den Dreharbeiten zu ADDIO ONKEL TOM gleich wieder die Sehnsucht nach der Karibik, woraufhin er seine zuvor geknüpften Kontakte vor Ort spielen ließ und nur ein Jahr später erneut nach Port-au-Prince reiste, um dort schließlich auch den vorliegenen Film zu bewerkstelligen. Und nachdem es ihm dann auch noch gelang, eine handvoll Produzenten der 14 Luglio Cinematografica für sein Filmprojekt zu gewinnen, begannen sowohl die Arbeiten am Drehbuch als auch die Suche nach geeigneten Schauspielern. Den Zuschlag für die Hauptrolle erhielt letztendlich der bis dahin vorwiegend aus dem italienischen Western-Genre bekannte Filmdarsteller Antonio Luiz de Teffé von Hoonholtz, der unter seinem Namenssynonym Anthony Steffen (LAST CHANCE FOR LIFE, DJANGO UND DIE BANDE DER BLUTHUNDE, DIE BLUTIGEN SPIELE DER REICHEN) besser bekannt sein dürfte. Laut Lomi soll der brasilianische Genrefilmstar bereits gleich nach Vertragsabschluss nicht nur darauf bestanden haben, maßgeblich an der Erstellung des Drehbuchs beteiligt zu werden, sondern verlangte auch während des Filmdrehs eine bestimmte Anzahl an Close-Ups, damit sein ach so hübsches Gesicht auf der großen Leinwand auch adäquat zur Geltung kommt. Darüber hinaus zeichnete sich Steffens dafür verantwortlich, dass schließlich auch noch der italienische Regisseur und Drehbuchautor Edoardo Mulargia (DJANGO - KREUZE IM BLUTIGEN SAND, DEM TEUFEL INS GESICHT GESPUCKT, LESBOS - HOHE SCHULE DER LIEBE) mit ins Boot geholt wurde, denn Giampaolo Lomis Erfahrungen im Regiefach beschränkten sich bis dahin lediglich auf ein paar wenige Dokumentarfilme, was wiederum für die Bewerkstelligung eines abendfüllenden Spielfilms wohl doch etwas zu dürftig schien. Mulargia und Steffens waren übrigens bereits zu diesem Zeitpunkt sehr gut miteinander befreundet, da beide schon bei den vorausgegangenen Westernproduktionen JETZT SPRECHEN DIE PISTOLEN, SHANGO'S LETZTER KAMPF und EIN FRESSEN FÜR DJANGO erfolgreich zusammenarbeiteten.

 

So eindeutig der bis dahin aufgeführte Werdegang des vorliegenden Films anhand zahlreicher Quellen nachvollzogen werden kann, so unklar scheinen die jeweiligen Verdienste der beiden Regisseure, da sich sowohl Lomi als auch Mulargia die Hauptverantwortung für dessen Inszenierung zuschreiben. Laut Lomi soll sich Mulargia beispielsweise völlig aus dem Regieprozess herausgehalten und ihm lediglich beratend zur Seite gestanden haben, wohingegen Mulargia gegenüber dem viel zu früh verstorbenen Filmwissenschaftler Antonio Bruschini verlauten ließ, dass er für den vorliegenden Film der hauptverantwortliche Regisseur gewesen sein soll und Lomi sich lediglich für die mondoartigen Filmsequenzen zuständig zeigte. Somit lässt sich zwar die Frage nach der hauptsächlichen Regieverantwortung wohl nie eindeutig beantworten, aber die Tatsache, dass sich Lomi für das hypnotisch inszenierte Voodoo-Ritual verantwortlich zeigte, scheint zumindest zu stimmen, denn den Worten des Filmschaffenden nach, soll er sich während eines eigens für den Film einberufenen Voodoo-Rituals höchstpersönlich mit einer 9mm objektstarken Arriflex bewaffnet ins völlig enthemmte Getümmel gestürzt haben, um in bester Jacopetti & Prosperi-Manier den letztendlich im Film zu sehenden Exzess guerillamäßig abzudrehen. Und da Lomi mit der von Anthony Steffen intendierten Schlussszene alles andere als glücklich war, veranstaltete er kurzerhand nach dessen Abreise mit dem Kameramann, einem der Produzenten und den beiden Darstellern Umberto Raho und Gabriele Tinti einen konspirativen Nachdreh des Finales, bei dem sowohl einige Handlungskürzungen vorgenommen als auch einzelne Szenen neu nachinszeniert wurden. Schade übrigens, dass es das ursprünglich von Steffens intendierte Ende bis dato noch nirgends zu sehen gab, wobei überhaupt unklar scheint, ob das abgedrehte Material noch existiert und nicht direkt nach dem Neudreh unwiderruflich vernichtet wurde.

 

Trotz aller exotischen Verwirrungen und fremdgenreartiger Vermengungen handelt es sich bei INFERNO UNTER HEISSER SONNE letztlich immer noch um einen waschechten Giallo, der neben einem soliden Whodunit-Plot auch ein paar schwarze Handschuhe, einen geheimnisvollen Killer unbekannten Geschlechts und zahlreiche grausame Morde bereit hält. Die jeweiligen Mordtaten werden zudem aus der giallotypischen Egoperspektive gezeigt, welche wiederum von dem zuständigen Kameramann Marcello Masciocchi (DAS WILDE AUGE, DER SCHÖNE KÖRPER DER DEBORAH, BETRACHTEN WIR DIE ANGELEGENHEIT ALS ABGESCHLOSSEN) gekonnt in Szene gesetzt wurden. Neben argentoinspirierten Kamerafahrten durch dunkle Treppenhäuser und Korridore hält der Kameramann für uns auch noch einen weiteren visuellen Leckerbissen bereit, nämlich die bizarre Inszenierung der von Anita Strindberg erlebten Alptraumsequenz in Form eines hypnotischen Bilderrrauschs, die überdies unweigerlich Erinnerungen an die Eröffnungssequenz aus Lucio Fulcis A LIZARD IN A WOMANS SKIN hervorruft. Eine sowohl effektvoll als auch zugleich stilvoll inszenierte Szene, der man das geringe Produktionsbudget in keinster Weise anmerkt. Eine weitere Besonderheit des vorliegenden Films betrifft die zahlreichen Mordopfer, da diese ausschließlich dem männlichen Geschlecht angehören. Die am Film beteiligten Damen werden ausnahmsweise mal verschont. Aber leider bietet der Film auch ein paar weniger schöne Momente, denn die grässlichen Tiersnuff-Szenen wären keinesfalls von Nöten gewesen. Neben einem gnadenlosen Hahnenkampf werden auch Bilder einer grauenvollen Stieropferung gezeigt, die wiederum einen festen Bestandteil des bereits zuvor aufgezeigten Voodoo-Rituals darstellt. Ferner entführt uns der Regisseur in ein abgelegenes Schlachthaus am Rande der Stadt, um uns dann recht unappetitliche Szenen aus dem Inneren der Tierschlächterei zu servieren. Und obwohl die deutsche VHS-Fassung um weitaus mehr als 5 Minuten gekürzt war, bezogen sich die Schnitte keinesfalls auf die unsäglichen Tiersnuff-Szenen, sondern vornehmlich auf Dialogszenen, in denen dann beispielsweise die Hintergründe des Voodoo-Kults etwas genauer erläutert wurden. Scheinbar waren diese Erklärungen für das katholisch geprägte Deutschland etwas zu viel des Guten, wodurch diese wiederum vom damaligen Verleiher für die VHS Veröffentlichung einfach kurzerhand aus dem Film entfernt wurden. Abschließend sollte aber auch noch die hervorragende Synchro ihre Erwähnung finden, da diese aufgrund der beteiligten Synchronsprechern durchwegs zu glänzen weiß. Und gerade deswegen ist es umso erstaunlicher, dass diese hochwertige Synchro ausgerechnet für eine VHS Premiere erstellt worden sein soll? Vermutlich war zwar damals für den Film ein ofizieller Kinostart geplant, der dann aber aus unnachvollziehbaren Gründen scheinbar nie zu Stande kam. Ein weiteres Indiz, das für einen ursprünglich geplanten Kinostart spricht, ist der während der DVD-Produktion rein zufällig aufgetauchte Trailer, der den Labelkollegen von Subkultur Entertainment aufgrund einer falsch deklarierten Trailerrolle rein zufällig in die Hände fiel. Dankenderweise trat Subkultur diesen phänomenalen Zufallsfund an Camera Obscura ab, so dass diese ihn auch noch rechtzeitg mit auf das vorliegende DVD-Release packen konnten. Dem einen Leid ist bekanntlich des anderen Freud...

 

Kommen wir zu den gut aufgelegten Darstellern, die allesamt tadellose Darbietungen abliefern. Neben Anthony Steffen, der wie bereits beschrieben einen sowohl einzelgängerischen als auch arbeitswütigen Mediziner mimt, sind es gerade Anita Strindberg und Gabriele Tinti, die mit ihren jeweiligen Darbietungen überzeugen können. Gabriele Tinti (DAS GRAUEN KAM AUS DEM NEBEL, L'OSSESSA - DAS OMEN DES BÖSEN, NACKT UNTER KANNIBALEN) spielt dabei einen recht unangenehmen Gesellen, der aufgrund seiner Überheblichkeit wahrlich keine Sympathiepunkte kassiert. Zudem ist sein Rollencharakter Fred Wright ein launischer, leicht cholerischer und oftmals streitsüchtiger Hitzkopf, der überdies hinaus auch ständig etwas niederträchtiges im Schilde zu führen scheint. Als Ehefrau eines solchen Göttergatten hat man es wahrlich nicht leicht, worüber Anita Strindberg (DER SCHWANZ DES SKORPIONS, MÄDCHEN IM KNAST, DER BERSERKER) in besagter Rolle dann auch ein längeres Buch zu schreiben weiß, denn die Scheidung ihrer Ehe war bereits vor dem Antritt ihres letzten gemeinsamen Urlaubstrips eine beschlossene Sache gewesen. Während ihres Aufenthalts auf Haiti macht Grace Wright obendrein Bekanntschaft mit dem Übernatürlichen, indem ihr ein Blumenstrauß als Geschenk zugestellt wird, der schließlich magische Düfte versprüht. Der Zauber des magischen Blütenstaubs versetzt sie daraufhin in eine bizarre Traumwelt, aus der es im ersten Moment kein Entkommen mehr zu geben scheint. Und als wäre das alles noch nicht genug, wird sie dann auch noch von ihrem sauberen Ehemann immer tiefer mit in den Schlamassel hineingezogen.

 

Dann wäre da auch noch Umberto Raho (DAS GEHEIMNIS DER SCHWARZEN HANDSCHUHE, DIE GROTTE DER VERGESSENEN LEICHEN, DEADLY TRAP), der dieses Mal einen undurchsichtigen Hotelmanager verkörpern darf. Für die schrägste Rolle wurde übrigens der US-amerikanische Schauspieler Gordon Felio (JUNGFRAU REICH GARNIERT, WAS GIBT'S NEUES, PUSSY?, NICK CARTER - ZUM FRÜHSTÜCK BLONDINEN) verpflichtet, der sich in der Rolle des leibesfülligen Paradiesvogels und passionierten Pfauenfarmbesitzers Peacock nicht nur einen privaten Adonis hält, sondern auch noch die Wassertemperatur seines luxuriösen Swimming-Pools durch die Hinzugabe von tiefgefrorenen Eisblöcken regelt. Der letzte im Bunde hört auf den Namen Stelio Candelli (EIN FRESSEN FÜR DJANGO, DEATH FALLS LIGHTLY, DIE GNADENLOSE HAND DES GESETZES) und verkörpert den zwielichtigen Geschäftsmann Garner, dessen Aufgabe es dann ist, den pfauenvernarrten Peacock im Auftrag eines mächtigen Chemiekonzerns als geheimen Mittelsmann zu rekrutieren.

 

Die urlaubshafte Filmmusik stammt von keinem geringeren als Piero Umiliani und weist durchwegs hohe Ohrwurmqualitäten auf. Der Titeltrack beginnt zunächst mit einem big-beat lastigen Grundgerüst, worüber dann ein endlos wirkendes 'bababadada' ertönt. Als Höhepunkt des Ganzen kann die ohrwurmträchtige Hookline angesehen werden, zumal diese auch noch Tage später angenehm im Ohr nachhallt. Im weiteren Filmverlauf erklingt dieses  Thema in zahlreichen Variationen, die dann allesamt sehr loungelastig ausfallen. Übrigens: An manchen Stellen kam mir unweigerlich die Filmmusik zu FIVE DOLLS FOR AN AUGUST MOON in den Sinn, zumal sich die beiden Filme auch von ihrer Geschichte her ein wenig ähneln, denn sowohl in Bavas traumhaften Insel-Giallo als auch im vorliegenden Fall geht es um eine geheime Formel, welche intrigante Geschäftsmänner dem Urheber unter allen Umständen abspenstig machen möchten.

 

Fazit: Ein außergewöhnlicher Genremix mit exotischem Flair!

Veröffentlichungen

Das deutsche Filmlabel Camera Obscura veröffentlichte diesen ungewöhnlichen Genrevertreter bereits 2012 als HD-Neuabtastung auf DVD. Darauf enthalten sind neben der ungeschnittenen Originalfassung sowohl die beiden Featurettes "Shot in Haiti" mit Giampaolo Lomi und "Bruschini's Place", eine Bildergalerie als auch der deutsche Trailer. Abgerundet wird dieses vorzügliche Release durch ein Booklet des allseits beliebten Filmgelehrten Christian Keßler. Ein hervorragendes Gesamtpaket!

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